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Wildplastic: Kann ein Plastikbeutel gegen Plastikmüll helfen?

Wildplastic: Mit Plastikmüllbeuteln gegen Plastikmüll?
Foto: © WILDPLASTIC

„Der erste Müllbeutel, der die Welt aufräumt“ besteht aus Plastik, das aus der Umwelt gesammelt wurde. Das Startup Wildplastic will damit etwas gegen die weltweite Plastikmüll-Krise tun. Kann das gelingen?

Die Menschheit muss etwas gegen die selbst verursachte Plastikmüllkrise tun. Das ist ein Fakt. Doch wie genau das gehen soll, dazu gibt es wenig Klarheit.

Der Weg, den das Hamburger Startup Wildplastic geht, kombiniert zwei Lösungsansätze. Das Unternehmen lässt „wildes“ Plastik aus der Umwelt einsammeln. Das wird dann zu neuen Müllbeuteln recycelt, die ihrerseits wieder recycelbar sind.

Der Weg des „wilden“ Plastiks

Dafür arbeitet Wildplastic mit mehreren Organisationen – derzeit unter anderem Plastic Bank und Empower – in Ländern zusammen, die kein gut funktionierendes Recyclingsystem haben, beispielsweise in Nord- und Westafrika.

Dort holen lokale Sammler:innen den Plastikmüll bei den Menschen zuhause ab, damit er gar nicht erst in der Umwelt landet – oder sie sammeln ihn direkt aus der Umwelt. Die Sammler:innen geben den Müll an Sammelstellen ab und bekommen dafür Geld, die Umwelt vor Ort profitiert und Wildplastic bekommt das Plastik als Rohstoff für neue Produkte.

Sortiert, nach Europa transportiert, gereinigt und eingeschmolzen wird das Plastik zu Granulat, das Granulat zu neuer Folie und die Folie dann zu Müllbeuteln – den „Wildbags“. Diese gibt es aktuell in verschiedenen Größen für drei bis vier Euro pro Rolle zu kaufen: zum Beispiel bei Goodbuy oder direkt beim Hersteller, in einzelnen Läden vor allem in Norddeutschland und im Februar auch deutschlandweit bei Rossmann.

Wie aus Müll ein wertvoller Rohstoff wird

Für die Müllbeutel von Wildplastic kommt der Kunststoff LDPE zum Einsatz. Das Unternehmen verarbeitet zum Beispiel oft Kunststoffbeutel, in denen in manchen Regionen der Welt Trinkwasser verkauft wird. Das erklärt uns Jascha Mähler, der bei Wildplastic für „Impact & Sustainability“ zuständig ist.

„Wir haben uns bewusst für einen Rohstoff entschieden, der bisher kaum gesammelt wurde, weil er vor Ort wenig Wert hat“, so Mähler. Durch die niedrigen Preise gab es bislang kaum Anreize, LDPE-Folien einzusammeln. Wildplastic hofft, das ändern und so einen positiven Beitrag für Umwelt und Menschen vor Ort leisten zu können.

Bessere CO2-Bilanz als herkömmliche Müllbeutel

Das junge Unternehmen hat ausführliche Berechnungen zum ökologischen Fußabdruck seiner Produkte angestellt. Das Ergebnis: Ein 35-Liter-„Wildbag“ kann gegenüber vergleichbaren Müllbeuteln durchschnittlich rund 40 Prozent CO2-Äquivalente sparen.

Das Unternehmen verheimlicht nicht, dass andere Müllbeutel aus recyceltem Plastik eine ähnliche oder etwas bessere CO2-Bilanz haben können. Aber: „Wir haben noch den Effekt, dass wir Müll aufräumen, der sonst in der Umwelt herumliegt. Und wir haben natürlich den sozialen Aspekt – wir zahlen möglichst faire Preise und versuchen, möglichst faire Handelsbeziehungen aufzubauen“, erklärt Mähler.

„Es braucht noch viel mehr politisches Handeln“

Wenn es darum geht, die Plastikkrise durch Einsammeln von Müll oder durch besseres Kunststoffrecycling zu bekämpfen, wenden Expert:innen oft ein: An erster Stelle sollte nicht Verwertung, sondern Müllvermeidung stehen. Das ist so auch in der „Abfallhierarchie“ der EU festgelegt.

Setzt Wildplastic also überhaupt an der richtigen Stelle an?

„Recycling ist nicht die Wunderlösung“, gibt Mähler zu. Das Problem sei auf jeden Fall die große Müllmenge, die die Menschheit produziert. Aber: „Mit den fünf Milliarden Tonnen Plastikmüll, die heute schon in der Umwelt herumliegen, muss man ja auch was machen.“

Wildplastic: Müllbeutel aus recyceltem Plastikmüll
Der Einsatz von Recycling-Plastik hilft nicht nur, die Umwelt aufzuräumen, sondern auch Neuplastik zu sparen. (Foto: © WILDPLASTIC)

Während Europa es sich leisten kann, seinen Plastikmüll zu exportieren – allein im Jahr 2020 rund eine Million Tonnen – fehlt vor allem in vielen Ländern des globalen Südens die Infrastruktur für Entsorgung und Recycling. Hier Plastik wieder zu einem Wertstoff zu machen und so dafür zu sorgen, dass weniger Müll die Umwelt belastet, ist ein wichtiges Vorhaben.

Dass Müll aufzusammeln am Ende nicht die Lösung sein wird, ist den Unternehmer:innen von Wildplastic klar – alleine schon, weil Sammlung und Recycling viel teurer ist, als den Müll von Vornherein zu vermeiden.

Mähler glaubt daher:

„Es braucht noch sehr viel mehr politisches Handeln. Wenn man die Plastikkrise wirklich flächendeckend lösen möchte, wird das nur mit einem internationalen Abkommen gehen. Es bräuchte sowas wie das Pariser Klimaabkommen für Müll.“

Wildplastic will trotzdem heute schon zeigen, dass es möglich ist, etwas zu verändern: Man kann Plastik zu fairen Bedingungen kaufen, stabile Handelsbeziehungen aufbauen, Plastik einen unternehmerischen Wert geben. Und dabei der Umwelt und den Menschen vor Ort helfen. „Was wir tun, bewirkt etwas.“

Utopia meint: In einer idealen Welt bräuchte es Unternehmen wie Wildplastic nicht. Denn theoretisch ist für die Umwelt Plastikvermeidung immer noch besser als Plastik zu recyceln. Praktisch und gegenwärtig aber sind neue Lösungen für die Plastikkrise dringend nötig. Darum ist es schlau, dass Wildplastic gleich an zwei Punkten ansetzt. Es ist wichtig, Müll aus der Umwelt zu entfernen bzw. zu verhindern, dass er dort landet. Plastik zu recyceln und damit zu vermeiden, dass für Neuplastik klimaschädliches Erdöl und -gas verarbeitet werden muss, ist ebenso wichtig.

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