Wer sich pescetarisch ernährt, verzichtet auf Fleisch. Fisch und Meeresfrüchte kommen bei Pescetarier:innen aber weiterhin auf den Teller. Wie sinnvoll ist diese Ernährungsform?
Pescetarier:innen, auch Pesco-Vegetarier:innen genannt, haben oft den Eindruck, sie könnten es niemandem recht machen. Aus Sicht von Veganer:innen und auch von Fleischesser:innen sind sie schlichtweg inkonsequent – nach dem Motto: „Dann lasst es doch ganz bleiben!“ Vegetarier:innen regen sich wiederum auf, dass ihnen beizeiten Fisch angeboten wird. Und Schuld an der Annahme, vegetarisch bedeute nur „kein Fleisch“, sind natürlich die Pescetarier:innen.
Kaum eine Ernährungsform macht sich bei so vielen Seiten gleichzeitig unbeliebt wie der Pescetarismus. Dabei hat sie ihre eigenen Vor- und Nachteile. Wir erklären, was für und gegen eine fleischlose Ernährung mit Fisch spricht – und worauf du achten solltest, wenn du damit beginnen möchtest.
Pescetarier:innen: nicht Fleisch, doch Fisch
Die Definition des Pescetarismus ist eigentlich ganz einfach. Das Wort leitet sich vom lateinischen „piscis“ (Fisch) ab. Pescetarier:innen essen kein Fleisch oder daraus gewonnene Produkte, dafür aber Fisch, und oft auch Meeresfrüchte und Weichtiere. Milchprodukte und Eier kommen in der Regel ebenfalls auf den Tisch.
Laut einer in Deutschland erhobenen Umfrage von 2019 mit rund 2.000 Teilnehmer:innen ernährten sich drei Prozent der Männer und drei Prozent der Frauen pescetarisch (Quelle: Statista).
Natürlich gibt es viele Gründe, auch auf Fisch zu verzichten: Etwa die Überfischung der Meere, problematische Fangmethoden oder wenig vertrauenswürdige Siegel (Mehr dazu: 5 Argumente gegen Fisch). Vielen Pescetarier:innen dürfte das bewusst sein – ebenso, wie Fleischesser:innen in der Regel wissen (und oft verdrängen), dass die Produktion von Billig-Fleisch Tierleid und ökologische Probleme verursacht.
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Pescetarisch ernähren: Es gibt mehrere Gründe
Die Gründe und Motivationen, sich dennoch pescetarisch zu ernähren, können ganz unterschiedlicher Art sein. Dazu gehören folgende:
1. Eine Art ethischer Pragmatismus
Wer es nicht schafft, konsequent auf alle Arten Fleisch zu verzichten, beschränkt sich zumindest auf Tierisches aus dem Meer (bzw. Süßwasser) – besser ein Schritt in die richtige Richtung, als auf der Stelle stehen zu bleiben. Für manche ist Pescetarismus auch ein Zwischenschritt, um Vegetarier:in zu werden.
Einige Übel, die die konventionelle Fleischproduktion mit sich bringt, kann man als Pescetarier:in wenigstens vermeiden: Tierquälerei und Missstände in Schlachthöfen, die hohen Treibhausgasemissionen, der enorme Wasser- und Flächenverbrauch und die Belastung von Wasser und Böden, um Fleisch und Futterpflanzen zu produzieren. Insofern ernähren sich Pescetarier:innen immerhin klima- und umweltbewusster als Menschen, die regelmäßig sowohl Fisch als auch Fleisch essen.
Allerdings: Wer Massentierhaltung ablehnt, sollte bedenken, dass auch eine Form davon für Fische existiert, nämlich die konventionelle Aquakultur. Dabei drängen sich die Fische oft in überfüllten, dreckigen Becken. Antibiotika und anderen Medikamente, Chemikalien, Ausscheidungen der Fische und Futterreste belasten die umgebenden Gewässer.
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2. Weniger Mitgefühl für Fische
Für Vegetarier:innen gilt: Fische sind Lebewesen wie alle anderen Tiere – und landen deshalb nicht auf dem Teller. Pescetarier:innen sehen das oft anders: Sie machen einen Unterschied zwischen warmblütigen Lebewesen (Säugetiere, Vögel) und Fischen. Manche Menschen empfinden stärkeres Mitgefühl mit intelligenten Tieren wie Schweinen oder Kühen, die uns zudem in ihren Angst- und Schmerz-Reaktionen ähneln.
Hinzu kommt: Während die wenigsten Fleischesser:innen in der Lage wären, mit eigenen Händen ein großes Säugetier zu schlachten, kostet es häufig weniger Überwindung, einen Fisch zu angeln und töten. Wer nach der Devise lebt „Ich esse nur Tiere, die ich selbst getötet habe“, findet die Lösung dafür unter Umständen im Pescetarismus.
Dabei ist eine Unterscheidung zwischen Fischen und anderen Tieren recht willkürlich. Ein Verfechter der These, Fische hätten kein dem Menschen vergleichbares Schmerzempfinden, ist Robert Arlinghaus, Professor am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei an der Humboldt-Universität zu Berlin. Andere Forscher:innen widersprechen dieser Vermutung.
Im Jahr 2019 analysierte ein Forscherteam um die Biologin Lynne Sneddon von der Universität Liverpool 98 wissenschaftliche Publikationen zum Schmerzempfinden von Fischen. Für Sneddon ist klar: Fische zeigen Verhaltensänderungen, wenn sie Schmerzen ausgesetzt sind. Zum Beispiel reiben sie nach einem schmerzhaften Impuls am Maul diese Stelle am Glas des Aquariums – so wie ein Mensch seinen Zeh, den er sich angestoßen hat.
Auch vermeiden sie Bereiche des Beckens, in denen sie schon einmal Stromstöße bekommen haben. Die Forscherin betont daher: „Wenn wir akzeptieren, dass Fische Schmerz empfinden, hat das große Auswirkungen darauf, wie wir sie behandeln. (…) Sie sollten human gefangen und getötet werden.“
3. Gesundheitliche Gründe
Viele Pescetarier:innen wollen Fisch auch aus gesundheitlichen Gründen nicht vom Speiseplan streichen. Aber ist Fisch nun wirklich gesund oder nicht? Diese Frage lässt sich nicht ganz einfach beantworten.
Denn in Fisch können Schadstoffe stecken – von Schwermetallen wie Quecksilber über Industriegifte bis hin zu Mikroplastik, Antibiotika und Pestizidrückständen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) rät Schwangeren und Stillenden, Fischarten zu vermeiden, die potenziell höher mit Quecksilber belastet sind.
Auf der anderen Seite liefert Fisch viele wichtige Nährstoffe wie leicht verdauliches Protein, Selen und Vitamin D. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt daher ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Woche.
Seefisch liefere Jod, und fettreicher Fisch wie Karpfen, Forelle, Lachs, Makrele und Hering enthalte die wertvollen, langkettigen Omega-3-Fettsäuren (DHA und EPA). Er wirke sich damit positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus und vermindere das Risiko für Schlaganfälle. Allerdings: Auch pflanzliche Lebensmittel wie Leinöl, Rapsöl, Hanföl oder Walnussöl können den Bedarf an Omega-3 decken.
2019 untersuchte eine britische Beobachtungsstudie den Einfluss langfristigen Fleischverzichts auf das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle. Pescetarier:innen nahmen dabei eine Mittelposition zwischen Vegetarier:innen und Fleischesser:innen ein: Sie hatten geringere Herz-Kreislauf-Risiken als Fleischesser:innen und zugleich ein weniger erhöhtes Schlaganfallrisiko als Vegetarier:innen.
Darüber hinaus gab es durch Studien bereits Hinweise darauf, dass Fischverzehr das Darmkrebsrisiko senken könnte. Allerdings reicht die Datenlage zu einer möglichen schützenden Wirkung laut dem Deutschen Krebsforschungszentrum nicht aus, um einen erhöhten Fischkonsum zu empfehlen.
Generell lässt sich aber sagen: Die meisten Pescetarier:innen verspeisen Fisch und Meeresfrüchte nicht täglich oder in großen Mengen – sondern ergänzen damit vielmehr ihre ansonsten vegetarische Ernährung. Hält sich der Verzehr in Grenzen, entspricht der Pescetarismus der „Planetary Health Diet“, einer 2019 von Forschern entwickelten Ernährung, die gut für den Menschen und für die Erde sein soll.
4. Mehr Flexibilität
Fisch und Meeresfrüchte als Bestandteile des Speiseplans bringen den Vorteil, ein größeres Spektrum an Gerichten wählen zu können – für viele ein wichtiger Grund für eine pescetarische Ernährung. Manche Pescetarier:innen essen vor allem auf Reisen Fisch, um sich beim Probieren landestypischer Spezialitäten nicht zu sehr einschränken zu müssen.
Wer im Restaurant isst, muss sich dann zum Beispiel keine Gedanken machen, wenn das Tofu-Gemüsegericht mit ein paar Tropfen Fischsoße gewürzt wurde. Oder kann einen frischen Fisch als besonderen Genuss im Urlaub betrachten – und dafür zu Hause den Konsum wieder eine Zeit lang einschränken.
Pescetarisch essen: Worauf Pescetarier:innen achten sollten
Natürlich lässt sich die Frage stellen, ob wir überhaupt Fische essen müssen. Eines muss man Pescetarier:innen aber zugute halten: Sie verzichten immerhin auf Fleisch, und damit auf eines der problematischsten Lebensmittel überhaupt. Sie geben nicht 100 Prozent, aber sie bewegen sich in die richtige Richtung.
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Pesco-Vegetarier:innen sind häufig (umwelt-)bewusste Konsument:innen und sich haben ihre Ernährungsentscheidung wohlüberlegt. Viele von ihnen werden ohnehin nicht zum panierten Billig-Pangasius in der Kantine greifen oder Thunfisch aus dem Discounter kaufen.
Aber: Wer mit dem Pescetarismus liebäugelt, sollte sich unbedingt an einige Grundregeln in Sachen Fischkonsum halten:
- Orientiere dich an den beiden großen Fischratgebern von WWF und Greenpeace – so trägst du nicht zur Überfischung der Meere bei.
- Wenn du Fische aus Aquakulturen kaufst, achte auf Produkte mit Bio-Siegel, zum Beispiel Bioland – und probiere am besten einen heimischen Süßwasser-Fisch wie den Karpfen.
- Achte bei Wildfischen auf Siegel und auf die Fangmethode. Mehr dazu: Fisch essen: Das solltest du unbedingt beachten.
- Wenn es unbedingt Thunfisch sein soll, dann gibt es in Deutschland derzeit keinen nachhaltigeren als den von Followfish. Mehr dazu: dm nimmt Fisch in die Verkaufsregale – kann das gut sein?
- Betrachte Fisch als Luxus, der gelegentlich deinen Speiseplan bereichert, aber nicht als Selbstverständlichkeit!
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