Kognitive Umstrukturierung hilft, belastende Gedanken in weniger belastende umzuwandeln – oder, wo nötig, einen Aktionsplan zu entwickeln. Wir erklären, wie es funktioniert.
Das Konzept der kognitiven Umstrukturierung (im englischen Original „cognitive restructuring“) wurde vom Psychiater und Psychotherapeuten Aaron Temkin Beck und Kolleg:innen Ende der 1970er-Jahre als Ansatz gegen Depressionen entwickelt. Seitdem hat es sich zu einem beliebten Ansatz zur Behandlung von verschiedenen psychischen Problemen, vor allem bei jungen Erwachsenen, entwickelt.
Wichtig: Wenn du den Verdacht hast, dass du psychisch krank sein könntest, hole dir unbedingt professionelle Hilfe. Dieser Ratgeber kann keinesfalls ein Orientierungsgespräch mit Therapeut:innen oder gar eine Therapie ersetzen.
Kognitive Umstrukturierung selbst nutzen
Wenn du keine psychischen Probleme hast, aber hin und wieder mit unproduktiven negativen Gedanken kämpfst, könnte dir diese Methode helfen.
Mit den fünf Schritten der kognitiven Umstrukturierung lernst du, deine Gedanken sorgfältig zu prüfen, wenn du dich über etwas aufregst oder gestresst fühlst. Dann passiert eins von zwei Dingen:
- Wenn die Analyse zeigt, dass der belastende Gedanke nicht wahr oder korrekt ist, kannst du ihn in einen weniger belastenden Gedanken umwandeln.
- Zeigt deine Bewertung, dass der negative Gedanke korrekt ist, kannst du einen Aktionsplan entwickeln, um mit der Situation umzugehen.
Die fünf Schritte zur kognitiven Umstrukturierung
Ein Handout (PDF-Download) der American Psychological Association (APA) beschreibt die fünf Schritte für kognitive Umstrukturierung (KU). Um sie durchzuarbeiten, brauchst du Stift und Papier. Ein Arbeitsblatt für diesen Prozess kannst du dir auf Englisch direkt von der APA herunterladen. Das kannst du dir bei Bedarf online auch automatisch übersetzen lassen.
1. Die Situation
Notiere die belastende Situation. Es kann sich um ein tatsächliches Ereignis handeln; zum Beispiel, dass du einen unangenehmen Termin wahrnehmen musst; oder um die Erinnerung an ein Ereignis, zum Beispiel Gedanken an eine Katastrophe, die du miterlebt hast. Es kann jedoch ebenso eine nicht erlebte Situation sein. Schreibe in jedem Fall nur einen Satz, der die Situation beschreibt.
2. Das Gefühl
Identifiziere das belastendste Gefühl, das du in der jeweiligen Situation hattest. Konzentriere dich auf das stärkste und belastendste Gefühl, selbst wenn du mehrere hattest. Es ist am einfachsten, sich auf vier grundlegende Gefühle zu konzentrieren: Angst, Trauer, Schuld und Wut. Wähle eins davon und arbeite alle fünf Schritte mit diesem Gefühl durch. Wenn du mehrere gleichstarke Gefühle bemerkst, führe zuerst eine kognitive Umstrukturierung für das erste Gefühl und dann eine zweite KU für das nächste Gefühl durch.
3. Der Gedanke
Identifiziere die Gedanken, die deinen belastenden Gefühlen zugrunde liegen. Schreibe alle Gedanken auf, die dir zum jeweiligen Gefühl einfallen und markiere den belastendsten – zum Beispiel, indem du ihn einkreist. Stelle dir dafür je nach Art des Gefühls folgende Fragen und sei bei der Antwort so spezifisch wie möglich:
- bei Angst oder Sorge: „Was erwarte ich Schlimmes, das passieren könnte?“ oder „In welcher Art von Gefahr befinde ich mich?“
- bei Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit: „Worin habe ich die Hoffnung verloren?“ oder „Was fehlt in meinem Leben?“
- bei Schuld oder Scham: „Was habe ich Schlimmes getan?“ oder „Was stimmt nicht mit mir?“
- bei Wut: „Was ist unfair an dieser Situation?“ oder „Wer hat mir Unrecht getan?“
Denke darüber nach, ob dieser Gedanke einem für dich typischen Muster folgt, mit dem du gewohnheitsmäßige, aber ungenaue Schlussfolgerungen in einer Situation ziehst. Das nennt die APA eine „problematische Denkweise“ – „Problematic Thinking Style“.
4. Bewertung des Gedankens
Wäge in diesem Schritt die Beweise dafür ab, ob der ausgewählte Gedanke berechtigt ist oder nicht. Schreibe alle Hinweise auf. Sei dabei sorgfältig und so objektiv wie möglich.
Vielleicht hast du Schwierigkeiten, Beweise gegen den Gedanken zu finden. Die APA empfiehlt, sich in dem Fall folgende oder ähnliche Fragen zu stellen:
- Gibt es eine alternative Erklärung für das, was passiert ist?
- Wie würde jemand anders über die Situation denken?
- Überschätze ich, wie viel Kontrolle und Verantwortung ich in dieser Situation habe/hatte?
5. Entscheidungen treffen
Um zu entscheiden, welche Beweise überwiegen, beachte auch, dass du objektive und faktenbasierte Beweise schwerer werten solltest als solche, die auf Gefühlen und Meinungen basieren. Stelle dir zum Beispiel auch vor, wie eine unbeteiligte Jury angesichts der aufgeschriebenen Beweise entscheiden würde. Notiere dir das Ergebnis.
- Ist der Gedanke nicht wahr, entwickle einen neuen, zutreffenden Gedanken als Ersatz. Schreibe auch diesen auf dem Arbeitsblatt auf.
- Ist der Gedanke gut durch Beweise gestützt, musst du einen Handlungsplan entwickeln. Wie genau du das wiederum machst, beschreibt ein anderes Handout der APA: das Aktionsplan-Arbeitsblatt. Kurz zusammengefasst gibt es vier Schritte: Problem definieren, Lösungen brainstormen und beste auswählen, Plan zur Umsetzung erstellen, Plan befolgen und festlegen, wann du überprüfst, ob er geklappt hat.
Tipp: Wenn du dich bei Entscheidungen schwertust, kann dir eventuell folgende Technik helfen: Mit der 10-10-10-Methode besser entscheiden.
Positiv statt negativ denken: Mehr Tipps und Techniken
Neben der kognitiven Umstrukturierung gibt es andere Techniken und Tricks, die den Fokus auf Gedanken legen:
- Negative Gedanken loswerden: So gehst du mit ihnen um
- Positiv denken: Wie du es lernst und negative Gedanken loswirst
- Grübeln stoppen: Wie du die Gedanken unterbrichst
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