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Staatliches Tierwohl-Siegel ist gescheitert

Staatliches Tierwohl-Siegel ist gescheitert.
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / Bernhard_Staerck

Seit Jahren wird über ein staatliches Tierwohl-Siegel gestritten. Jetzt steht fest: Das von Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) propagierte staatliche Qualitätssiegel für Fleisch kommt in dieser Wahlperiode nicht mehr.

Das geplante Tierwohl-Siegel für Fleisch ist für diese Legislaturperiode vom Tisch. Dazu hätte das Thema spätestens vergangene Woche auf der Tagesordnung des Bundestags stehen müssen. Und das sei nicht der Fall gewesen, berichtet der Spiegel.

SPD hat Tierwohl-Siegel scheitern lassen

Grund für das Scheitern: Der SPD-Fraktion im Bundestag gingen die Pläne für das staatliche Qualitätssiegel nicht weit genug.  Das Logo, das höhere Standards bei der Tierhaltung symbolisieren sollte, wäre nicht verpflichtend gewesen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch kritisierte die Entwürfe als „absolut ungenügend“.

Notwendig sei Miersch zufolge ein verpflichtendes Tierwohllabel, das auf klaren Kriterien für die Haltung, den Transport und die Schlachtung von Schweinen, Rindern und Geflügel beruhe.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, bezeichnet das geplante Kennzeichen als „bis zuletzt völlig unausgegoren“. Es habe „aufgrund seiner unzureichenden Kriterien, speziell in der ersten Stufe, den Namen Tierschutz nicht verdient“. Damit gehe das Scheitern allein auf das Konto von Julia Klöckner.

Wieder ist eine Legislaturperiode für die Tiere verloren.

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes

Seit der Entwurf im Herbst 2019 in den Bundestag eingebracht worden war, wurde über die Kriterien verhandelt, diskutiert und gestritten. Letztlich ohne Erfolg. Die freiwillige Kennzeichnung war von vielen Seiten wegen unzureichender Transparenz, mangelnder Klarheit und vor allem wegen der Kennzeichnung auf freiwilliger Basis kritisiert worden.

Gegen eine gesetzlich verpflichtende Kennzeichnung der Tierhaltung in Deutschland hatte sich Bundeswirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) immer wieder ausgesprochen – mit dem Argument, dass diese nur EU-weit geregelt werden könne. 

Große Supermarktketten mit eigener Kennzeichnung

In der Zwischenzeit ist der Handel selbst aktiv geworden und hat eine eigene Haltungsformkennzeichnung entwickelt und am Markt etabliert:

Haltungsform Initiative Tierwohl
Haltungsform Initiative Tierwohl (Screenshot: Haltungsform.de)

Die Zahlen 1 bis 4 der Haltungsform zeigen, welche Tierhaltung hinter und in den Fleischprodukten steckt. Die Ziffer 1 steht dabei für den gesetzlichen Mindeststandard, die Haltungsform 4 für eine „annähernd artgerechte Tierhaltung“, so Greenpace. Bei einer Untersuchung im Herbst vergangenen Jahres stammten mehr als 90 Prozent des Frischfleischs in Supermärkten in den großen Supermärkten aus Haltungsform 1 und 2. Beide werden von Greenpeace und anderen Tierschutzverbänden als „tierschutzwidrig“ kritisiert.

Lediglich Stufe 4 der Haltungsform (hier ist Bio-Fleisch einzuordnen) ist empfehlenswert. Hier haben die Tiere den meisten Platz im Stall, Auslauf im Freien und erhalten gentechnikfreies Futter. Perfekt ist aber auch diese Stufe nicht: Denn es ist immer noch industrielle Tierhaltung – „glückliche Tiere“ gibt es auch hier nicht.

Tierwohl-Label: Die Verbraucher wollen es

Immer mehr Konsument:innen möchten nicht länger Fleischprodukte aus brutaler Massentierhaltung konsumieren. Ihnen ist wichtig, dass Schweine, Rinder und Geflügel artgerecht gehalten werden – und dass sie beim Einkauf im Supermarkt Informationen über die Tierhaltung auf der Verpackung finden. Das zeigen auch der aktuelle Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Jeder zweite Verbraucher schaut aufs Tierwohl-Label
Jeder zweite Verbraucher schaut aufs Tierwohl-Label (Foto: BMEL)

Mehr als jeder Zweite (55 Prozent) achtet demnach auf das Tierwohl-Label. Ein Jahr zuvor lag die Zahl noch bei 48 Prozent.

Alternativen zum Tierwohl-Label

Utopia.de meint: Ja, wir brauchen ein Label, das uns zeigt, wie die Tiere, die auf unserem Teller landen, gehalten wurden. Hier führt aber schon der Name „Tierwohl-Label“ in die Irre. Denn die Haltung von Tieren in industriellen Anlagen ist weit von echtem Tierwohl und artgerechter Haltung entfernt.

Die Gefahr eines Labels ist grundsätzlich, dass etwas gelabelt wird, das es nicht verdient. Denn auch mit einem „Qualitäts-Siegel“ werden bei den meisten Fleischprodukten die gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen kaum überschritten und keine merklichen Vorteile für die Tiere erzielt.

Wichtig wäre, dass sich Politik und Gesellschaft für ein Ende der desaströsen Massenproduktion von Fleisch stark machen. Hier muss sich auf europäischer Ebene etwas tun – nicht nur in Deutschland. Ein verpflichtendes Tierwohl-Label auf EU-Ebene wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Jeder von uns ist gefragt: Solange Konsument:innen Billigfleisch kaufen und konsumieren, wird es Fleischprodukte aus prekärer Tierhaltung geben. Wer Tierwohl möchte, muss bereit sein, dafür zu zahlen.

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