Bio ist längst in den Regalen von Aldi, Lidl & Co. angekommen. Gut ist: Jetzt kann sich jeder Bio leisten. Allerdings bleibt die Frage: Wie nachhaltig ist Lidl Bio, Aldi Bio & Co.? Und ist die Niedrigpreis-Strategie der Lebensmitteldiscounter überhaupt mit den Bio-Idealen vereinbar? Wir haben die Bio-Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter gefragt.
Bio ist gut, Lebensmitteldiscounter sind böse? Ganz so einfach ist es nicht: Aldi, Lidl, Netto, Penny und Norma bieten inzwischen viele Produkte in Bio-Qualität mit ihren Marken Aldi Bio, Lidl Bio, Naturgut und Bio Sonne an. Bei Lidl gibt es inzwischen sogar Produkte mit Bioland-Siegel. Damit sind Bio-Waren auch bei Discounter-Kunden längst ins Blickfeld gerückt.
Laut „Ökobarometer“ des Bundeslandwirtschaftsministerium (PDF) kauften 2018 rund 70 Prozent der Befragten Bio-Lebensmittel (auch) im Discounter. In Deutschland ist Aldi mit einem Marktanteil von fast 15 Prozent bereits Marktführer im Bereich Bio-Lebensmittel, schreibt die Lebensmittelzeitung. (Mehr dazu: Aldi will Bio-Marktführer in Europa werden)
Dass so viele Menschen überhaupt Bio-Produkte kaufen, ist erfreulich, denn mehr Bio-Käufe bedeuten mehr umweltschonende(re) Erzeugung. Die Einkaufs- und Preispolitik der Lebensmitteldiscounter bleibt aber problematisch. Denn die „Hauptsache Billig“-Kultur und der daraus folgende häufige Wechsel der Bezugsquellen widersprechen eigentlich dem Nachhaltigkeitsgedanken.
Lidl Bio, Aldi Bio & Co.: Wie viel Bio steckt in Discounter-Bio?
Die Bio-Produkte der Discounter-Eigenmarken wie Aldi Bio oder Lidl Bio tragen grundsätzlich das hellgrüne EU-Bio-Siegel. Das garantiert, dass das Produkt die gesetzlichen Mindestanforderungen an biologische Erzeugung erfüllt. Die Siegel der namhaften Bio-Anbauverbände Naturland, Bioland und Demeter findet man auf Ware vom Lebensmitteldiscounter selten – nur Bioland-Produkte gibt es seit Ende 2018 bei Lidl.
Doch auch ohne diese Siegel wird Discounter-Bio manchmal nach den strengeren Richtlinien der Anbauverbände erzeugt, vor allem Obst und Gemüse. Das liegt daran, dass Landwirte, die nach den Standards der Anbauverbände wirtschaften, ihre Ware im Prinzip verkaufen können, an wen sie möchten. Ein Bauer, der beispielsweise von Naturland zertifiziert ist, kann seine Kartoffeln, wenn er will, an Aldi verkaufen – wo sie dann aber „nur“ mit dem EU-Bio-Siegel gekennzeichnet verkauft werden.
Ist Discounter-Bio schwächer als Premium-Bio?
Die gute Nachricht: Wo Bio drauf steht ist auch Bio drin. Du kannst dich auch bei Aldi, Lidl & Co. auf alle gängigen Bio-Siegel verlassen, denn der Begriff ist für Lebensmittel gesetzlich geschützt und die Erzeuger-Betriebe werden regelmäßig kontrolliert.
Doch die Richtlinien für das EU-Bio-Siegel sind schwächer als die der Bio-Anbauverbände. Die EU-Richtlinien lassen beispielsweise in der Tierhaltung deutlich höhere Besatzdichten zu, erlauben es, bei Bedarf konventionelles Futter und konventionellen Dünger zu verwenden und genehmigen in der Verarbeitung deutlich mehr Zusatzstoffe (EU-Bio: 53, Bioland & Naturland: 22, Demeter: 21).
Mehr Informationen zur Frage, wofür „Bio“ eigentlich steht, findest du in unserem Artikel Wann Bio wirklich Bio ist.
Das sagen die Experten der Bio-Verbände zum Bio vom Discounter:
Das Verhältnis der großen deutschen Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter zu den Lebensmitteldiscountern ist gespalten. Wir haben die drei wichtigsten deutschen Bio-Verbände gefragt, wie sie zum Thema Discounter-Bio stehen.
„Auf Qualität statt auf Preiskampf setzen“
Gerald Wehde, Pressesprecher von Bioland:
„Lieber bio als konventionell – das gilt auch für den Einkauf beim Discounter. Der Beitrag für mehr Tier- und Umweltschutz bleibt schließlich der gleiche – egal, wo Sie Ihre Bio-Lebensmittel einkaufen. „Bio“ ist inzwischen in den Discountern etabliert. So werden fast zwei Drittel der Ausgaben der Bundesbürger für Bio-Lebensmittel inzwischen in Deutschlands Discountern, Supermärkten und Drogeriemärkten ausgegeben. Aufgrund ihrer hohen Marktmacht können sie einiges bewegen – indem sie ihren Kunden den Mehrwert von Bio näher bringen und auf Qualität statt auf einen unerbittlichen Preiskampf setzen.
Wir als Bioland möchten einen umfassenden ökologischen Umbau der Land- und Lebensmittelwirtschaft gestalten, dafür müssen wir in den nächsten Jahren deutlich mehr Verbraucher ebenfalls in diesen Umbauprozess mitnehmen. Darum sind wir nach fast zweijährigen Überlegungen die Kooperation mit Lidl eingegangen. Und dass Lidl sich für Bioland Erzeugnisse, nach den höchsten Ökostandards in Deutschland, entschieden hat zeigt, dass Qualität im Vordergrund der Marktstrategie steht.
Der Trend geht also weg von billig um jeden Preis und zeigt, dass eine Veränderung stattfindet. Bio-Bauern haben höhere Kosten, weil sie eben nicht zu Lasten der Natur und der Tiere wirtschaften. Lidl hat sich dazu verpflichtet, diese Wertigkeit von Bioland dem Kunden zu vermitteln.“
„Wir müssen möglichst viele Menschen erreichen.“
Markus Fadl, Pressesprecher von Naturland:
„Wir müssen möglichst viele Menschen mit Bio erreichen und dabei als Öko-Branche glaubwürdig bleiben. Dieser Herausforderung stellt sich Naturland seit vielen Jahren mit Erfolg: als Partner der Weltläden und des Naturkosthandels mit den Bio-Supermärkten, wie auch in der Zusammenarbeit mit dem Lebensmittel-Einzelhandel (z.B. Rewe) und Drogeriemärkten. Diese Vielfalt unterschiedlicher Handelspartner spiegelt die Vielfalt der Naturland Mitgliedsbetriebe.“
„Bio beim Discounter könnte Erzeugerpreise gefährden.“
Susanne Kiebler, Pressesprecherin von Demeter:
„Grundsätzlich freuen wir uns, dass immer mehr Menschen zu Bio-Lebensmitteln greifen und damit mehr Bio-Landwirtschaft ermöglichen. Jeder Hektar, der ohne Pestizide bewirtschaftet wird, ist ein Gewinn. Doch Demeter-Lebensmittel sind echte Premiumprodukte, die weit mehr erfüllen als den Bio-Standard. Sie passen – neben Hofläden, Marktständen und Biokisten – am besten zum Naturkostfachhandel, der mit 100 Prozent Bio und viel Wissen um die Besonderheiten der biodynamischen Landwirtschaft und Verarbeitung das beste Umfeld bietet.
Demeter-Produkte gibt es aber auch schon länger und in letzter Zeit vermehrt im Lebensmitteleinzelhandel, der mit ihnen sein Angebot an Bio-Waren nach oben hin abrundet. Sie werden dort zu Preisen angeboten, die mit denen im Bioladen vergleichbar sind, und die die Wertschätzung widerspiegeln.
Zum Discounter passt Demeter nicht, das schließen daher unsere Vertriebsgrundsätze aus, die unter anderem eine Premium-Platzierung und -Präsentation von Demeter-Produkten verlangen. In der Tat sehen wir die Gefahr, dass im Discounter durch EU-Bio zu Schleuderpreisen, aber auch durch geringe Preise für Produkte mit anderen Verbandslogos – insbesondere für Milch und Milchprodukte – Standards gesetzt werden, die Erzeugerpreise gefährden könnten, da sie auch die Preise für solche Produkte im Bio-Fachhandel nach unten drücken.“
Weiterlesen auf Utopia:
- EU-Bio-Siegel: Das musst du wissen
- Wann Bio wirklich Bio ist
- Bio-Siegel und Tierhaltung: Was haben die Tiere davon?
War dieser Artikel interessant?