Hast du schon mal einen weiß bemalten Baumstamm gesehen und dich gewundert, warum es diesen Kalkanstrich braucht? Erfahre hier mehr zur weißen Farbe.
Wer einen Obstbaum pflanzt möchte, dass dieser wächst und Früchte trägt. Doch gerade frisch gepflanzte und noch sehr junge Bäume sind anfälliger für bestimmte Umwelteinflüsse. Die Rinde von jungen Stämmen ist noch sehr weich und dünn. Frost und der Befall von Schädlingen zum Beispiel macht ihnen mehr zu schaffen als ihren älteren Artgenossen. Die Rinde mit weißer Kalkfarbe anzustreichen ist vor allem als Vorbereitung auf den Winter für junge Obstbäume eine effektive Schutzmethode.
Kalk ist ein natürliches Produkt, welches hauptsächlich in Bergwerken gewonnen wird. Der dort abgetragene Kalkstein ist durch verschiedene chemische Reaktionen in erdgeschichtlichen Prozessen entstanden. Die chemische Bezeichung dafür ist „Calciumcarbonat“. Mit einem pH-Wert von 9,5 bis 10,5 ist Kalk basisch. Gerade diese Eigenschaft hat mit einigen seiner positiven Effekte für den Pflanzenschutz zu tun.
Ein Kalkanstrich schützt im Winter vor Frostschäden
Der Obstbaumexperte Michael Grolm erklärt, wieso Frost so problematisch für junge Bäume ist und die Kalkfarbe vor Rissen in der Rinde schützt:
- Starke Temperaturschwankungen kommen vor allem im Winter vor. Nachts ist es extrem kalt und die Rinde zieht sich zusammen.
- Morgens kommt es häufig zu einer kritischen Situation für die jungen Bäume: Die Schattenseite des Baumes ist noch fast gefroren, während sich die Sonnenseite schon stark erwärmt und ausdehnt.
- Diese heftige Spannung kann die Rinde an einigen Stellen sprengen – es entstehen sogenannte Spannungsrisse. Dadurch ist die schützende Außenschicht verletzt und der Baum kann geschädigt und geschwächt werden.
- Es kostet den Baum viel Kraft, diese Wunden wieder zu schließen. Besonders, wenn Frost in die Risse eindringt und Teile des lebenden Gewebes absterben.
- Außerdem kann Frost das Wachstum verhindern und im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass der Baum abstirbt.
Um das zu verhindern, kommt der Kalkanstrich ins Spiel. Die weiße Farbe reflektiert das Sonnenlicht und verhindert so, dass sich die Rinde zu schnell erwärmt. Starke Temperaturunterschiede zwischen dem sonst aufgeheizten Stamm und der frostigen Luft können so verringert werden. Da die Spannung reduziert wird, kommt es weniger zu Rissen in der Rinde.
Weitere Folgen von Frostschäden sind zudem weniger Blüten im Frühling und deshalb auch eine verringerte Ernte. Das hängt damit zusammen, dass die weiße Farbe die Wärme im Baum durch die Sonneneinwirkung abbremst. Dadurch bekommt der Baum erst später den Reiz zum Austreiben der Triebe und Knospen und Spätfröste können teilweise umgangen werden.
Durch einen Kalkanstrich Bäume vor Sonnenbrand schützen
Auch im Sommer kann es zu Problemen für junge Bäume kommen. Bäume können bei erhöhter Sonneneinstrahlung Sommersonnennekrosen bekommen. Diese Krankheit wird auch als Sonnenbrand bei Pflanzen bezeichnet.
- Unter der Rinde liegt direkt das Kambium, welches das Breitenwachstum eines Baumes steuert. Wenn dieses abstirbt, ist der Baum in seinem normalen Wachstum gestört.
- Durch die Wunden ist der Baum anfälliger für Pilzerkrankungen, die den Baum üer die Zeit aushöhlen. Im schlimmsten Fall führt die Pilzfäule zu einer Unstabilität des Baumes, sodass dieser früher oder später umstürzt.
- Forschungen zeigen, dass sich die Rindentemperatur schon bei einer verhältnismäßig geringen Temperatur im Sommer extrem aufheizen kann: unter der Rinde einer Buche 50 Grad Celsius, bei Fichten 49 Grad Celsius.
- Je dunkler die Rinde, desto starker neigt der Baum dazu, sich aufzuheizen. Viele Obstbäume haben eine dunkle Rinde.
Deshalb kann bei diesem Problem der Kalkanstrich helfen. Derselbe Effekt, wie oben beschrieben, wird dafür genutzt. Die weiße Farbe reflektiert das Sonnenlicht und der Stamm heizt sich nicht so stark auf.
Kalkfarbe beugt Schädlingsbefall vor
Dieser Punkt hängt besonders mit dem oben genannten Schutz vor Rissen zusammen. Ein Kalkanstrich wirkt vorbeugend gegen Schädlinge, die unter der Rinde leben.
- Wenn keine Risse vorhanden sind, haben schädliche Insekten keinen Raum zum Verstecken.
- Auch schon vorher vorhandene Risse im Stamm werden durch den Kalkanstrich verschlossen.
- Die unterschiedlichen Rindenschichten dienen den Tierchen als Nahrung, was für die Gesundheit des Baumes ein großes Problem darstellt.
- Das Problem bei dieser Art von Schädlingen ist, dass die unauffällige Lebensweise unter der Rinde dazu führt, dass sie zu spät entdeckt werden. Dann ist der Schaden meist schon zu groß.
- Zu den Schädlingen gehören verschiedene Borkenkäfer-Arten, wie der Große und der Kleine Obstbaumsplintkäfer, der Ungleiche Holzbohrer. Der Birnenprachtkäfer ist ebenso ein problematisches Insekt.
- Der bunte Kirschbaum-Prachtkäfer gilt im Grunde auch als Schädling, jedoch ist er in Deutschland in der roten Liste des Artenschutzes vermerkt. Wenn dir bekannt ist, dass dieser Käfer in deinem Obstbaum wohnt, solltest du die untere Naturschutzbehörde darüber informieren, bevor du Kalkfarbe oder andere Mittel verwendest.
Welche Vorteile hat ein Kalkanstrich noch?
Ein Kalkanstrich an Bäumen hat noch viele weitere Vorzüge und positive Nebeneffekte:
- Schutz vor Pilzbefall: Ein Kalkanstrich wirkt aufgrund seines hohen alkalischen pH-Wertes antibakteriell und fungizid. Er beugt also dem Befall von bakteriellen Erkrankungen und Pilzfäulnis vor und verlangsamt die Ausbreitung, sollte es dennoch dazu kommen. Insgesamt sorgst du mit deiner Kalkanstrich-Pflege dafür, dass dein Baum gesünder und widerstandsfähiger wird.
- Schutz vor Verbissschäden: Ein Anstrich mit der Kalkfarbe verhindert nachweislich Verbissschäden durch Wildtiere. Besonders im Winter ist das Nahrungsangebot für sie sehr gering. Da ist die saftige Rinde von jungen Bäumen ein gefundenes Fressen für Rehe und Hasen. Leider können die Bissschäden im schlimmsten Fall dazu führen, dass der Baum stirbt. Die Kalkfarbe schmeckt bitter und ist somit für Tiere als Nahrung sehr unattraktiv.
- Bodenverbesserung: Ein positiver Nebeneffekt beim Kalken von Bäumen ist eine Bodenverbesserung. Leider gibt es immer wieder Probleme mit Bodenversauerung. Durch Regen und Tau wird nach und nach die Kalkfarbe abgewaschen und in den Boden gespült. Die alkalische (basische) Wirkung sorgt für eine Neutralisierung des sauren Bodens. Auch wenn der Boden sehr sauer ist, hilft der abgewaschene Kalk wenigstens in der näheren Umgebung des Baumes ihn etwas zu neutralisieren. Somit hat der Baum bessere Wachstumsbedingungen.
Welche Bäume sollten einen Kalkanstrich bekommen?
Sich die Mühe zu machen, jeden Baum im Garten zu streichen, ist nicht unbedingt notwenig. „Empfindlich sind vor allem Aprikose, Pflaume oder auch Kirsche“, sagt der Thüringer Obstbaumexperte Michael Grolm. Apfelbäume gelten im Verhältnis zu anderen Obstbäumen als weniger empfindlich. Auch ältere Bäume benötigen nicht unbedingt einen Kalkanstrich. Sie haben schon eine dickere, schützendere Borke, die den Baum schützt. Doch auch für ältere Bäume kann der Stammschutz eine Art Wellnesskur sein und sie vor Wildverbiss schützen.
Hast du noch keine Frostbrüche oder Schäden durch Schädlinge an deinen jungen Obstbäumen bemerkt, auch wenn diese aber schon ein paar Jahre in deinem Garten stehen? Dann hast du wohl Glück mit deinem Standort und deine Bäume benötigen den Anstrich nicht unbedingt. Schaden kann die Kalkfarbe allerdings nicht.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Kalkanstrich und wie wird er angewendet?
Prinzipiell ist der Kalkanstrich ganzjährig durchführbar. Eine gute Zeit dafür ist allerdings im Spätherbst, von Oktober bis November, bevor der erste Frost kommt. Wichtig für das Auftragen ist folgendes:
- Suche dir einen trockenen, leicht sonnigen Tag aus, damit der Kalkanstrich gut trocknen kann. Nicht bei Regen oder Frosttagen verwenden.
- Junge Bäume haben eine glatte Rinde, somit sind keine besonderen Vorbereitungen zu treffen, bevor du die Farbe auftragen kannst.
- Anders verhält es sich, wenn du planst einen älteren Baum zu streichen. Da diese meist eine raue und brüchige Rinde haben, solltest du hier voher die lockeren Rindenteile vorsichtig mit einer Spachtel oder ähnlichem entfernen.
- Wenn du mit Kalkfarbe arbeitest ist Vorsicht geboten! Da Kalk einen hohen pH-Wert hat, kann er bei empfindlicher Haut zu Reizungsbeschwerden führen. Bei Augenkontakt sofort ausgiebig mit Wasser spülen. Verwende vorsichtshalber eine Schutzbrille und trage lange alte Kleidung, die schutzig werden darf.
- Nun trage die Frabe dünn mit einem Malerpinsel auf und lasse sie leicht antrocken. Dann streiche ein zweites mal dünn über die Fläche.
- Frisch gepflanzte Bäume kannst du bis zu den oberen Ästen einpinseln. Ältere Bäume, die du vor Wildverbiss schützen willst, solltest du circa bis zu deiner Kopfhöhe einstreichen.
- Du kannst den Anstrich jederzeit aufbessern, wenn er verblasst.
Wenn du eine gute Kalkfarbe suchst, wirst du zum Beispiel bei Amazon** fündig: Hier findest du den Weißanstrich von „Schacht“ in Pulverform. Du kannst ihn mit Wassser selbst anrühren. Er ist für den biologischen Landbau zugelassen. Enthalten sind außerdem natürliche Meeres-Mineralien mit Spurenelementen und wertvollen Kieselsäuren, die zur Ernährung und Gesunderhaltung der Rinde beitragen. Es gibt auch verschiedene Rezepte, wie du Kalkanstrich selbst machen kannst. Für die Mischung benötigst du:
- 10 Liter Wasser
- 1 Liter angerührten Tapetenleim (ohne Zusatzstoffe und ohne Kunstharz)
- 1,5 Kilo Kalk
Verrühre alles zusammen gut in einem Eimer. Die Konsistenz sollte etwas dünnflüssiger sein als Wandfarbe, sonst lässt sie sich nicht so gut in die Ritzen streichen.
Weiterlesen bei Utopia.de:
- Baum umarmen: Wieso du es ausprobieren solltest
- Obstbaum pflanzen: Schritt-für-Schritt-Anleitung
- Leimringe: Frostspanner bekämpfen mit Nachteilen für die Vogel- und Insektenwelt
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