Vor über 25 Jahren kam das erste Fairtrade-gesiegelte Produkt in den Verkauf. Doch hilft der Kauf von fairen Produkten den Produzenten in den Anbauländern wirklich? Eine neue Studie hat genau das untersucht.
Die Idee der TransFair-Gründungsorganisationen: durch fairere Handelsbedingungen die Lebensbedingungen von Kleinbauern und Plantagenarbeitern verbessern und fair gehandelte Produkte breit verfügbar machen.
Was vor über 25 Jahren mit dem Fairtrade-Siegel für Schokolade anfing, ist mittlerweile auf 5.500 fair gesiegelte Produkte im Handel angewachsen. 73 Prozent dieser Produkte sind auch biozertifiziert. 2017 wurden deutschlandweit damit 1,33 Milliarden Euro umgesetzt – ein Anstieg von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2017 kamen über 500 neue Produkte mit Fairtrade-Siegel in Deutschland auf dem Markt.
Klimawandel bedroht die kleinbäuerliche Landwirtschaft
Doch mindern Konsumenten mit dem Kauf solcher Produkte wirklich die Armut der Produzenten von Kaffee, Kakao, Bananen und Baumwolle? Diese Frage stellen sich viele Käufer, die mit ihrem bewusstem Konsum reale Produktionsverhältnisse ändern wollen.
Das Centrum für Evaluation (Ceval) in Saarbrücken untersuchte bereits 2012 in einer breit angelegten Studie die Wirksamkeit von Fairtrade; unlängst wurde die Folgestudie „5 Jahre später – der Beitrag von Fairtrade auf die ländliche Entwicklung“ veröffentlicht. Darin untersucht das Ceval-Institut, was sich sechs Jahre nach der ersten Studie bei den bereits 2012 besuchten Produzenten-Organisationen in Afrika, Lateinamerika und Asien verändert hat.
Die aktuelle Studie zeigt, dass Fairtrade den Kleinbauern wichtige Entwicklungschancen ermöglicht: „Die Feldforschung zeigte, dass Fairtrade über Kontinente hinweg dazu beiträgt, die Widerstandskraft der Kleinbauern zu stärken. In Zeiten von Krisen und Klimawandel leistet der faire Handel einen entscheidenden Beitrag, wirtschaftlich marginalisierte Gruppen in ländlichen Regionen des Südens zu unterstützen“, sagt Tatjana Mauthofer, Ceval-Projektmanagerin.
Hier ein Auszug der Ergebnisse:
- Blumen aus Kenia: Die Löhne der Arbeiter auf Fairtrade-Blumenfarmen in Kenia sind gestiegen. Sie liegen sogar über dem nationalen Mindestlohn. Dennoch fällt es den Beschäftigten schwer, damit ihre Lebenshaltungskosten zu decken, weil Phänomene wie Gentrifizierung gleichzeitig die Lebenshaltungskosten steigen lassen. Die Bedeutung des Spar- und Kreditsystems der Fairtrade-Farm wurde laut Studie bestätigt.
- Kakao aus Ghana: Fairtrade-Bauern erzielten ein höheres Einkommen als ihre konventionellen Wettbewerber. Die Studie führt das zurück auf Produktivitätsverbesserungen und Einsparungen, die durch die Arbeit in Kooperativen möglich werden. Während illegale Kinderarbeit auf den Farmen vor fünf Jahren noch gang und gäbe war, sind heute keine Fälle mehr bekannt. Kinder arbeiten zwar weiterhin auf den Farmen, aber eben nur im Rahmen des Erlaubten.
- Bananen aus Peru: Fairtrade trägt laut Studie dazu bei, Fairtrade-Kooperativen zu stärkeren Institutionen zu machen, die mit Problemen wie Wetterphänomen besser umgehen können. Sie sind produktiver und die Stabilität der Einkommen der Mitarbeiter hat sich verbessert. Allerdings könnte der zunehmende Wettbewerb kleinere Produzenten in Zukunft gefährden. Und die verbesserte Ausbildung der Kinder sorgt dafür, dass diese wegziehen, was vor Ort nicht immer positiv wahrgenommen wird. Die Studie merkt darüberhinaus an, dass dort bereits Auswirkungen des Klimawandels zu verzeichnen sind, die starke Probleme bereiten.
- Baumwolle aus Indien: Die wirtschaftliche Situation der Fairtrade-Baumwollproduzenten hat sich in den letzten 5 Jahren stärker verbessert als in der Vergleichsgruppe. Die Fairtrade-zertifizierte Organisation hat von Beginn an Bio-Qualität produziert, was deren Mitgliedern höhere Preise ermöglicht, und sie unabhängig von genmanipuliertem Saatgut multinationaler Unternehmen macht. Konventionelle Produzenten klagten über Preisschwankungen; auch ist bei ihnen ausbeuterische Kinderarbeit während der Erntesaison üblich, bei Fairtrade nicht.
Details in der Studie Follow up Study – Assessing the Impact of Fairtrade on Poverty Reduction through Rural Development (PDF).
Rohstoff-Modell nun für fast alle Produkte
Nicht nur Lebensmittel und Getränke gibt es Fairtrade-zertifiziert, auch Textilien mit Fairtrade-Baumwolle gibt es zu kaufen. 2017 wurden laut Fairtrade 12 Millionen Einkaufstaschen, T-Shirts, Bettwäsche und Handtüchern mit fairer Baumwolle verkauft – damit wachse der Sektor um 45 Prozent.
Neben Markt- und Mindestpreisen erhalten die Fairtrade-Bauern zusätzlich Prämien, die sie in Gemeinschaftsprojekte investieren. 2017 erhielten sie laut Fairtrade über 25 Millionen Euro Prämien.
Seit 2012 gibt es zudem das Rohstoff-Modell für Kakao, Zucker und Baumwolle. Im Gegensatz zum klassischen Fairtrade-Siegel geht es zum Beispiel beim Kakao-Programm um fairen Rohstoffeinkauf und nicht um die Zusammensetzung und Zertifizierung einzelner Endprodukte wie einer Tafel Schokolade.
Seit Kurzem gibt es das Rohstoff-Modell von Fairtrade für alle Produkte bis auf Kaffee und Bananen. Somit gibt es nun auch fair gehandelte Rosen in Mischsträußen, fairen Reis in Fertiggerichten und faire Nüsse in Schokoladen – einzelne Zutaten sind fair gehandelt, ohne dass das ganze Produkt zu 100 Prozent „fair“ sein muss. Ein spezielles Fairtrade-Zutaten-Siegel auf diesen Produkten zeigt, dass nur die angegebene Zutat im jeweiligen Produkt Fairtrade-zertifiziert ist.
Utopia meint: Das Fairtrade-Siegel gilt als sehr vertrauenswürdig und steht für bessere soziale Bedingungen, verbietet ausbeuterische Kinderarbeit und den Einsatz einiger Chemikalien. Die neue Studie zeigt, dass Fairtrade besonders in Krisenzeiten und bei schlechten Ernten ein stabilisierender Partner der Bauern im globalen Süden ist. Aus der Studie läßt sich allerdings auch herauslesen, dass die Produzenten von Kakao, Kaffee und Bananen zunehmend durch den Klimawandel bedroht werden.
Weiterlesen auf Utopia.de:
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