Woke Washing betreiben Unternehmen im Rahmen ihres Marketings, um ihren Ruf nach außen hin zu verbessern. Wie du Woke-Washing-Strategien von Firmen erkennen kannst, erfährst du hier.
Heutzutage legen Konsument:innen zunehmend Wert darauf, dass sich Unternehmen in gesellschaftlicher und nachhaltiger Hinsicht engagieren. Für das gute Image benötigen Unternehmen einen sogenannten „Purpose“, also einen Sinn, der über finanziellen Gewinn hinausgeht und einen Beitrag zu einer besseren Welt leistet. In diesem Zusammenhang kommt es häufig zum sogenannten Woke Washing.
Woke-Washing: Wer oder was ist eigentlich „woke"?
„Woke“ ist Englisch und bedeutet so viel wie „wach“ oder „wachsam“. Laut Duden ist woke, wer politisch interessiert ist und sich in besonderem Maße gegen sexistische, rassistische sowie soziale Diskriminierung einsetzt.
Ursprünglich entstand der Begriff Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA. Geprägt hat ihn zu dieser Zeit die afroamerikanische Bewegung gegen soziale und rassistische Unterdrückung.
Teilweise ist der Begriff aber auch negativ konnotiert. So bittet der ehemalige US-Präsident Barack Obama junge Aktivist:innen, weniger woke zu sein und Menschen für gesellschaftliche Fehler nicht sofort an den Pranger zu stellen.
Was ist denn jetzt Woke Washing?
Wenn ein Unternehmen aktiv Stellung zu einem politischen, gesellschaftlichen oder ökologischen Gegenstand bezieht, bezeichnet man das als Markenaktivismus. In vielen Fällen missbrauchen Unternehmen den Markenaktivismus jedoch nur, um ihr Image aufzubessern oder Aufmerksamkeit zu generieren.
Wenn ein Unternehmen also vorgibt, sich für gesellschaftliche Verbesserungen einzusetzen, in der Praxis jedoch gar nicht vollumfänglich für diese Ideale eintritt, gilt dies als Woke Washing. Woke Washing wirkt sich negativ auf die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens und infolgedessen auf seinen Ruf aus.
Gillette vs. Patagonia: So sieht Woke Washing im Vergleich zu Markenaktivismus aus
Ein konkretes Beispiel für Woke Washing liefert das Unternehmen Gillette, welches Rasierer sowie Rasierzubehör insbesondere für Männer vertreibt. Anfang 2019 startet Gillette eine Werbekampagne, die sich in Anspielung auf die MeToo-Debatte auf Sexismus, Mobbing sowie toxische Männlichkeit bezieht. In diesem Rahmen wurde auch der Slogan von „Gillette: The Best a Man Can Get“ („Gillette: Das Beste, was ein Mann bekommen kann“) zu „The Best a Man Can Be“ („Das Beste, was ein Mann sein kann“) angepasst.
Gillette versucht hierbei, den Fokus auf den Mann und sein Verhalten zu richten. Auch die grundlegende Aussage des veröffentlichten Werbespots, der die toxische Männlichkeit kritisiert sowie gewisse Verhaltensmuster insbesondere gegenüber Frauen hinterfragt, ist richtig und wichtig. Die Frage, die du dir jedoch sicherlich stellst, ist: Was hat Gillette damit zu tun?
Gillette hat sich hier die in der breiten Gesellschaft geführte MeToo-Debatte zu Eigen gemacht und darauf seine Werbekampagne aufgebaut. Das Unternehmen versucht so, sein Image aufzubessern und möglichst „woke“ zu wirken, indem es aktuell diskutierte soziale Themen in sein Marketing integriert. Die plötzliche Kehrtwende des Unternehmens, das lange Zeit mit der Aufrechterhaltung traditioneller Männlichkeit Profit machte, wurde von vielen als nicht authentisch erlebt, zumal der „woke“ Werbespot am Ende dasselbe machte, wie alle anderen Gillette-Werbespots: Dazu aufrufen, Gillette zu kaufen, um ein besserer Mann zu werden. Ganz klar hat hier also Woke Washing stattgefunden.
Ein Beispiel für gelungenen Markenaktivismus ist hingegen die Marke Patagonia. Während der Präsidentschaftswahl in den USA 2020 hat der Hersteller von Outdoorbekleidung auf die Etikettenrückseite einiger Hosen das Statement „Vote the assholes out“ (zu Deutsch: „Wählt die Arschlöcher ab“) gedruckt. Hiermit hat sich das Unternehmen eindeutig gegen Trump als Klimaleugner positioniert und damit seine ökologischen Werte betont. Die Kampagne wurde von der breiten Öffentlichkeit als authentisch und glaubwürdig eingestuft.
Wie kannst du jetzt aber ernstgemeinten Markenaktivismus von Woke Washing unterscheiden? Das ist leider oft gar nicht so einfach.
Woke Washing erkennen
Um das Woke Washing eines Unternehmens zu erkennen, musst du dich ein wenig mit dessen Hintergründen auseinandersetzen. Was vertreibt das Unternehmen? Welche Werte vertritt es
Grundlegend können folgende Punkte darüber Auskunft geben, wie ernst es ein Unternehmen mit seinen Aussagen meint:
- Folgen auf die Äußerungen des Unternehmens auch Taten? Verändert das Unternehmen beispielsweise nach einem umweltfreundlichen Statement seine Unternehmenspolitik oder passt seine Lieferanten:innenauswahl an? Passen die getätigten Aussagen zur Unternehmensphilosophie? Wenn dies nicht der Fall ist, ist das ein Hinweis auf Woke Washing.
- Zu welchem Zeitpunkt gibt ein Unternehmen ein Statement ab oder solidarisiert sich mit einer Sache oder Gruppe? Sich frühzeitig zu einem gewissen Sachverhalt zu äußern, kann riskant für ein Unternehmen sein und deutet auf ernstgemeinten Markenaktivismus hin. Denn: Das Unternehmen weiß, wofür es steht und macht seinen Standpunkt daher unmissverständlich klar. Wenn eine Marke sich im Laufe einer Debatte sehr spät äußert, kann dies dagegen ein Indiz für Woke Washing sein: Das Unternehmen macht unter Umständen nur mit, weil alle anderen auch Stellung beziehen.
- Wie oft setzt sich ein Unternehmen für eine Sache ein? Vertritt es regelmäßig eventuell auch unpopuläre Themen? Wenn eine Marke sich einmalig im Rahmen einer hitzigen Debatte äußert, dient das lediglich der Generierung von Aufmerksamkeit und ist wahrscheinlich ein Fall von Woke Washing.
B-Corp-Zertifikat als Orientierung
Wenn du dir dennoch unsicher bist, wie ernst es ein Unternehmen mit seinem sozialen Engagement meint, stellt das B-Corp-Zertifikat eine Orientierungshilfe dar. Das Zertifikat verleiht die unabhängige Non-Profit-Organisation B-Lab. Sie zertifiziert damit Unternehmen, die
- strenge Sozial- und Umweltstandards erfüllen
- transparent und verantwortungsvoll handeln
- einen gesellschaftlichen Mehrwert anstreben
Zu den B-Corp-zertifizierten Unternehmen zählen unter anderem Patagonia, Ecosia und Alpro.
Das Zertifikat sollte jedoch trotzdem nicht unkritisch betrachtet werden. Es kann nämlich sein, dass du eine B-Corp-zertifizierte Firma unterstützt, die jedoch einem umstrittenen Mutterkonzern angehört, den du damit indirekt auch förderst.
Fazit: Woke Washing ist kein Markenaktivismus
Abschließend lässt sich festhalten, dass ein Unternehmen mit jeder Form von Markenaktivismus – wenn auch ernstgemeint – schlussendlich Aufmerksamkeit für sich und seine Produkte oder Dienstleistungen schaffen will. Auch ernstgemeinte Kampagnen zielen dementsprechend auf eine Umsatzsteigerung ab.
Dennoch sind für Konsument:innen heutzutage zunehmend ökologische und gesellschaftliche Werte relevant. Ein Unternehmen muss in der Lage sein, diese Werte authentisch zu vertreten und glaubwürdig zu vermitteln. Ansonsten kommt es zum Woke-Washing-Vorwurf.
Übrigens: In anderen Kontexten betreiben Unternehmen häufig auch Green Washing, Blue Washing oder Pink Washing. Pink Washing (teilweise auch Rainbow Washing) bezieht sich auf die Solidarisierung mit der LGBTIQ-Community, Green Washing meint vermeintlich umweltfreundliches und grünes Marketing. Blue Washing bezieht sich auf soziales und ethisches Engagement. Die Grenzen zwischen den einzelnen Formen verschwimmen jedoch häufig, unter Social Washing werden sie zusammengefasst.
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