Wie viel Zucker enthalten Limos, Energydrinks und Saftschorlen wirklich? Die Verbraucherorganisation foodwatch stellte heute in Berlin einen Test zum Zuckergehalt von über 450 Erfrischungsgetränken vor. Demnach ist mehr als jedes zweite Getränk völlig überzuckert.
Limonaden, Energydrinks, Saftschorlen, Brausen, Eistees, aromatisierte Wässer und Fruchtsaftgetränke: foodwatch untersuchte erstmals den deutschen Markt der Erfrischungsgetränke und nahm entsprechende Produkte aus dem Sortiment von Lidl, Edeka und Rewe unter die Lupe.
Das Ergebnis: Mehr als 5 % Zucker steckte in 59 % der insgesamt 463 untersuchten Produkte. Das sind umgerechnet mehr als vier Stück Würfelzucker pro 250-ml-Glas. In 37 % Prozent der Produkte steckten sogar mehr als sechs Stück Würfelzucker.
Für eilige Leser: Die wichtigsten Ergebnisse in der Bildergalerie:
Energy Drink schneidet am schlechtesten ab
Ganz oben auf der Negativliste stehen Energydrinks und Limonaden, Hersteller PepsiCo liegt mit einem Energydrink ganz vorn.
Das ist die Top 4 der süßesten Produkte:
- Energydrink „Rockstar Punched Energy + Guava“ von PepsiCo: 13 ½ Zuckerwürfel*
- „tem’s Root Beer“ von Hersteller temetum: 11 Stück Würfelzucker*
- „Christinen Lemon“ von Teutoburger Mineralbrunnen: 11 Stück Würfelzucker*
- „Mountain Dew“ von PepsiCo: 10 Stück Würfelzucker*
*je 250ml Glas
Aber auch einige der vermeintlich gesünderen Saftschorlen geizen nicht mit Zucker. Mehr als sechs Stück Würfelzucker enthält die „Bio-Traubensaftschorle“ von fritz, dicht gefolgt von der „Bio Schorly Rote Früchte“ von Capri-Sonne.
So sieht es bei den aromatisierten Wässern aus: Die sogenannten Near-Water-Produkte haben im Schnitt den niedrigsten Zuckergehalt. Etwas anderes dürfte man bei „Wasser-nahen“ Produkte als Verbraucher auch nicht erwarten, oder?
„Risiko für Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und andere Krankheiten“
Zurück zum Testsieger: Wer die mehr als 13 Zuckerwürfel aufgestapelt sähe, der würde den Energydrink vielleicht nicht so schnell austrinken. Und das ist auch besser so, denn „flüssiger Zucker in Form von Getränken erhöht das Risiko für Fettleibigkeit, Typ-2-Diabetes und andere Krankheiten“, sagte Prof. Dr. Wieland Kiess vom Universitätsklinikum Leipzig bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Berlin. Er wirft der deutschen Gesundheitspolitik Zurückhaltung vor: „Andere Regierungen gehen die Fettleibigkeits-Epidemie viel konsequenter an.“
Kiess spielt damit auf die ab 2018 gültige Zucker-Abgabe in Großbritannien an. Nach diesem Zeitpunkt gelten Getränke mit mehr als fünf Prozent Zucker als überzuckert und Hersteller müssen eine Extrasteuer zahlen. Die geschätzten jährlichen Einnahmen von etwa 600 Millionen Euro sollen in Gesundheitsprogramme in britischen Schulen fließen. Denn diese Regelung ist auch eine Reaktion auf die hohe Rate an Übergewichtigen in Großbritannien – die höchste im Vergleich zu den anderen Industrieländern. „Wenn Deutschland das Modell aus Großbritannien übernehmen würde, könnten somit eine Milliarde Euro eingenommen werden“, schätzt foodwatch.
Für ihre Studie orientierte sich die Verbraucherorganisation übrigens an der britischen Regelung und definierte Getränke, die mehr als 5 Gramm Zucker pro 100 ml enthalten, als überzuckert.
foodwatch fordert gesetzliche Zucker-Abgabe
Übergewicht, Millionen an Typ-2-Diabetes erkrankte Menschen – auch in Deutschland könnte sich eine Zucker-Abgabe nach britischem Vorbild positiv auf die Gesundheit vieler Menschen auswirken.
Foodwatch fordert daher eine ähnliche Regelung für Deutschland, um die Getränke-Industrie dazu bewegen, den Zucker in Getränken zu reduzieren: „Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die Hersteller mit einer Zucker-Abgabe in die Pflicht nimmt: Entweder reduzieren Pepsi, Coke & Co den Zuckergehalt drastisch, oder sie müssen sich an den milliardenschweren Gesundheitskosten beteiligen und Präventionsprogramme finanzieren“, erklärte Oliver Huizinga von foodwatch.
Die Forderung entspricht dem sogenannten Verursacherprinzip – wer Produkte herstellt, die dem Gemeindewohl schaden, muss für die Folgekosten aufkommen. Wer also überzuckerte Getränke verkauft, muss für Folgen wie Fettleibigkeit und Diabetes Typ 2 aufkommen.
Alternativen zu überzuckerten Getränken
Die Erkenntnis, dass viele Limos überzuckert sind, dürfte nicht überraschen. Dennoch verdeutlicht die Studie von foodwatch, wie viel Zucker wirklich in den sogenannten „Erfrischungsgetränken“ enthalten ist und dass Verbraucher in diesem Sortiment zum größten Teil nur überzuckerte Produkte zur Auswahl haben. Und jeder kennt es: Eine süße Schorle oder Limo ist schnell ausgetrunken, wie viel Zucker wir damit auf einmal in uns hineinschütten, nehmen wir kaum wahr. Und das ist nur ein Beispiel von verstecktem Zucker in Lebensmitteln.
Welche Limos sind nun empfehlenswert? Unter den zuckerärmsten Getränken im Test sind Produkte von Bionade, Lemonaid und der Bio-Eigenmarke von Rewe. Und wer Lust auf ein süßes erfrischendes Getränk hat, kann sich eine Saftschorle auch einfach selber mischen. Eine selbst gemixte Rhabarbersaftschorle schmeckt nicht nur lecker, preiswerter dürfte sie auch sein. Lies dazu auch unseren Beitrag: Leckere Limonade selber machen.
Der „Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde“, ein Interessenverband der Lebensmittelindustrie, sieht in der Zuckerabgabe nur eine Scheinlösung. „Auch wenn Foodwatch hier offensichtlich ein Spiel mit Worten betreibt, so ist eine Zuckerabgabe nichts anderes als eine Strafsteuer für Zucker, die jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehrt und die sozial Schwächere in unserer Gesellschaft im Endeffekt am meisten treffen wird“, BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff.
Die gemeinnützige Organisation diabetesDE (Deutsche Diabetes-Hilfe) sieht das anders. „Ein Baustein der Verhältnisprävention ist, dass wir unsere Kinder dringend vor dem Konsum von übermäßig zuckerhaltigen Getränken schützen sollten, denn die Beweise für schädliche Wirkungen im Hinblick auf die Entstehung von Übergewicht und Diabetes Typ 2 sind erdrückend“, so der Diabetologe Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE. Als bester Durstlöscher an Schulen gilt nach wie vor frisches Trinkwasser, möglichst frisch gezapft von der Trinkwasserstation. Trinkwasser hat jedoch bei den Schülern keine Chance, wenn gleichzeitig zuckerhaltige Erfrischungsgetränke angeboten werden. Deshalb setzt die Förderung des Trinkwasserkonsums an Schulen ein gleichzeitiges Verkaufsverbot von zuckerhaltigen Getränken voraus. „Schule hat Vorbildfunktion und alle Schüler aller sozialen Schichten werden hier erreicht. Deshalb muss die Politik dieses Setting noch mehr für die Gesundheitsförderung nutzen.“
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