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Resistenz-Hotspots: Forschende besorgt über Antibiotika-Rückstände in Gewässern

Antibiotika-Resistenzen stellen ein großes Problem dar
Foto: Armin Weigel/dpa

Antibiotika-Resistenzen sind ein drängendes Problem. Wissenschaftler:innen haben viele Daten ausgewertet und sind auf Resistenz-Hotspots gestoßen. Inzwischen gehören Resistenzen zu den häufigsten Ursachen für Todesfälle weltweit.

Antibiotika-Rückstände in Gewässern von Schwellenländern stellen eine große Herausforderung dar. In Indien, China und vielen weiteren Ländern dieses Gebiets sorgten sie für potenzielle Resistenz-Hotspots, berichtet ein Wissenschaftsteam in einer Übersichtsarbeit. Abwässer und Kläranlagen scheinen demnach Hauptquellen für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen in diesen Regionen zu sein.

„Diese Datenerhebung hilft uns, eine Vorstellung davon zu bekommen, ob es in verschiedenen Gewässern Asiens eine hohe selektive Konzentration von Antibiotika gibt oder nicht. Und die Antwort lautet: Ja, die gibt es“, teilte Thomas Van Boeckel, Dozent für Gesundheitsgeografie an der Universität Göteborg, mit. Er war selbst nicht an der im Fachjournal The Lancet Planetary Health vorgestellten Studie beteiligt.

Arzneimittelresistente Erreger sollen sich weltweit verbreitet haben – Antibiotika gelangen in Gewässer

Dass sich Resistenzen etwa aus China oder Indien bis nach Europa verbreiten, hält Van Boeckel grundsätzlich für möglich: „Es gibt zahlreiche Arbeiten, die zeigen, dass sich viele arzneimittelresistente Erreger weltweit verbreitet haben.“

Antibiotika können aus Abwässern und Abfällen etwa von Kommunen, Krankenhäusern und Pharmafirmen in Flüsse, Seen, Meere und Grundwasser gelangen. Mit solchen Medikamenten behandelte Menschen und Tiere scheiden einen erheblichen Teil der Substanzen in biologisch aktiver Form über Urin und Fäkalien aus. Im Gebiet der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierten Westpazifischen (WPR, einschließlich China) und Südostasiatischen Region (SEAR, einschließlich Indien) gelangen etwa 80 bis 90 Prozent des Abwassers ungeklärt in Gewässer, wie es in der Analyse heißt.

Resistenzen als eine der häufigsten Ursachen für Todesfälle

China und Indien gehören demnach zu den weltweit größten Produzenten und Verbrauchern von Antibiotika. Resistenzen gegen solche Mittel gehören jedoch inzwischen zu den häufigsten Ursachen für Todesfälle weltweit. Mit mehr Antibiotika-Rückständen in der Umwelt steigt die Gefahr für die Entstehung weiterer dagegen resistenter Erreger und neuer Resistenzwege. Bakterien verschiedener Arten können Resistenzmechanismen untereinander weitergeben, resistente Erreger aus der Umwelt in Mensch und Tier gelangen. Das kann die Zahl der Fälle steigen lassen, in denen Infektionen nicht mehr erfolgreich behandelt werden können.

Besorgniserregend sei der Eintrag in die Umwelt von WPR- und SEAR-Ländern auch deshalb, da dort viele Menschen Wasser etwa aus Flüssen und Seen direkt zum Waschen und als Trinkwasser nutzten, erläutern die Forschenden um Nada Hanna vom Karolinska Institut in Stockholm. Das Team wertete 240 Analysen zur Situation in Ländern der beiden WHO-Regionen aus. Zudem ermittelten sie mit einer speziellen Methode, wo die Konzentration von Antibiotika so hoch liegt, dass sie wahrscheinlich zur Bildung von Antibiotikaresistenzen beiträgt.

Hohe Risiken insbesondere für Abwässer und Kläranlagen

Solche Werte wurden demnach in Abwässern, Zu- und Abflüssen von Kläranlagen und in aufnehmenden Gewässern gemessen. Hohe Risiken hätten sich vor allem für Abwässer und Kläranlagen ergeben – sie seien Hotspots für die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen in diesen Regionen. Das höchste Risiko bei Leitungs- oder Trinkwasser für die Entwicklung von Resistenzen bestand der Forschergruppe zufolge für das Antibiotikum Ciprofloxacin in China und anderen Ländern der Westpazifischen Region. Ciprofloxacin ist ein sogenanntes Breitbandantibiotikum, das gegen zahlreiche Bakterien eingesetzt werden kann – allerdings allein schon wegen seiner potenziell starken Nebenwirkungen zurückhaltend eingesetzt werden soll.

Insgesamt wurden in Gewässern nach den Ergebnissen der Übersichtsarbeit in Ländern der West-Pazifik-Region 92 und in Ländern Südostasiens 45 verschiedene Human- und Veterinärantibiotika nachgewiesen. Für viele Länder der beiden Regionen fehlten aber noch Daten über das Vorkommen von Antibiotika in der Umwelt, geben die Autor:innen einschränkend zu bedenken.

Laxer Umgang sei problematisch

Unnötige und falsche Anwendungen so weit wie möglich zu vermeiden, gilt als wichtige Maßnahme gegen die Ausbreitung von Resistenzen. Dass der Umgang mit Antibiotika gerade in Schwellenländern oft laxer ist als gut wäre, haben Untersuchungen schon mehrfach gezeigt. Nach einer im Fachjournal Antimicrobial Resistance and Infection Control vorgestellten Erhebung aus dem Jahr 2020 konnten Antibiotika etwa in China 2019 noch in mehr als 80 Prozent von gut 1100 einbezogenen Apotheken ohne Rezept gekauft werden. Ein Viertel dieser Apotheken gaben schon Antibiotika heraus, wenn nur milde Symptome einer Atemwegserkrankung beschrieben wurden. Rund die Hälfte verkaufte sie, wenn ausdrücklich danach gefragt wurde.

Die WHO schätzt, dass inzwischen jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen sterben, weil Antibiotika bei ihren Infektionen nicht anschlagen. Die EU-Gesundheitsbehörde ECDC hatte Ende 2022 berichtet, dass im Europäischen Wirtschaftsraum jährlich mehr als 35 000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen sterben. In Deutschland sterben nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) jährlich etwa 2500 Menschen allein durch multiresistente Erreger, also solche, die gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig resistent sind. Hinzu kommen Tausende Todesfälle im Zuge von Einzelresistenzen.

Was kennzeichnet eine Antibiotika-Resistenz?

Von Antibiotika-Resistenz sprechen Expert:innen, wenn Patient:innen auf ein Antibiotikum nicht reagieren, das heißt, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum nicht vernichtet werden. Multiresistent werden Erreger genannt, gegen die gleich mehrere oder alle verfügbaren Antibiotika nicht mehr wirken.

Im Fachblatt Science Translational Medicine warnten Michael Cook und Gerard Wright von der kanadischen McMaster University 2022 vor einem drohenden „postantibiotischen Zeitalter“. Manche Infektionen, die früher routinemäßig mit noch im 20. Jahrhundert entdeckten Arzneien kuriert wurden, ließen sich dann nicht mehr behandeln.

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