Streuobstwiesen: Warum sie so wichtig sind Von Annika Reketat Kategorien: Umweltschutz Stand: 15. Juni 2022, 05:21 Uhr Foto: CC0 / Pixabay / analogicus Streuobstwiesen sind mehr als ein paar Obstbäume: Sie sind Kulturgut und ein artenreiches Biotop. Doch die Bestände gehen zurück. Welche Gründe das hat und was du dagegen unternehmen kannst, erfährst du hier. Streuobstwiesen sind zugleich artenreiche Kulturlandschaften und eine umweltverträgliche Methode des Obstanbaus. Sie liefern nicht nur regionales Obst, sondern tragen auch zur Biodiversität bei. Schätzungen zufolge ergeben die bundesweiten Streuobstbestände eine Fläche von rund 300.000 Hektar, wovon über 95 Prozent auf Streuobstwiesen fallen. Doch die wertvollen Biotope drohen zu verschwinden. Was sind Streuobstwiesen? Bei Streuobstwiesen handelt es sich um eine traditionelle Form des Obstanbaus, die sich durch Mehrfachnutzung und eine umweltverträgliche Bewirtschaftung auszeichnet. So findest du auf diesen Flächen verschiedene Sorten von hochstämmigen Obstbäumen und Bäume ganz unterschiedlichen Alters. Der Begriff „Streuobstwiese“ leitet sich davon ab, dass die Bäume auf den Wiesen oder Äckern locker „verstreut“ angepflanzt sind. In der Regel kommen auf Streuobstwiesen keine chemisch-synthetischen Pestizide und kein Kunstdünger zum Einsatz. Streuobstwiesen unterscheiden sich somit stark vom modernen, intensiv betriebenen Obstanbau. Denn dieser zeichnet sich in der Regel durch Monokulturen und Plantagen mit niedrigstämmigen Obstbäumen aus. Gemäß bundesweiter Gütebestimmungen müssen die Stämme von Streuobstbäumen laut NABU mindestens 1,60 Meter hoch sein. Diese Stammhöhe ermöglicht eine Mehrfachnutzung der Streuobstwiese: Die Bäume tragen Obst, die Wiese kann als Weidefläche dienen. Außerdem bieten beide „Etagen“ viel Lebensraum für etliche Tiere und Pflanzen. Darum sind Streuobstwiesen so wertvoll Auf Streuobstwiesen wachsen oft alte Obstsorten, die die Sortenvielfalt bewahren. (Foto: CC0 / Pixabay / Bajarita) Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Biotopen in ganz Mitteleuropa. Das liegt vor allem daran, dass Menschen nur minimal in das Biotop eingreifen. Beispielsweise werden Streuobstwiesen in der Regel nur zweimal jährlich gemäht und kaum gedüngt. Insekten, Bienen, Hummeln, Schmetterlinge, heimische Vögel und andere Kleintiere finden hier somit Rückzugsorte und eine reiche Nahrungsgrundlage an Wildkräutern und Wildblumen. Dazu gehören zum Beispiel Wiesenlabkraut, Wiesenstorchschnabel oder die Wiesenglockenblume. Im Wurzelbereich der Bäume hausen beispielsweise Igel und Mäuse. Fallobst dient Rehen und Hasen als Nahrung. In den Flechten am Baumstamm leben Käfer und seltene Insekten bewohnen morsche Stellen im Holz. Fledermäuse beziehen Baumspalten und in den Baumkronen richten sich viele Vogelarten ihre Brutplätze ein. Zudem wachsen auf Streuobstwiesen oft regional-spezifische Obstsorten, wie alte Apfelsorten. Diese zeichnen sich durch eine besondere Schädlingsresistenz, Robustheit und einen intensiven Geschmack aus. Streuobstwiesen tragen so dazu bei, dass wenigstens ein kleiner Teil der ursprünglichen Gemüse- und Obstvielfalt erhalten bleibt. Auch Honig kann ein Produkt von Streuobstwiesen sein, denn Imker:innen platzieren ihre Bienenvölker gern in der Nähe der blütenreichen Landschaften. Obst aus regionalen Streuobstbeständen hat außerdem den Vorteil, dass es ohne lange und CO2-intensive Transportwege erntefrisch verfügbar ist. Warum Streuobstwiesen gefährdet sind Ein Grund für den Rückgang von Streuobstwiesen ist die Bebauung von Flächen mit Wohnhäusern. (Foto: CC0 / Pixabay / image4you) Streuobstwiesen leisten also einen wertvollen Beitrag zur Arten- und Sortenvielfalt und ermöglichen uns, frisches Obst aus der Region zu beziehen. Daher ist der fortschreitende Rückgang von Streuobstwiesen in Deutschland alarmierend. Zwischen 1950 und 2010 nahm der Bestand bereits um circa 20 bis 30 Prozent ab. Weitere 50 Prozent der übrigen Streuobstwiesen könnten in Zukunft wegfallen. Die Gründe dafür sind vielfältig: In den 1950er bis 1970er Jahren mussten Streuobstbestände laut dem NABU den rentableren, monokulturellen Obstplantagen weichen. Heute sind Streuobstwiesen unter anderem durch Bebauung, Überalterung, Krankheiten und Schädlinge gefährdet. In Städten müssen Streuobstwiesen nicht selten Gartengrundstücken weichen, in die Menschen durch Zäune, häufiges Rasenmähen, Nadelbäume und andere Aspekte stark eingreifen. Durch sinkende Erträge und die niedrigen Preise für Streuobst geben immer mehr Besitzer:innen ihre Streuobstwiesen auf. Demzufolge kommt es im ländlichen Raum zur Verbrachung der einst so artenreichen Flächen. Auch eine mangelnde menschliche Pflege führt dazu, dass die Anzahl an Streuobstwiesen abnimmt. Streuobstwiesen sind nämlich nicht von sich aus artenreichen Biotope. Es handelt sich um menschengemachte Kulturlandschaften, die einer gewissen Pflege bedürfen. Würden Besitzer:innen die Streuobstwiesen beispielsweise nicht mähen, würden einige Pflanzenarten Überhand nehmen und andere verdrängen. Nach gewisser Zeit müssen die Baumbestände auch durch neue Bäume verjüngt werden. Streuobstwiesen als gesetzlich geschützter Lebensraumtyp Angesichts der schwindenden Streuobstwiesen haben mehrere Bundesländer in ihren Landesnaturschutzgesetzen Kriterien festgelegt, die Streuobstbestände erfüllen müssen, damit sie im Sinne des Gesetzes als schützenswert gelten. Dazu gehören Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Kriterien definieren unter anderem die Anzahl von Bäumen, die zusammenstehen dürfen, den Stammumfang oder dass eine bestimmte landschaftsprägende Mischung an Stämmen vorliegt. Solche Gesetze stehen jedoch oft in der Kritik. 2019 kritisierten Umweltschützer:innen beispielsweise eine damals in Bayern geplante Streuobst-Verordnung. Denn diese legte viele Kriterien fest, die ein Großteil der Streuobstbestände Bayerns nicht erfüllen würde. Somit würden viele Streuobstwiesen keinen gesetzlichen Biotopschutz erhalten. Trotz der Kritik kam es 2020 zur Verabschiedung der Verordnung. Dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern zufolge trägt diese Verordnung nicht zum Naturschutz bei, sondern weicht ihn auf: Es stünden in Bayern nun fast keine Streuobstwiesen mehr unter Schutz. Auf die Ankündigung strengerer Auflagen reagierten laut dem Bayerischen Rundfunk sogar einige Besitzer:innen von Streuobstwiesen mit der Rodung ihrer Flächen – sie hatten Sorge vor zu starker Reglementierung durch die Verordnung. Das kannst du tun! Durch den Kauf von Streuobst unterstützt du den Erhalt von Streuobstwiesen. (Foto: CC0 / Pixabay / www_InfoTimisoara_ro) Damit die Anzahl an Streuobstwiesen nicht noch mehr abnimmt, müssen sie sich auch wirtschaftlich für die Besitzer:innen lohnen. Schließlich stecken diese viel Arbeit und Mühe in die Pflege der wichtigen Flächen. Besonders Streuobst, das als Tafelobst dient, muss zu angemesseneren Preisen angeboten werden. Du kannst auf Märkten und in Hofläden bewusst zu regionalem Streuobst und Produkten aus Streuobst (wie Säften und Mosten) greifen, um die Streuobstwiesen-Besitzer:innen finanziell zu unterstützen. Alternativ kannst du dich auch erkundigen, ob es in deiner Nähe Streuobst-Baumpatenschaften gibt, die du übernehmen könntest. Die Pflege der Wiese oder der Bäume an sich liegt dann in deiner Verantwortung. Im Gegenzug bekommst du erntefrisches Streuobst. Weiterlesen auf Utopia.de: Wildobst in der Natur pflücken oder selbst anbauen: So geht’s Artenschutz: Erhaltung von Tier- und Pflanzenarten für biologische Vielfalt Alte Apfelsorten: Darum sind sie gesünder ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 7 1 Vielen Dank für deine Stimme! Verwandte Themen: Gewusst wie Landwirtschaft Obst HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: