Öko-Test hat geschälte Tomaten in Dosen und Gläsern getestet. Hauptproblem bei den Dosentomaten ist Bisphenol A (BPA). Grund für die verheerend hohen Werte sind neue Grenzwerte.
Öko-Test hat geschälte Tomaten genauer unter die Lupe genommen und im Labor untersuchen lassen. Im Test waren 20 Konserven mit geschälten Tomaten – eine Mischung aus bekannten Markenprodukten und Eigenmarken, sowohl aus konventionellem Anbau als auch in Bio-Qualität. Die Tester:innen untersuchten die Produkte auf Bisphenol A, Pestizidrückstände, Schimmelpilzgifte und schauten sich zudem an, woher die Tomaten kommen und unter welchen Bedingungen sie angebaut wurden.
Erstmals veröffentlichte Öko-Test den Test in der Ausgabe 07/2023. Nun sind die Testergebnisse auch im Öko-Test Jahrbuch 2023 abrufbar. Haben sich zwischenzeitlich Änderungen bei den Produkten oder bei gesetzlichen Grenzwerten ergeben, ließ Öko-Test eine neue Laboranalyse durchführen.
Geschälte Tomaten bei Öko-Test
Wir starten mit der guten Nachricht, die der Test von geschälten Tomaten von Öko-Test beinhaltet: Pestizide sind bei den geschälten Tomaten kein Thema, Schimmelpilzgift haben die Tester:innen nur einmal gefunden.
Aber: Nur ein Produkt ist empfehlenswert. Das Problem bei 18 untersuchten Dosentomaten ist Bisphenol A (BPA). Hier wurden Laborwerte gemessen, die Öko-Test als „stark erhöht“ bewertet.
Tomaten im Test: Was ist das Problem mit BPA?
Das verheerende Ergebnis aus dem Test: Wenn ein erwachsener Mensch mit 60 kg Körpergewicht umgerechnet eine Dose Cirio Bio Pelati Geschälte Tomaten pro Woche verzehrt, nimmt er 28 Mal mehr Bisphenol A (BPA) auf, als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) aktuell für unschädlich hält.
Aber auch andere geschälte Tomaten enthalten viel zu viel BPA. Schlussendlich überschritten alle Dosentomaten im Test die neuerdings empfohlene Tageshöchstdosis (mehr dazu erfährst du weiter unten im Text) um ein Mehrfaches. Die beiden getesteten Tomaten aus dem Glas sind jedoch frei von Bisphenol A.
Geschälte Tomaten: Testsieger bei Öko-Test
Als einziges Produkt im Test bekam die Tomatenkonserve im Glas von LaSelva ein „gut“:
- LaSelva Pomodorini Pelati, Kleine geschälte Tomaten: Testurteil: „gut“, Herkunft: Norditalien
Darauf folgen mit einem „befriedigend“ (wegen erhöhter BPA-Werte) unter anderem:
- Alnatura Ganze Tomaten Geschält: Testurteil „befriedigend“, Herkunft: Süditalien
- Dennree Tomaten ganz, geschält: Testurteil „befriedigend“, Herkunft: Süditalien
- DmBio Ganze Datterini Geschält: Testurteil „befriedigend“, Herkunft: Süditalien
Die LaSelva-Tomaten sind sowohl frei von BPA und schneiden auch hinsichtlich der ökologischen und sozialen Bedingungen beim Anbau mit einem „gut“ ab. Das zweite Produkt im Test, das ebenfalls in Glas verpackt ist, erhielt jedoch nur ein „ausreichend“. Hier enthalten die Tomaten zwar ebenfalls kein BPA, dafür gab es die Note „mangelhaft“ u. a. wegen schlechter Produktionsbedingungen entlang der Lieferkette.
Grenzwert für Bisphenol A wurde um Faktor 20.000 gesenkt
Das Problem der erhöhten BPA-Werte ist bedingt durch die neuesten Einschätzungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA):
Aufgrund aktueller Studien kam die EFSA zu dem Schluss, dass BPA in viel kleineren Mengen als bisher gedacht gefährlich für den Menschen sein kann. Im April 2023 hat sie eine Neubewertung veröffentlicht und den in ihrer früheren Bewertung (2015) festgelegten Wert für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake – TDI) gesenkt. Und zwar deutlich: um den Faktor 20.000.
Beim TDI-Wert handelt es sich um die Menge, die im Laufe eines Lebens täglich aufgenommen werden kann, ohne dass ein nennenswertes Gesundheitsrisiko besteht.
- EFSA-Empfehlung von 2015: 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag
- EFSA-Empfehlung von 2023: 0,2 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag
Das bedeutet: Der TDI-Wert ist jetzt etwa 20.000 Mal niedriger als zuvor. Für die Neubewertung wurden laut EFSA unter anderem 800 neue Studien berücksichtigt.
In Deutschland ist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für die Bewertung von Schadstoffen aus Lebensmittelverpackungen zuständig. Das BfR schlägt im Gegensatz zur EFSA einen höheren TDI von 0,2 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag vor. Dem BfR zufolge mangele es an aktuellen Daten über die Höhe der BPA-Belastung in der Bevölkerung.
Öko-Test meint dazu: „Ein TDI ist noch kein rechtlich bindender Grenzwert. Die gefundenen BPA-Gehalte bewegen sich alle innerhalb des derzeit geltenden Migrationsgrenzwerts, der vorschreibt, welche Menge der Chemikalie maximal aus einer Verpackung ins Lebensmittel übergehen darf.“ Öko-Test orientiert sich in seinem Test von geschälten Tomaten bereits an den aktuellen Empfehlungen der EFSA für eine Tageshöchstdosis: „Der Wert gründet ja auch auf konkreten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum toxikologischen Risiko-Potential des Stoffes“, erklären die Tester:innen von Öko-Test.
Woher stammt das BPA in den Tomaten?
Es bleibt die Frage, woher das BPA stammt. Laut Öko-Test haben alle Anbieter im Test versichert, nur Innenlacke zu verwenden, die kein Bisphenol A enthalten – zum Teil haben sie das auch mit Zertifikaten belegt. Dass die Chemikalie nicht aus dem Lack, sondern aus den Tomaten selbst stammt, halten die Tester:innen für wenig wahrscheinlich. „Denn in in den einzigen beiden Testprodukten aus dem Glas – den geschälten Tomaten von Naturata und La Selva – hat unser Labor trotz hypersensibler Methode kein BPA messen können.“
Wie gefährlich ist Bisphenol A (BPA)?
Bisphenol A (BPA) ist ein chemischer Stoff, der in Kombination mit anderen chemischen Stoffen zur Herstellung von bestimmten Kunststoffen und Harzen verwendet wird. BPA ist Bestandteil vieler Lebensmittelverpackungen, von Brotboxen über Wasserflaschen bis hin zu Konservendosen. Hier wandert BPA aus den Harzen, mit denen Konservendosen von innen lackiert sind, in die enthaltenen Lebensmittel.
BPA kann unser Hormonsystem beeinflussen und ist in der CLP-Verordnung offiziell als „reproduktionstoxisch beim Menschen“ eingestuft, es stört also sowohl die Fortpflanzungsfähigkeit als auch die Entwicklung des ungeborenen Kindes im Mutterleib. Zudem steht BPA im Verdacht, Brustkrebs, Übergewicht sowie Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu befördern.
Bisher stand die Wirkung von BPA auf unser Immunsystem nicht im Zentrum der Untersuchungen. Die EFSA kam jedoch auch hier zu neuen Erkenntnissen: „In den Studien beobachteten wir einen Anstieg des Anteils einer Art weißer Blutkörperchen, der sogenannten T-Helferzellen, in der Milz. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei den zellulären Immunmechanismen des Menschen, und eine Erhöhung der Konzentration dieser Art von Blutkörperchen könnte zur Entwicklung allergischer Lungenentzündungen und Autoimmunerkrankungen führen“, erklärt Claude Lambré, Vorsitzender des EFSA-Gremiums für Lebensmittelkontaktmaterialien, Enzyme und Verarbeitungshilfsstoffe.
Woher kommen Dosentomaten?
Auch ein wichtiger Punkt bei Tomaten-Konserven: Wie sieht es mit den ökologischen und sozialen Bedingungen beim Anbau aus, Stichwort Corporate Social Responsibility (CSR)? Denn die Arbeitsbedingungen in Süditalien gelten als äußerst problematisch. Und: Woher kommen die Tomaten, für deren Anbau viel Wasser benötigt wird?
Insgesamt konnten nur sechs Anbieter ihr Engagement für Arbeitsrechte nachweisen. Öko-Test meint: „Internationale Sozialstandards wie eine Bezahlung nach dem gesetzlichen Mindestlohn oder reguläre Arbeitsverträge sollten auch auf italienischen Feldern selbstverständlich sein.“
Alle Produkte bis auf zwei stammen nachweislich aus Süditalien – und nicht etwa aus China. Aber im Süden Italiens ist Wasserknappheit inzwischen ein Thema. Während der Saison finden sich in deutschen Supermärkten frische Tomaten aus regionalem Anbau. Bei Konserven muss man danach jedoch lange suchen. Bei verarbeiteten Produkten sind deshalb norditalienische Tomaten die derzeit beste Wahl, die Region leidet noch am wenigsten unter Wassermangel.
Alle Details zum Test findest du im Jahrbuch 2023 von Öko-Test oder direkt bei oekotest.de.
Wenn du sicher gehen möchtest, dass deine Tomaten frei von BPA sind, kannst du Tomaten selbst anpflanzen und die Tomaten selbst einkochen. Bestenfalls gießt du sie mit aufgefangenem Regenwasser.
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