Nach Verletzungen und Kränkungen kann es schwer fallen, anderen zu vergeben. Doch wer nachtragend ist, tut sich oft keinen Gefallen. Wir erklären, warum diese Eigenschaft schaden kann.
Vergeben und vergessen? Was für einige Menschen selbstverständlich klingt, fällt anderen nicht leicht. Vielen Personen bereitet es große Mühe, anderen zu verzeihen. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass sie Konflikte, die bereits einige Zeit zurückliegen, immer wieder ins Gespräch bringen und diskutieren möchten.
Nachtragende Menschen drücken dabei typischerweise aus, dass das Gegenüber „immer“ etwas Bestimmtes tut oder sagt, oder beziehen sich auf vergangene Auseinandersetzungen, in denen Ähnliches passiert ist. Dabei beginnt der Streit in etwa mit „Genau wie damals, als…“. Zudem fällt es nachtragenden Menschen schwer, eine Entschuldigung anzunehmen und anderen wirklich von Herzen zu verzeihen.
Dass Menschen nachtragend sind, hat unterschiedliche Gründe. Während einige beispielsweise ein negatives Selbst- und Fremdbild haben und anderen grundsätzlich misstrauen, haben andere ein geringes Selbstwertgefühl oder einfach schlechte Erfahrungen im Umgang mit ihren Mitmenschen gemacht. Dabei ist es nicht nur für die eigene Seele, sondern auch für das körperliche Wohlbefinden enorm wichtig, anderen zu verzeihen.
Warum Vergeben das körperliche Wohlbefinden beeinflusst
Ein Forscher:innenteam aus Südkorea wertete mehr als 100 Studien mit rund 58.000 Probanden aus. Das Ergebnis: Vergeben wirkt sich positiv auf die körperliche Gesundheit aus. Unabhängig vom Alter und Geschlecht sowie weiteren Faktoren, wie dem Bildungsstand und dem sozialen Umfeld, leiten die Wissenschaftler:innen einen direkten Zusammenhang zu körperlichen Erkrankungen ab. Wer dauerhaft nachtragend ist, müsse mit gesundheitlichen Folgen rechnen, etwa einem Anstieg des Cholesterins und der Stresshormone.
Anderen vergeben statt nachtragend zu sein
Anderen zu vergeben tut gut und ist möglicherweise leichter als du denkst. Damit du anderen Menschen verzeihen kannst, empfiehlt sich eine schrittweise Herangehensweise. Sie könnte zum Beispiel so aussehen:
- Decke auf, warum und wem du eigentlich vergeben möchtest.
- Betrachte deine Gefühle. Wie fühlst du dich in diesem Moment? Höre auf dein Bauchgefühl und versuche deine Gefühle offen und ehrlich auszudrücken.
- Welche Vorteile bringt es dir, anderen zu vergeben? Womöglich kannst du deine negativen Gefühle in positive Emotionen transferieren (Trauer wird zu Glück, Wut zu Frieden). Falls du dir unsicher bist, kannst du dir auch allgemein positive Gefühle vorstellen, die du jetzt gerne empfinden würdest.
- Jetzt ist es an der Zeit, die für die Vergebung „zu verpflichten“ und die damit verbundene Freiheit und den inneren Frieden anzunehmen.
Wichtig: Nur weil du jemandem verzeihst, bedeutet das nicht automatisch, dass du seine/ihre Taten auch gutheißt. Es bedeutet nur, dass du die Kränkung und Verletzung hinter dir lässt und das Geschehene aus einem anderen Blickwinkel betrachtest. Wir weisen zudem darauf hin, dass dieses Prinzip nicht automatisch für Opfer sexuellem und/oder körperlichem oder emotionalem Missbrauch gelten muss. Hier kann es manchmal abhängig von der Situation aus Selbstfürsorge sinnvoll sein, dem/der Täter:in nicht zu vergeben. Denn dem/der Täter:in zu vergeben, bedeutet für viele Betroffene nicht automatisch eine Heilung, wie das NetzwerkBPlus, das Opfern jeglicher Gewalterfahrung unterstützt, betont.
Weitere Tipps, um weniger nachtragend zu sein
- Verbessere dein Selbstbewusstsein. Kritik sollte dich nicht persönlich angreifen. Wenn es konstruktive Kritik ist, kannst du sogar viel daraus lernen und dem Gegenüber dafür dankbar sein. Doch wir alle erleben auch manchmal Beleidigungen oder persönliche Abwertungen. Wenn du diese nicht zu persönlich nimmst und dein Selbstwertgefühl davon unberührt bleiben kann, wirst du wahrscheinlich weniger nachtragend sein. Am besten für dich ist es, wenn du nicht nachtragend bist – selbst du tatsächlich unfair behandelt wurdest oder jemand dir schaden wollte. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, eine gewisse Resilienz aufzubauen. Expert:innen wie der Neurowissenschaftler Joachim Bauer betonen, dass Menschen nur überleben können, wenn sie ein „starkes inneres Selbst“ haben und lernen, Kränkungen angemessen zu verarbeiten.
- Höre anderen Menschen besser zu. Oftmals sind Ratschläge oder Anmerkungen gar nicht böse gemeint, sondern lediglich von dir fehlinterpretiert. Frage besser noch einmal nach oder sprich mit dem anderen, ehe du wütend auf eine Person bleibst. So kannst du auf lange Sicht zu einer weniger nachtragenden Person werden.
- Versetze dich in die Lage der anderen hinein. Erinnere dich an einen eigenen Fehltritt und wie jemand dir dafür verzeihen konnte, ohne nachtragend zu sein. Du wirst wahrscheinlich merken, wie viel Respekt zu für diese Person hast, und dir dieses Verhalten zum Vorbild nehmen. Oder versetze dich in jemanden hinein, dem du gerade noch nachtragend bist: diese Person ist unter Umständen sehr verletzt, dass du ihm oder ihr einen Fehltritt noch nicht verzeihen konntest. Lerne Empathie um dich besser in andere hineinzuversetzen und sie fair und konstruktiv zu behandeln.
- Lebe in der Gegenwart und schau nach vorn. Es bringt nichts, nur in der Vergangenheit zu leben. Dies kann, wie der Deutschlandfunk in einem Fachbeitrag schreibt, sehr ungesund sein. Wer nur in der Vergangenheit lebt, sei anfälliger für Depressionen, da Altlasten nicht vollständig verarbeitet werden würden. Insofern bringt es dich nicht weiter und macht dich vielleicht sogar krank, wenn du nachtragend bist. Schau stattdessen, um inneren Frieden zu finden, nach vorn und versuche, dich von der Situation oder dem Streit loszusagen.
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