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Waste-to-Energy: Energie aus Müll – gut fürs Klima?

Waste-to-Energy
Foto: CC0 / Pixabay / Camera-man

Durch Waste-to-Energy-Technologien Energie zu gewinnen, scheint verlockend einfach. Doch die Sache hat einen Haken. Hier liest du, warum es sich bei Waste-to-Energy um ein umstrittenes Konzept handelt.

Beim Thema Waste-to-Energy scheiden sich bislang die Geister: Ist es nun nachhaltig, den Müll zu verbrennen und daraus Energie zu gewinnen, oder eben nicht?

Auf den ersten Blick kann die Idee überzeugen. Täglich fallen in Deutschland Massen von Müll an, die sich theoretisch gut in Energie umwandeln ließen. Das Statistische Bundesamt errechnete zum Beispiel, dass sich im Jahr pro Kopf etwa 476 Kilogramm an Haushaltsabfällen ansammeln. Dazu kommen noch einmal Haus- und Sperrmüll von durchschnittlich 194 Kilogramm je Einwohner:in.

Aus diesen großen Abfallmengen könnten die Müllverbrennungsanlagen (MVA) Strom und Heizwärme gewinnen. Die entsprechenden Techniken sind seit Jahrzehnten im Einsatz. Dem NABU zufolge produzieren rund 90 Prozent der deutschen MVAs Strom und Wärme. In den letzten zehn Jahren nahm die Kapazität für Waste-to-Energy in Deutschland um 25 Prozent zu. Das liegt zum einen an neu gebauten Anlagen sowie an immer effizienteren Technologien. 

Eine weitere mögliche Energiequelle für Waste-to-Energy-Verfahren ist der Biomüll. Organische Abfälle lassen sich vergären und zu Biogas oder Biotreibstoff verarbeiten.

Trotzdem ist die Sachlage nicht so eindeutig. Es geht in der Diskussion um Fragen wie:

  • Passt das Waste-to-Energy-Konzept zu einer Zukunft, in der im Idealfall weniger Müll anfallen soll – oder gar zu einer künftigen Zero-Waste-Gesellschaft?
  • Ist es nicht sinnvoller, den Müll zu recyceln, als ihn zu verbrennen? 
  • Kann Waste-to-Energy klimaneutral sein?

Waste-to-Energy: Verbrennen oder recyceln?

Durch gezieltes Recycling fällt weniger Müll für Waste-to-Energy-Prozesse an.
Durch gezieltes Recycling fällt weniger Müll für Waste-to-Energy-Prozesse an.
(Foto: CC0 / Pixabay / Vladvictoria)

Hinter Waste-to-Energy steckt die Annahme, dass Haushalte immer weiter Abfälle produzieren werden. Doch genau das soll sich in Zukunft ändern. Wie die konsumorientierten Gesellschaften mit Rohstoffen und anfallendem Müll umgehen, führt zu massiven Umweltproblemen. Dazu zählen zum Beispiel der Raubbau an Metallen oder Seltenen Erden sowie die Müllentsorgung, die zunehmend Probleme bereitet und die Umwelt belastet. Mikroplastik oder synthetische Substanzen wie Pyroplastik sind mittlerweile in solchen Massen vorhanden und weltweit verbreitet, dass sie sogar in der Arktis nachgewiesen werden konnten.  

Durch gezieltes Recycling ließen sich diese Probleme bei der Wurzel packen. Viele Materialien gingen so in einen Stoffkreislauf über und ließen sich wiederverwenden. So stecken zum Beispiel in einem alten Handy wertvolle Metalle wie Kupfer, Aluminium oder in geringen Mengen auch Silber und Gold. 

Recycling ist auch bei gut brennbaren Abfälle wie Papier, Kartons oder Kartonagen sowie dem Inhalt der Biotonne möglich. Vieles davon lässt sich heute schon gut weiterverwerten.

  • Papierabfälle: Der Fachverband Papierrecycling berichtet, dass seit 2010 die europäische Recyclingquote für Papier über 70 Prozent liegt.
  • Bioabfälle: Das Umweltbundesamt erläutert, wie Kompostier- und Biogasanlagen die Inhalte der Biotonne verwerten. Mehr als die Hälfte aller Bioabfälle kompostieren die Anlagen derzeit. Es gibt jedoch Bestrebungen, in Zukunft noch mehr Biogas herzustellen.

Für die Brennöfen der MVAs bedeutet die hohe Recyclingquote jedoch, dass hauptsächlich Müll übrigbleibt, der sich schwer recyceln lässt. Laut dem NABU handelt es sich dabei vor allem um Rest- und Sperrmüll sowie um Plastikverpackungen. Aus Werten von 2016 und 2017 geht hervor, dass rund die Hälfte des Haushaltsmülls in den Verbrennungsöfen landete. Diese Reste sollen in einer angestrebten Zero-Waste-Gesellschaft ganz verschwinden. Damit würde das Material für die Müllverbrennung weiter abnehmen. 

Bei der Kreislaufwirtschaft ist Müllvermeidung das erklärte Ziel. Sie lässt sich unter anderem durch das Recycling der Rohstoffe und deren Weiterverwendung erreichen. Außerdem sollen Produkte an sich nachhaltiger werden. Dafür bringt das Europäische Parlament ein Paket von Initiativen auf den Weg: Künftig sollen Produkte schon im Entwicklungsstadium auf Langlebigkeit ausgerichtet sein. Eine weitere Initiative der EU richtet sich gegen unnötigen Verpackungsmüll.

Ist Waste-to-Energy klimafreundlich?

Waste-to-Energy aus der herkömmlichen Müllverbrennung hat wenig Potenzial für den Klimaschutz.
Waste-to-Energy aus der herkömmlichen Müllverbrennung hat wenig Potenzial für den Klimaschutz.
(Foto: CC0 / Pixabay / Alfred_Grupstra)

Waste-to-Energy-Technologien könnten das Angebot erneuerbarer Energien ergänzen. Beispielsweise könnte die Energieproduktion auf Basis von Abfällen Reservekapazitäten bereitstellen, wenn Sonne oder Wind gerade keinen Strom generieren. Um die Energieversorgung sicherzustellen, sind Solar- und Windkraftanlagen nach heutigem Stand der Technik noch auf ergänzende Energiequellen angewiesen. Diese sollen so flexibel sein, dass sie die Schwankungen ausgleichen.

In Hinblick auf Klimafreundlichkeit haben Waste-to-Energy-Verfahren allerdings einige Probleme: 

  • Wenig Potenzial für die herkömmliche MVA: Das Ökoinstitut untersuchte schon 2014 im Auftrag der damaligen Bundesregierung das Potenzial von Waste-to-Energy als Reservekapazität. Vor allem der hohe Plastikanteil unter den verbrannten Abfällen geht laut der Studie zulasten des Klimas. Durch die energetische Verwertung von Kunststoffabfällen entstehen zusätzliche Emissionen, die den Klimawandel vorantreiben könnten. Laut Einschätzung des Ökoinstituts kommt in einer Kreislaufwirtschaft der herkömmlichen Müllverbrennung zukünftig nur eine geringe Bedeutung zu. Bestehende Anlagen lassen sich für die Beseitigung schadstoffhaltiger Abfälle nutzen. Allerdings spricht sich die Studie für die Energiegewinnung aus Bioabfällen aus.
  • Nicht nachhaltig, laut EU-Taxonomie: Das Regelwerk der Taxonomie legt fest, was in der EU nachhaltig ist. So können nach der EU-Taxonomie zum Beispiel nachhaltige Projekte auf entsprechende Fördergelder zugreifen. Die Energiegewinnung aus der Müllverbrennung zählt laut dem Regelwerk jedoch nicht als nachhaltig – auch wenn Branchenverbände sich diese Einstufung gewünscht hätten. Die Einordnung als nicht nachhaltig bestätigte die Europäische Kommission nochmals auf eine Anfrage im Oktober 2022.
  • CO2-Abgabe ab 2024: Auf die Klassifizierung in der EU-Taxonomie bezieht sich auch eine Verordnung der Bundesregierung. Ab 2024 fällt laut dieser Verordnung eine CO2-Abgabe für die Verbrennung von Müll in den MVAs an. 

Waste-to-Energy hat ein CO2-Problem

Waste-to-Energy hat ein Problem mit CO2-Emissionen.
Waste-to-Energy hat ein Problem mit CO2-Emissionen.
(Foto: CC0 / Pixabay / geralt)

Die Verbrennung von Müll setzt CO2-Emissionen frei. Die genaue Menge der klimaschädlichen Treibhausgase hängt zum einen von der Zusammensetzung des Mülls ab, aber auch von der Berechnungsmethode. Dabei fällt vor allem der Plastikanteil ins Gewicht. Plastik besteht aus dem Rohstoff Erdöl. Seine CO2-Emissionen zählen zu den fossilen und damit klimaschädlichen Treibhausgasen. Als weniger schädlich oder neutral behandeln die Berechnungen dagegen die CO2-Emissionen aus Biomüll.

Aus einem Bericht der britischen Environment Agency lässt sich entnehmen, dass die CO2-Emissionen typischerweise zwischen 0,7 und 1,7 Tonnen pro Tonne Müll liegen, die in den Anlagen verbrennt. Bioabfälle sind bei diesen Werten mit eingerechnet.

Ein Bericht des Umweltbundesamts von 2008 rechnet vor, dass die bestehenden Verbrennungsanlagen ausreichen würden, um eine Großstadt wie Berlin mit Strom und Wärme zu versorgen. Die Einsparungen gegenüber fossilen Energieträgern wie Kohle oder Erdöl würden demnach knapp 4 Millionen Tonnen CO2-Emissionen betragen. Allerdings steckt hinter der Berechnung die Annahme, dass die Verbrennung von Bioabfällen klimaneutral ist. 

Auf solche Ungereimtheiten bei der Berechnung weisen unter anderem auch Umweltverbände wie BUND und NABU hin. Das Gebäudeemissionsgesetz sieht beispielsweise für die Verbrennung von Hausmüll einen Faktor von 20 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilowattstunde vor. Damit erreicht die Müllverbrennung einen besseren Wert als Biogas. 

Besser lassen sich die Emissionen in der Maßeinheit Gramm COpro Kilowattstunde vergleichen:

  • Waste-to-Energy: Ein Bericht aus England mittelt die Ergebnisse unterschiedlicher Studien und kommt so auf einen Wert von 694 Gramm COpro Kilowattstunde.
  • Erdgas: Zum Vergleich: Erdgas liegt mit einem Wert von 370 Gramm COpro Kilowattstunde bei etwas mehr als der Hälfte.
  • Kohle: Kohle kommt auf 840 Gramm COpro Kilowattstunde.
  • Erdöl: Erdöl liegt mit 1.500 Gramm COpro Kilowattstunde an der Spitze.

Diese Vergleiche machen deutlich, dass Waste-to-Energy bei der Klimabelastung durchaus in der Größenordnung der fossilen Energieträger einzuordnen ist. Ein Grund dafür sind die Plastikabfälle, da es sich dabei im Grunde um die Verbrennung von Erdöl handelt.

Könnten wir in einer angestrebten Zero-Waste-Gesellschaft auf Plastikverpackungen verzichten, würden sich die Werte wahrscheinlich verbessern. Nur dann bleibt eben nicht mehr viel Müll übrig, der sich nicht recyceln ließe. Je klimaschonender eine Gesellschaft funktioniert, desto weniger braucht sie Waste-to-Energy. Es fehlt dann einfach das Material für die Verbrennung. 

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