Heilpflanzen werden schon seit Jahrhunderten verwendet. Auf dem deutschen Markt sind derzeit tausende pflanzliche Arzneimittel erhältlich. Hier erfährst du, worin der Unterschied zu anderen Medikamenten besteht, wie die Wirksamkeit pflanzlicher Präparate überprüft wird und warum es sich lohnen kann, darauf zurückzugreifen.
Im Unterschied zu chemisch-synthetischen Arzneimitteln sind pflanzliche Arzneimittel in der Regel Vielstoffgemische. Diese können getrocknete Pflanzenteile aus Blättern, Blüten, Rinden oder Wurzeln sein oder aber Extrakte, die in Form von Tabletten, Tropfen oder Salben verabreicht werden können.
Zubereitungen dieser Arzneimittel können also sehr unterschiedlich sein. Sie enthalten jedoch immer bestimmte Stoffe, auf die ihre pharmazeutische Wirkung zurückgeführt wird. Im Fenchel sind es beispielsweise die ätherischen Öle mit den Bestandteilen Anethol und Fenchon, die schleimlösend wirken. In der Birke sind bestimmte Flavonoide, die bei leichten Beschwerden im Bereich der Harnwege Abhilfe schaffen. Aber: Nur zu wenigen dieser Mittel gibt es kontrollierte klinische Studien.
Wie erfolgt die Zulassung für den Markt?
Pflanzliche Arzneimittel werden, wie alle anderen Arzneimittel, vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen. Dabei gehen allerdings nur die wenigsten pflanzlichen Mittel den Weg des sogenannten Vollantrags, der aufwändige Labortests und klinische Studien erfordert. Stattdessen bekommen die meisten Produkte ihre Zulassung – vereinfacht gesagt – weil die Hersteller nachweisen, dass die Wirkstoffe bereits seit längerer Zeit benutzt werden und ihre Wirksamkeit anerkannt ist („allgemeine medizinische Verwendung“ oder „traditionelle Verwendung“).
Letztendlich durchlaufen also viele pflanzliche Arzneimittel kein echtes Prüf- und Zulassungsverfahren, sondern kommen durch den Verweis auf andere, bereits etablierte Mittel auf den Markt.
Wirken pflanzliche Arzneimittel?
Für Verbraucher:innen ist nicht ohne Weiteres klar, hinter welchem Arzneimittel ein Vollantrag steht, denn in der Regel veröffentlichen die Hersteller die Studien nicht. Du kannst anhand der Verpackungsbeschriftung aber erkennen, ob es sich um ein „traditionelles pflanzliches Arzneimittel“ handelt. Es trägt dann auch eine Registrierungsnummer.
Sind also traditionelle Arzneimittel, die kein richtiges Zulassungsverfahren durchlaufen, möglicherweise schlechter wirksam als jene, die eine Zulassung haben? „Das lässt sich so nicht sagen“, sagt Professor Robert Fürst, der an der Goethe-Universität in Frankfurt zu pflanzlichen Wirkstoffen forscht. „Das beste Beispiel ist Kamille. Nur weil es keine klinischen Studien gibt, kann man nicht sagen, dass sie nicht wirkt. Laborstudien zeigen ihre entzündungshemmende Wirkung. Es hat sich nur noch niemand die Arbeit gemacht, das klinisch zu untersuchen.“
Auch ohne klinische Studien müssen jedoch Hinweise auf die Wirksamkeit vorliegen. In jedem Fall kannst du dich dazu aber in der Apotheke beraten lassen.
Können pflanzliche Arzneimittel Antibiotika ersetzen?
In Einzelfällen kann es möglich sein, Infektionen statt mit Antibiotika mit pflanzlichen Arzneimitteln zu bekämpfen. Atemwegsinfekte etwa sind oft nicht bakterieller Natur, sondern durch Viren verursacht. Hier helfen dann in der Regel keine Antibiotika. Doch pflanzliche Arzneimittel können hier helfen. Insbesondere Kombinationspräparate aus Heilpflanzen wie Thymian und Primel oder Thymian und Efeu können die Symptome lindern. Zugleich wirkst du Antibiotikaresistenzen entgegen, wenn du ein Antibiotikum ersetzt.
Wenn du eine pflanzliche Alternative zum Antibiotikum anwendest, vermeidest du, dass deine Darmflora Schaden nimmt. Zum anderen gelangen keine Antibiotikarückstände ins Abwasser.
Außerdem können pflanzliche Heilmittel oft chemische Schmerzmittel ersetzen. Auch hier lohnt es sich, zuerst die pflanzlichen Alternativen zu testen.
Heilpflanzen – für alle Fälle
Die meisten pflanzlichen Arzneimittel sind nicht rezeptpflichtig und eignen sich zur Selbstmedikation. Das bedeutet, dass sie auch ohne ärztliche Aufsicht anwendbar sind. So lässt sich erklären, dass sie eher sanft wirken und kaum gravierende Nebenwirkungen haben. Andernfalls wären sie verschreibungspflichtig.
Der größte Bereich, in dem pflanzliche Arzneimittel eingesetzt werden, sind Erkältungskrankheiten und Atemwegsinfekte. „Pflanzliche Mittel haben hier sogar bessere Evidenzen als chemisch-synthetische Mittel“, weiß Fürst. Eukalyptus ist zum Beispiel so ein beliebtes und bewährtes pflanzliches Heilmittel bei Erkältung.
Ein weiterer Bereich sind Magen-Darm-Erkrankungen. „Oft handelt es sich um funktionelle Störungen, bei denen keine organische Ursache feststellbar ist. Auch hier eignen sich pflanzliche Arzneimittel sehr gut, weil sie milder wirken als chemisch-synthetische Mittel und daher auch weniger Nebenwirkungen haben.“ Präparate enthalten dann beispielsweise Kümmel oder Pfefferminzblätter. Auch Bitterfencheltee kann helfen.
Auch bei Harnwegsinfekten gibt es zum Beispiel Präparate, die Goldrutenkraut, Tausendgüldenkraut, Liebstöckelwurzel oder Rosmarinblätter enthalten. Tees aus Brennnessel oder Birke können Beschwerden ebenfalls lindern.
Schlussendlich gibt es auch noch einen nennenswerten Anteil an Beruhigungs- und Schlafmitteln unter den pflanzlichen Arzneimitteln. Typische Pflanzenvertreter sind hier Baldrianwurzeln, Hopfenzapfen oder Melissenblätter.
Qualitätsstandards in der Apotheke am höchsten
Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, dass alle Arzneimittel den Vorgaben des Deutschen Arzneibuchs entsprechen, dann kaufe sie am besten in der Apotheke. Dort werden ganz bestimmte Qualitätsstandards eingehalten, zum Beispiel die Menge wirksamer Bestandteile, und du wirst beraten. Meist sind die Gehalte in Präparaten aus der Drogerie niedriger. So haben sie zwar keine Nebenwirkungen aber möglicherweise auch keine Wirkung, die über den Placeboeffekt hinausgeht.
Auch solltest du bei Tees darauf achten, dass „Arzneitee“ auf der Verpackung steht, denn nur dieser garantiert, dass im Kamillentee tatsächlich echte Kamille in entsprechender Reinheit mit einem bestimmten Wirkstoffgehalt ist.
Das bedeutet aber nicht, dass du Heilkräuter oder Wildkräuter nicht auch selber sammeln kannst. Eine Kräuterwanderung zu Heilpflanzen lohnt sich bestimmt, aber beachte dabei, dass die Qualität hier nicht garantiert oder überprüft ist. Zudem solltest du dich genau informieren, vorher einen Kurs machen oder eine:n Expert:in hinzuziehen, um sicherzugehen, dass du die richtigen Kräuter sammelst.
Utopia meint: Pflanzliche Arzneimittel bieten oft eine gute Alternative zu klassischen Medikamenten, auf die du in vielen Fällen zuerst zurückgreifen kannst – zum Beispiel bei leichteren Infekten und geringfügigen Beschwerden. Wenn du unsicher bist, lass ärztlich abklären, ob und wann pflanzliche Mittel eine gute Alternative darstellen. Viele Ärzt:innen sind offen für pflanzliche Arzneimittel. Bei anhaltenden oder chronischen Beschwerden und (vermeintlich) schwerwiegenderen Krankheiten lass dich bitte stets ärztlich untersuchen, bevor du auf eigene Faust zu Arzneimitteln greifst.
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