Früher ging es in Louisa Dellerts Instagram- und Youtube-Posts um Fitness und den perfekten Sixpack. Heute dreht sich ihr Account um Selbstliebe, Politik und Nachhaltigkeit. Wie es dazu kam? Alles begann mit einem Foto.
Eigentlich hatten Louisa Dellert und ihr Freund 2017 einen entspannten Strandurlaub in Malta geplant. Im Wasser wollte Louisa, damals Fitness-Influencerin mit etwa 120.000 Followern, ein Urlaubs-Foto für ihren Account schießen. So eines, wie man es von anderen Instagram-Accounts kennt: Im Bikini, unter Wasser, drum herum das strahlend blaue Meer.
Aus dem Foto wird nichts. Egal welchen Winkel Louisa versuchte, ständig tauchte ein Stück Plastikmüll oder anderer Abfall im Bild auf. Das Wasser war völlig verdreckt. „Das hat mich in dem Moment sehr geärgert“, verrät die 29-Jährige uns am Telefon. Ihre Stimme wirkt vollkommen gelassen, als sie davon erzählt. Man merkt, dass sie Interviews gewöhnt ist. „Im Hotel habe ich dann darüber nachgedacht, wie der ganze Müll ins Meer kommt – und was ich dagegen tun kann.“
Louisa Dellert: Selbstliebe, politisches Engagement und Umweltschutz
Heute ist Louisa Dellert keine Fitness-Influencerin mehr. Stattdessen versucht sie, ihren fast 400.000 Instagram-Followern andere Themen nahezubringen – nämlich Selbstliebe, politische Bildung und eben Umweltschutz. Darum drehen sich auch ihre Posts auf YouTube und ihrem Blog.
Ein Blick auf ihren Instagram-Account zeigt einen bunten Mix aus Themen: Sie postet Bastelanleitungen für Mülltüten aus Altpapier, Strandfotos oder Interviews zum Thema Klimapaket – mit hochkarätigen Politikern wie Katrin Göring-Eckardt und Christian Lindner. Nur eins haben fast alle Posts gemein: Louisa, die selbstsicher und mit einem breiten Lächeln in die Kamera blickt.
Nachhaltig Leben: Der erste Versuch scheiterte am Klopapier
„Kennst du dieses Bild von einer Zero-Waste-Bloggerin, die ein Einmachglas in die Kamera hält?“, fragt Louisa Dellert im Interview. Bei der Bloggerin handelt es sich um die Müllfreipionierin Bea Johnson. In dem Einmachglas befindet sich der ganze Müll, den sie und ihre Familie in einem Jahr produziert haben.
Das wollte Louisa auch schaffen. Nachdem sie von besagtem Strandurlaub zurück war, verkündete sie ihrem Freund, dass die beiden von nun an keinen Müll mehr produzieren würden. Sie lacht, als sie die Geschichte erzählt. So einfach, wie sie sich das vorgestellt hatte, war die Umstellung natürlich nicht.
Der Traum scheiterte schon am Klopapier. Alle Sorten im Supermarkt waren in Plastik verpackt – allein diese Verpackung hätte nie in ein Einmachglas gepasst. Für Louisa war das ein schwerer Schlag: „Wenn es am Klopapier schon scheitert, dann kann ich eh nichts bewirken, habe ich damals gedacht.“
Heute weiß sie, dass der Fehler damals an ihrer Einstellung lag. Zero Waste besteht nicht nur darin, unverpackte Produkte zu kaufen. Um Müll zu vermeiden, muss man lernen, weniger zu konsumieren, mehr selbst zu machen und ganz neue Einkaufsgewohnheiten zu entwickeln – und das braucht Zeit. „Das wichtigste ist, nicht enttäuscht aufzugeben“, meint die Bloggerin. Sie rät dazu, erst einmal die eigenen Gewohnheiten zu analysieren. Wo produziere ich besonders viel Müll? Wie kann ich hier nachhaltiger werden? Und dann: Handeln.
Auch heute produziert Louisa noch viel mehr Müll, als in ein Einmachglas passt. Bei ihr fallen zum Beispiel leere Haarspraydosen und Mandelmilch-Packungen an. Dafür schafft sie es, fast keinen Restmüll mehr zu produzieren, erzählt sie stolz.
„Wenn ich gestorben wäre, hätte ich auch nichts von meinem Sixpack gehabt“
Früher nutzte Louisa Dellert Social Media, um ihren Weg zum perfekten Waschbrettbauch zu dokumentieren. Heute zeigt sie sich bewusst mit Speckröllchen oder unreiner Haut und dabei immer mit einem Lächeln. Louisa möchte Frauen wie Männern zeigen, dass man auch entspannt mit dem eigenen Körper umgehen kann. „Außerdem habe ich lange genug Rabattcodes rausgehauen und Fitnessshakes beworben“, erklärt sie. Heute will sie ihre Reichweite lieber sinnvoll nutzen.
Wie es zu dem Wandel kam? Louisa wird ernst. Früher sei sie beim Sport öfters umgekippt. „Ich dachte, das liegt daran, dass ich zu wenig esse oder zu viel Sport treibe.“ Tatsächlich hatte es aber einen ganz anderen Grund: Louisa hatte ein Loch in der Herzklappe und musste operiert werden. Heute denkt sie anders über ihren Körper und ihr Leben nach: „Gesundheit ist das wichtigste“, erklärt sie. „Wenn ich gestorben wäre, hätte ich auch nichts von meinem Sixpack gehabt.“
Less-Waste-Onlineshop – ein Widerspruch in sich?
Anfang 2018 hat Louisa Dellert Ihren eigenen Less-Waste-Onlineshop Naturalou eröffnet. Sie führt ihn mit ihren besten Freundinnen, Katharina und Vanessa. Aber Moment – Online-Shopping: Kann das nachhaltig sein?
Die Antwort lautet: Jein. Naturalou gibt sich Mühe, den Versand nachhaltig zu gestalten. Der Shop nutzt zum Beispiel nur gebrauchte Zeitungen als Füllmaterial und verwendet nach Möglichkeit gebrauchte Versandkartons. Trotzdem: Wer einen verpackungsfreien Supermarkt um die Ecke hat, der schont das Klima mehr, wenn er dort einkauft. Aber Städter sind auch gar nicht Louisas Haupt-Zielgruppe. „Auf dem Dorf gibt es noch nicht so viele Unverpacktläden. Die Leute brauchen aber bestimmte Dinge, um langfristig Verpackung einsparen zu können“, erklärt sie. Hier schafft Naturalou Abhilfe.
Seit April 2018 gibt es auch eine stationäre Filiale in Braunschweig, im September zog dieser in die Braunschweiger Innenstadt um. Über ihren Shop können die Leute Basics wie festes Deo oder den Guppyfriend-Waschbeutel bestellen. Oder Ausgefalleneres wie plastikfreien Glitzer für die Festivalsaison.
Crowdfunding-Shitstorm: „Dann such dir halt einen richtigen Job“
Naturalou ist ein Startup und soll wachsen. Deshalb zahlen Louisa Dellert und ihre Freundinnen sich keine Erlöse aus, sondern investieren alles wieder in den Shop. Aber wovon lebt Louisa dann?
Als Fitness-Influencerin hatte Louisa sich durch Kooperationen mit anderen Unternehmen finanziert. Durch Werbeverträge mit Adidas, Reebok, Robinson Club, Herstellern von Protein-Shakes und -Riegeln, sowie anderen Partnern hatte sie damals in einem guten Monat 20.000 bis 25.000 Euro verdient.
Heute verdient sie deutlich weniger, in einem schlechten Monat auch gar nichts. Das liegt daran, dass Louisa ihre Kooperationen sorgfältiger auswählt. Über 90 Prozent der Angebote lehnt sie ab, sagt sie. In letzter Zeit hat sie zum Beispiel mit dem Ökostrom-Anbieter Lichtblick und der Berliner Stadtreinigung zusammengearbeitet.
Fahrten zum Bundestag und Kameramänner will Louisa aber nicht von ihrem eigenen Geld bezahlen. Deshalb hat die Influencerin ihre Follower im Sommer um finanzielle Unterstützung gebeten. Mit dem Shitstorm, der darauf losbrach, hatte Louisa nicht gerechnet. Viele User beschimpften sie oder forderten sie auf, sich halt einen „richtigen Job“ zu suchen.
Ihren Job nimmt Louisa sehr ernst – der Begriff „Influencer“ hingegen stört sie. „Sieh mich als Selbstständige mit Gewerbe, die auch Gewerbesteuer zahlen muss,“ schlägt sie stattdessen vor. Das Crowdfunding sieht sie nicht als verwerflich. „Viele andere in meinem Bereich machen das auch, zum Beispiel ‚Jung & Naiv‘.“ Trotz der Kritik haben sie viele Fans finanziell unterstützt. Mit dem Geld hat sie sich unter anderem eine Bahncard 100 gekauft, die sie ausschließlich für Geschäftsreisen nutzt.
Louisa Dellert: „Ich werde niemals zu 100 Prozent alles richtig machen“
Das Crowdfunding war nicht der einzige Shitstorm, den Louisa Dellert über sich ergehen lassen musste. Auch als sie mit dem Flugzeug nach Kalifornien reiste, erntete sie über Social Media viel Kritik. „Viele Influencer werden dafür gebasht, wenn sie Nachhaltigkeit nicht konsequent in allen Lebensbereichen umsetzen“, erzählt Louisa. „Von dir wird immer erwartet, dass du 100 Prozent gibst. Am besten nackt über die Straße läufst und nur noch Luft einatmest“. Das hält sie für überzogen: „Ich werde niemals zu 100 Prozent alles richtig machen,“ gibt sie zu.
Vor drei Wochen hat Louisa ein besonderes Foto auf ihrem Instagram-Account gepostet. Darauf ist sie im Bikini zu sehen, unter Wasser im Meer – das lang ersehnte Bild kam wohl doch noch zu Stande. Im Hintergrund sind diesmal keine Abfälle zu sehen, dafür aber Korallen. Keine hübschen, bunten Korallen, sondern weiß-bräunliche. Sie schreibt dazu: „Unten im Meer tut sich etwas. Es wird wärmer. Bereits ein bis zwei Grad entscheiden über Leben oder Absterben. Die Korallenbleiche.“
Hätte Louisa dieses Foto vor einigen Jahren gepostet, wäre es ihr darum gegangen, ihren schlanken Körper möglichst gut zu präsentieren. Heute legt sie den Fokus nicht mehr auf das Oberflächliche – sondern darauf, was unter der Meeresoberfläche passiert. Und wie wir es aufhalten können.
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