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17 blockierte Rettungswagen, angebliche Polizeigewalt: Letzte Generation macht ernst

Die Letzte Generation macht ernst
Foto: Hannes Albert/dpa

Seit Montag will die Letzten Generation Berlin durch Straßenblockaden zum Stillstand bringen, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Die Zwischenbilanz nach einem Tag des Protests: blockierte Rettungswagen, Hunderte Festnahmen, angeblich Angriffe auf Aktivist:innen und Vorwürfe der Polizeigewalt.

Mitten im Berufsverkehr gegen 7.30 Uhr am Montagmorgen gab es die ersten Straßenblockaden der Klimagruppe Letzte Generation in Berlin. Wenig später waren es nach Angaben der Polizei bereits Dutzende. Was folgte war ein stundenlanges Katz- und Maus-Spiel auf Berlins Straßen. Die Demonstrant:innen versuchten, wie schon vor Tagen angekündigt, die Hauptstadt zum Stillstand zu bringen. Die Polizei tat alles, dies zu verhindern – mit bis zu 500 Einsatzkräften und einem Hubschrauber.

Die Klimaschutzgruppe Letzte Generation blockierte den Verkehr an mehr als 30 Stellen, etwa 200 Demonstrant:innen wurden festgenommen. Es kam zu teils stundenlangen Staus und Behinderungen, auch im Busverkehr. Auf der Stadtautobahn A100 wurde der Verkehr zeitweise lahmgelegt.

Durch die umfangreichen Straßenblockaden der Klimaschutz-Demonstrant:innen standen nach Angaben der Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auch 17 Rettungswagen im Stau. Die Feuerwehr erklärte auf Twitter: „In 7 Fällen waren unsere Einsatzkräfte auf dem Weg zum Notfallort.“

Aggressive Reaktionen

Etliche Autofahrer:innen reagierten wütend, einige sogar aggressiv. So versuchten einige etwa auf der A100, Aktivist:innen von der Straße zu zerren. Die Polizei appellierte erneut an Verkehrsteilnehmer:innen, nicht zur Selbstjustiz zu greifen, weil sie sich selbst strafbar machen würden. „Wir kommen und wir lösen die Situation“, betonte die Sprecherin.

Der Berliner Stressforscher Mazda Aldi erklärte in der „Berliner Zeitung“ , das Versperren des Weges löse bei Menschen enormen Stress aus. Der Ur-Instinkt der Verteidigung des Territoriums werde geweckt. So erkläre sich, dass einige Menschen völlig aus der Haut fahren. „Das sind Emotionen, die natürlich auch durch die Aktivisten eingeplant sind“, erklärte Mazda Aldi.

Laut Berliner Staatsanwaltschaft hat die Polizei bislang acht Vorfälle geprüft, bei denen Autofahrer:innen Klimademonstrant:innen angegriffen haben sollen. Bei der Staatsanwaltschaft seien davon bisher drei gelandet, zwei seien wegen unbekannter Täter:innen eingestellt worden.

Kam es zu Polizeigewalt?

Inwiefern das Verhalten von Polizist:innen angemessen war bei einer Aktion von Klimademonstrant:innen ist ebenfalls Gegenstand von Ermittlungen. Aufgrund eines im Internet kursierenden Videos werde der Verdacht der Körperverletzung im Amt geprüft, sagte die Polizeisprecherin. Eine entsprechende Strafanzeige sei von Amts wegen eingeleitet worden gegen die betroffenen Einsatzkräfte.

Der Videomitschnitt wurde bei Twitter verbreitet. Die Letzte Generation teilte es ebenfalls, zunächst ohne eigenen Kommentar. Im Video ist zu sehen, wie ein Polizist einen Demonstrant an Hals und Kinn nach oben zieht. Nach einem Schnitt ist zu sehen, wie zwei Polizisten versuchen, den Mann von der Straße zu bringen. Sie wenden dabei Griffe an, in deren Folge der Aktivist laut aufschreit.

Die Letzte Generation kritisierte in einer Zwischenbilanz des Tages: Neben der „sehr professionellen Polizeiarbeit heute“ sei es auch wieder „zu absichtlicher Zufügung von Schmerzen“ gekommen.

Die Gruppe ist seit vergangenen Mittwoch wieder verstärkt in Berlin aktiv. Die Aktionen am Montag beurteilte sie so: „Unsere höchsten Erwartungen wurden deutlich übertroffen! An 27 Verkehrsknotenpunkten in Berlin kam es heute zu Protesten, drei Mal so viele wie noch im letzten Herbst.“

Was die Letzte Generation fordert

Die Gruppe beklagt fehlenden Klimaschutz und verlangt die Einsetzung eines Gesellschaftsrats mit gelosten Mitgliedern. Sie fordert von der Politik einen Plan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels, mit dem die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden sollen.

„Wir nehmen nicht mehr hin, dass diese Regierung sich nicht an unsere Verfassung hält. Wir nehmen nicht länger hin, dass die Regierung keinen Plan hat, wie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gestoppt werden kann. Wir leisten jetzt Widerstand!“, erklärte die Gruppe.

Die Gruppe Scientist Rebellion solidarisierte sich. An den Straßenblockaden seien etwa 40 Mitglieder weiterer Klimagruppen beteiligt. Unterstützung sicherten auch die Partei Klimaliste Berlin sowie Wissenschaftler:innen der Initiative „Handeln statt Kriminalisieren“.

In der Politik machen sich die Aktivist:innen hingegen wenig Freunde. Die Bundesregierung kritisierte die verstärkten Aktionen. „Wir unterstützen solche Protestformen selbstverständlich nicht“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Diese Bundesregierung habe so viel für den Klimaschutz getan wie keine Regierung vor ihr. „Solche massiven Störungen der öffentlichen Ordnung (…), da habe ich meinen Zweifel, ob das der Sache dient.“ Auch Grünen-Chef Omid Nouripour ging erneut auf Distanz. Scharfe Kritik an „Guerrilla-Aktionen“ kam abermals von der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

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