Die großen Discounter und Supermärkte wollen nachhaltiger werden und machen immer wieder mit neuen „grünen“ Projekten auf sich aufmerksam. Ein kleiner Bio-Händler übt in einem offenen Brief jedoch scharfe Kritik an den Vorsätzen der Discounter – und benennt das eigentliche Problem der Branche.
Im deutschen Handel läuft einiges schief und die Discounter sollten ihre Verantwortung dafür eingestehen, statt sich mit Nachhaltigkeitsmaßnahmen zu schmücken – so lässt sich der Inhalt des offenen Briefs von Georg Rieck zusammenfassen. Rieck ist Inhaber des Bioladens „Klatschmohn“, sein Brief richtet sich an den Chef der Supermarkt-Kette Real.
Der Hintergrund: Real hatte vor zwei Wochen die neue Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt: Bis 2019 will Real 30 Prozent des Umsatzes mit nachhaltigen Produkten erwirtschaften. Außerdem soll die Zusammenarbeit mit dem Öko-Zertifzierer Demeter verstärkt werden. „Handeln aus Verantwortung – das ist für uns nicht nur ein Werbeslogan auf Flyern und Broschüren, sondern unser Auftrag und Leitmotiv“, so Real-CEO Müller-Sarmiento.
Die Supermärkte und ihre Preispolitik
Georg Rieck von Klatschmohn sieht das jedoch anders. In seinem Brief an Müller-Sarmiento erhebt er schwere Vorwürfe. Besonders stört ihn eine Aussage, die Müller-Sarmiento in einer Rede geäußert haben soll – nämlich, dass Real bestimmte „Fehlentwicklungen der konventionellen Landwirtschaft“ nicht mehr mittragen wolle.
Dazu schreibt Rieck: „Sie laden die Verantwortung für die ‚Fehlentwicklungen‘ bei der Landwirtschaft ab – das ist falsch und entspricht nicht der historischen Wahrheit! Denn die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung war und ist der Handel mit seiner zu verurteilenden Politik des Preisdrückens! Dabei als Hauptakteur der Discounter, der sich heute als „größter Biohändler“ der Republik darstellt.“
[treeday url="https://www.treeday.net/if/4AzGUXqb" title="Treeday: Finde Bioläden in deiner Nähe auf unserer grünen Landkarte"]Bei deutschen Supermärkten läuft vieles schief
Die Discounter würden ihre Macht „in schamloser Weise“ missbrauchen, schreibt Rieck weiter. Die Industrie gebe den Druck weiter. „Mit Sonderangeboten und Aktionspreisen hat der Handel aus Bauern Sklaven gemacht. Begleitet wurde dieser Prozess von der Politik.“
Der Bio-Händler nimmt in seinem Brief auch Bezug auf einen Oxfam-Bericht vom Juni: Laut Oxfam tun die Supermarktketten viel zu wenig, um die Menschenrechter der Arbeiter in ihren Zulieferketten zu gewährleisten. Deutsche Supermärkte schneiden dabei im internationalen Vergleich besonders schlecht ab.
Wie sehr die Preispolitik Landwirte belastet, zeigte vor kurzem eine Dokumentation von Report Mainz über den Obst- und Gemüseanbau im spanischen Murcia. Ein Bauer sagte über die Supermärkte und ihre Preishändler: „Das sind echte Spekulanten. Das sind Piraten in schicken Anzügen, die mit der Nahrung für ganz Europa spielen. Sie wollen alles billig einkaufen. Je billiger, desto besser.“
Lippenbekenntnisse reichen nicht
Dass Supermärkte wie auch Real nun immer mehr Nachhaltigkeitsstrategien auf den Weg bringen, bewertet Riek grundsätzlich positiv – jedoch reiche das nicht aus: „Solange Sie die Preisdrückerei nicht als grundfalsch begreifen und zum Tabu erklären, haben Ihre Bemühungen den Charakter von faden Marketing-Versprechen und bewusster Verbrauchertäuschung durch taktische Lippenbekenntnisse. […] Solange noch einer Ihrer Einkäufer Druck auf die Vorstufe ausübt, glaubt Ihnen kein Mensch.“
Hier der komplette offene Brief des Bio-Händlers
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