Unsere Meere werden immer saurer. Denn durch den steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre erhöht sich auch der Anteil an Kohlensäure im Wasser. Vor allem kalkbildende Organismen wie Korallen oder Muscheln sind von den Folgen betroffen.
Das Great Barrier Reef an der Küste Australiens zählt zu den artenreichsten Meereslandschaften der Welt. Tausende Riffe und hunderte Inseln befinden sich in dem über 2000 Kilometer langen Ökosystem, das sogar aus dem Weltraum sichtbar ist. Es beheimatet weit über 1500 farbenprächtige Fisch- und über 5000 Molluskenarten (Weichtiere). Auch Haie, Delfine und Schildkröten zählen zu den vielen Tieren, die dort leben.
Doch nur wenige Kilometer entfernt ist von der Artenvielfalt nicht mehr viel zu sehen. Rund um die Vulkaninsel Normanby in Papua- Neuguinea sprudelt das Wasser. Denn seit Jahren entweicht aus den Löchern im Meeresboden vulkanisches Kohlenstoffdioxid (CO2). Das Meerwasser ist an diesen Quellen so sauer, dass nur wenige Arten dort leben können. Doch warum wird das Wasser sauer, wenn es CO2 bindet?
Mehr CO2 in der Atmosphäre – mehr CO2 im Wasser
Wasser nimmt aktiv CO2 aus der Umgebung auf und ist damit ein natürlicher CO2-Binder. Schon vor Jahrzehnten machten Wissenschaftler diese Beobachtung und sprachen von einem natürlichen Gleichgewicht. Schließlich nehmen die Ozeane mehr CO2 auf, wenn die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ansteigt. Das Problem mit dem klimabedrohenden Gas schien gelöst zu sein.
Allerdings ist es problematisch, dass das Wasser immer mehr CO2 aufnimmt – sowohl für viele Meeresbewohner als auch für uns. Wenn Wasser CO2 bindet, reagiert das Gas zu Kohlensäure, wodurch der pH-Wert leicht sinkt. Der pH-Wert gibt an, ob eine Lösung sauer oder alkalisch/basisch ist. Unsere Magensäure hat beispielsweise einen pH-Wert von 2 und ist damit sehr sauer, während gängige Waschmittellösungen einen pH-Wert von 10 haben, also leicht basisch sind.
Versauerung der Meere: 30 Prozent säurer
Aktuell liegt der pH-Wert des Meerwassers bei 8,1, es ist also basisch. Doch in der vorindustriellen Zeit, also vor etwa 150 Jahren, lag dieser Wert bei 8,25. Auch wenn der Abfall von 0,15 pH-Einheiten zunächst gering wirkt, sind die Veränderungen groß. Da die pH-Skala logarithmisch verläuft, handelt es sich um einen Säuregehaltsanstieg von etwa 30 Prozent.
Die Ozeanversauerung bedroht viele Arten
Trotzt erhöhtem Kohlensäuregehalt wird das Meerwasser dadurch nicht saurer schmecken, sagt Professor Ulf Riebesell vom Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Ozeane würden weiterhin einen pH-Wert von über 7 aufweisen, was chemisch betrachtet alkalisch ist.
Doch diese Schwankungen wirken sich stark auf die im Meer lebenden Organismen aus. Vor allem kalkbildende Lebewesen wie Korallen, Muscheln oder Schnecken werden darunter leiden. Denn die Säure greift die Bausteine an, die sie für ihre Kalkschalen benötigen.
Wie sich der erhöhte Kohlensäureanteil im Wasser auf die Artenvielfalt auswirkt, zeigt sich um die Vulkaninsel Normanby. Überall dort, wo CO2 aus dem Meeresboden entweicht, verändert sich die bunte Landschaft der Korallenriffe schlagartig. Statt farbenprächtiger Riffe und vielfältiger Fische sind hier nur wenige, besonders säureresistente Korallenarten zu sehen.
Problematische Entwicklung: Rückgang des Zooplanktons
Joy Smith vom Australian Institute of Marine Science beobachtet außerdem eine Veränderung der Korallenlandschaft im sauren Wasser. Anders als Fische können Korallen ihren Lebensraum nicht wechseln, wenn sich die Bedingungen verändern.
Außerdem verändere sich im sauren Wasser die Korallenlandschaft. Während unter normalen Bedingungen Geweihkorallen wachsen und mit ihren verzweigten Ästen einen Lebensraum für Zooplankton bieten, finden sich unter versauerten Bedingungen hauptsächlich große und massive Steinkorallen. Diese böten dem Plankton kaum Unterschlupf und dieser Umstand führe dann zu dessen Rückgang, sagt Smith.
Im Jahr 2016 hat ein deutsch-australisches Forscherteam, zu dem auch Smith gehört, beobachtet, dass tropische Korallenriffe durch Ozeanversauerung zwei Drittel ihres Zooplanktons verlieren. Zooplankton sind kleinste Meerestiere, die im Wasser schweben. Dazu gehören zum Beispiel Fischlarven oder Krill.
Der Rückgang des Zooplanktons hat dramatische Folgen für das Leben in Korallenriffen. Denn er bildet die Hauptnahrung für viele kleine Fische, die in den Riffen leben. Diese wiederum sind selbst ein Teil der Nahrungskette und bilden das Futter für größere Fische, die wiederum die Nahrungsgrundlage vieler Menschen vor allem in Küstenregionen bilden. Letztendlich sind also auch wir Menschen von den Folgen betroffen.
Die Versauerung der Meere nimmt Menschen die Existenzgrundlage
Viele Menschen, vor allem in Küstenregionen und ärmeren Ländern, leben vom Fischfang. Die Bestände der Fische können durch die Versauerung der Meere drastisch sinken. In Nordeuropa wurde beispielsweise die Entwicklung des Dorsches untersucht.
Dabei konnte das Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel folgendes feststellen: Unter den erhöhten CO2-Bedingungen, wie sie Ende des Jahrhunderts erwartet werden, und damit saurerem Wasser, überleben nur noch halb so viele Dorschlarven. Anhand von Modellrechnungen versuchten die Wissenschaftler, die Entwicklung des Dorschbestandes zu berechnen. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die erhöhte Sterblichkeit der Larven den Dorschbestand um bis zu 75 Prozent minimieren würde.
Korallenriffe bieten Schutz für Küstenregionen
Doch nicht nur der geringere Fischbestand würde zu Problemen führen. Korallenriffe schützen die Meeresküsten auch vor der zerstörerischen Wirkung von Sturmfluten und Wirbelstürmen. Laut Berechnungen verhindern Korallenriffe jährlich Schäden im Wert von über neun Milliarden US Dollar. Wenn durch die Ozeanversauerung der Bestand an Korallen kleiner wird, würde das auch unmittelbare Folgen auf die Stabilität der Küsten haben.
Wenn die Versauerung der Meere weiter so voranschreitet wie bisher, würde bis zum Ende des 21. Jahrhunderts die Meereslandschaft überall so aussehen wie um Normanby, sagt Professor Riebesell. Deswegen sei es umso wichtiger, den Übergang zu einer CO2-neutralen Wirtschaft zu schaffen.
Klimaneutralität zum Schutz der Meere
Einfache Methoden, die Meere vor der Versauerung zu schützen, gibt es nicht. Denn je mehr CO2 in der Atmosphäre vorhanden ist, desto schneller versauern die Meere und desto schwieriger wird es, diesen Effekt aufzuhalten.
Außerdem spielen auch lokale Eingriffe eine große Rolle. Wird zu viel gedüngt oder gefischt, hat das Auswirkungen auf das Gleichgewicht im Meer. Auch globale Veränderungen, die durch die Erderwärmung entstehen, verschlechtern die Situation. Gerade deswegen kann dieses Problem nicht ohne Weiteres gelöst werden.
Eine einfache Lösung gibt es nicht. Aber wir alle können etwas gegen die Versauerung der Ozeane tun, indem wir möglichst wenig CO2 ausstoßen und den Klimawandel bekämpfen. Inspirationen und Tipps dazu: Klimaschutz: 15 Tipps gegen den Klimawandel, die jeder kann
English version available: What Causes Ocean Acidification? Can It Be Reversed?
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