Schwarz, schwarz und nochmal schwarz: Keine Farbe ist in der Mode so dominant wie diese. Kleidung schwarz einzufärben gilt jedoch seit jeher als besonders problematisch für Mensch und Umwelt. Zu Recht?
Keine Frage: Die Farbe Schwarz hat optische Qualitäten, die sie auch ökologisch ziemlich interessant machen. Schwarze Kleidung ist zeitlos, sie ist für viele Anlässe wandelbar und sie passt zu allem. Beste Voraussetzungen, gerne und lange getragen zu werden und damit nachhaltiger zu sein als all die bunten Eintagsfliegen.
Wenn da nur nicht dieser ungute Ruf der Farbe Schwarz wäre, dass sie besonders giftig sein soll. Zu viele negative Schlagzeilen gab es in den vergangenen Jahrzehnten: Der Naturtextilversender Hess Natur sah sich in den 80er-Jahren gar gezwungen, Schwarz eine Zeitlang komplett aus seiner Kollektion zu verbannen. Und noch im Jahr 2009 stieß das Magazin Öko-Test bei schwarzen BHs auf Gift: Sechs von insgesamt 25 getesteten Modellen wiesen „teils immense Mengen“ an Farbstoffen auf, die in Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen; einige davon zinnorganische Verbindungen, die das Immun- und Hormonsystem beeinträchtigen.
Doch stimmt dieser schlechte Ruf der „Schwarzfärberei“ eigentlich noch?
Schwarze Farbe = viele Farben auf einmal
Die gute Nachricht:
Alle Beobachter sind sich darin einig, dass gerade in den vergangenen Jahren viele ungiftige Farbstoffe neu entwickelt wurden und von Bekleidungsfirmen auch en gros eingesetzt werden.
Die schlechte:
Der Markt ist so intransparent, dass selbst Fachleute nur mutmaßen können, wie viel bedenkliche Stoffe noch im Umlauf sind.
Fast alle unsere Klamotten werden in anderen Teilen der Welt produziert und die Importe von dort allenfalls stichprobenartig kontrolliert. Das Problem mit der Farbe Schwarz beginnt zuerst einmal damit, dass sie eigentlich gar keine Farbe ist. Um Textilien schwarz einzufärben, müssen mehrere komplementäre Pigmente wie Blau, Orange, oder Gelb zusammen gemixt werden. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein bedenkliches Produkt einschleicht – etwa allergieauslösende Dispersionsfarbstoffe oder auch krebserregende Azofarben.
„Es gibt unglaublich viele Arten wie schwarzer Farbstoff hergestellt werden kann“, erklärt die Chemikerin und Professorin Ines Weller, die an der Uni Bremen ein 2013 abgeschlossenes Forschungsprojekt zu schwarzer Damenbekleidung mitleitete. „Die Farbstoffchemie ist noch immer eine Geheimwissenschaft. Mit Schwarz als einer Art Blackbox.“ Hunderte verschiedene Farbstoffe sind auf dem Markt und ihre Rezepturen behalten die Chemiefirmen weitgehend für sich.
Giftige Schwermetalle machen Kleidung zu Sondermüll
Doch man braucht nicht nur viele verschiedene Farbstoffe, damit die Farbe Schwarz entsteht – es bedarf auch einer besonders hohen Konzentration davon, um eine ausreichende Farbtiefe („Brillanz“) zu erreichen. Ein schwarzes Kleidungsstück enthält also prozentual zu seinem Gewicht sehr viel mehr Farbstoff als ein helleres Teil. Das gilt übrigens auch für andere Farben, die extrem brillant sein müssen.
Solche Farben müssen chemisch so gut im oder an der Faser gebunden sein, dass sie dort auch bleiben – und dafür werden häufig Halogenverbindungen oder Schwermetalle eingesetzt. Bei Schwarz zum Beispiel Blei, für Grün benötigt man Kupfer.
Giftige Schwermetalle belasten jedoch die Gesundheit der Arbeiter und das Grundwasser in den Produktionsländern erheblich und werden später, beim thermischen Recycling, zu Sondermüll, dessen Deponierung zusehends an ihre Kapazitäts-Grenzen stößt. Die Substanzen können unter bestimmten Bedingungen auch aus der Kleidung über die Haut in den Körper gelangen und sich dort anreichern.
Das gilt besonders beim Sport in anliegenden Sachen. „Schweiß ist ein aggressives Gemisch. Und wenn viel Farbe auf einem Textil ist, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese beim Schwitzen herauslöst“, erklärt Norbert Henzel, der am Institut für Materielle Kultur der Uni Oldenburg zu Textilökologie forscht.
Schwarze Farbe und die Frage der Haftung
Das gilt besonders für Farben, die nicht gut auf dem Textil haften. Beispielsweise die bereits erwähnten Dispersionsfarbstoffe für Chemiefasern. Färbt man mit ihnen, „umhüllen“ sie lediglich die Oberfläche der Faser, ohne eine feste chemische Bindung einzugehen.
Gerade bei schwarzen Leggins und Strumpfhosen haben sie in der Vergangenheit immer wieder zu Allergien und Ausschlägen geführt. Henzel vermutet bei schwarzen Nylons im Billigsegment noch immer ein Problem: Häufig werden diese als ungefärbte „Weißlinge“ in großer Menge produziert und dann je nach Bestellung in der gewünschten Modefarbe getüncht.
Trifft der Färber nicht genau den bestellten Ton, färbt er unter Umständen noch ein zweites Mal drüber. „Wenn das auch nichts wird, dann kommt gerne die Farbe Schwarz obendrauf“, weiß Henzel. Hier hat man dann riesige Farbmengen, die obendrein auch noch schlecht haften. Besser ist es bei synthetischen Fasern, wenn die Farbe vor dem Spinnen direkt in die Polymermischung eingebracht wird. Auch bei Strumpfhosen mit Baumwollanteil haftet die Farbe besser, erklärt Henzel.
Nach seiner Beobachtung finden die Untersuchungsämter und Testinstitute in den vergangenen Jahren jedoch sehr viel weniger bedenkliche Farbstoffe. Ausnahme sind importierte Ledersachen: „Da haben wir noch immer das Problem mit krebserregendem Chrom-VI und verbotenen Azofarbstoffen.“
Schwarze Farbe ohne Gift
Längst gibt es schwarze Farbstoffe, die ohne Schwermetalle und Halogenverbindungen auskommen. Die Firma EPEA hat mit dem schwäbischen Bekleidungshersteller Trigema 2006 ein T-Shirt auf dem Markt gebracht, gefärbt mit dem laut EPEA-Gründer Michael Braungart „ersten tiefen Schwarz, das man unbedenklich auf der Haut tragen kann“. Das kompostierbare Shirt kam ohne Schwermetalle aus, ebenso wie der BH, den EPEA im Jahr darauf mit dem Wäschelabel Triumph entwickelte.
„Drei Viertel der schwarzen Kleidung auf dem Markt sind inzwischen nach unserem Vorbild gefärbt“, schätzt Braungart. Doch er glaubt auch: „Es gibt nach wie vor ein tiefes Schwarz, was extrem gesundheitsschädlich ist und überall in die Biosphäre gelangt.“ Für den Verbraucher ist es schwer, hier gut von böse zu unterscheiden.
Textilsiegel können eine Sicherheit bieten: Der IVN Best setzt so hohe Standards, dass nur wenige Farbstoffe ihn überhaupt erfüllen können. Der Öko-Tex Standard 100 lässt Schwermetalle zwar zu, garantiert jedoch, dass die Rückstände im Kleidungsstück unter bestimmten Grenzwerten liegen. Der GOTS-Standard verbietet Schwermetalle grundsätzlich und geht noch einen Schritt weiter: Da alle verwendeten Chemikalien nach GOTS zugelassen sein müssen, ist auch die Produktion automatisch sauberer. Und das ist wohl das drängendere Problem: Kirsten Brodde, Buchautorin und Greenpeace-Aktivistin, ist der Meinung, dass die Farbstoffe, die über Kleidung auf unsere Haut übergehen können, marginal sind im Vergleich zu jenen Mengen, denen Arbeiter und Umwelt in den Produktionsländern ausgesetzt sind. „Die Rückstände sind lediglich ein Indiz, was sich Verheerendes in der Produktion abspielt!“
Tipps für schwarze Kleidung
- Kleidung vor dem Tragen unbedingt waschen. Für Kinder getragene Kleidung bevorzugen.
- Kleidung mit dem Pflegehinweis „getrennt waschen“ meiden. Lies auch: Wäsche richtig waschen: Sortieren, Temperatur, Waschmittel.
- Allergiker sollten bei Kleidung, die direkt auf der Haut getragen wird, extrem brillante Farben meiden. Das gilt auch für andere Töne mit sehr hoher Farbtiefe.
- Bei schwarzen Nylons oder anderer Synthetik-Wäsche kann der Preis ein Indiz sein, dass die Farbe in der Faser eingesponnen wurde und somit nicht ausblutet. Ein Beweis ist es nicht.
- Auf Öko-Siegel wie das GOTS-Siegel oder Öko-Tex-Standard 100 achten.
- In den Geschäften Interesse an der Herstellung von Mode zeigen und somit den Druck auf die Hersteller vorantreiben: Nachfragen, nachfragen, nachfragen!
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