Die globale Ernährungssicherheit ist zurzeit besonders gefährdet. Grund sind neben Kriegen vor allem die Folgen der Klimakrise und der Biodiversitätsverlust. Was du tun kannst, um die Lage zu verbessern, erfährst du hier.
Weltweit hungern 800 Millionen Menschen – obwohl genügend Essen für alle da wäre. Die Situation spitzt sich aufgrund von Krieg, Sars-CoV-2 und des Klimawandels zu. So warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor einer „beispiellosen Welle von Hunger und Elend“, wenn es die Weltgemeinschaft nicht zeitnah schaffe, globale Ernährungssicherheit herzustellen.
Ernährungssicherheit bedeutet, dass Menschen sich ausreichender und qualitativ guter Ernährung sicher sein können. Doch nicht nur die Menge und Qualität der vorhandenen Nahrung spielen eine Rolle, sondern auch ihre Verteilung sowie ihr Nutzen. Dafür ist eine nachhaltige Landwirtschaft eine wichtige Voraussetzung.
Was bedeutet Ernährungssicherheit?
Ernährungssicherheit bedeutet mehr, als dass genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) baut Ernährungssicherheit auf vier Säulen auf.
1. Verfügbarkeit
Ob weltweit genug Nahrung verfügbar ist, wird häufig anhand von Nahrungsmengen (beispielsweise Tonnen Getreide) oder anhand von Kalorien als Maß der in der Nahrung enthaltenen Energie bestimmt. Ausgangspunkt dieser Abschätzung ist die pflanzliche Primärproduktion – das heißt, die von Pflanzen erzeugte nutzbare Biomasse.
Ein Problem, das die Ernährungssicherheit momentan gefährdet, sind die sogenannten Veredelungsverluste. Damit sind Verluste entlang der Kette zwischen der pflanzlichen Primärproduktion und dem menschlichen Verzehr gemeint. Solche Veredelungsverluste treten auf, wenn die Biomasse (beispielsweise Getreide) nicht direkt auf dem Teller der Menschen landet, sondern als Futtermittel für Nutztiere dient, damit diese Fleisch, Milch oder Eier produzieren können. So erfordert die Produktion eines Kilogramms Rindfleisch etwa zehn Kilogramm Getreide.
Weitere Verluste können auftreten, wenn Nahrungsmittel aufgrund schlechter Lager- und Transportbedingungen bereits vor Verkauf verderben – oder durch Lebensmittelverschwendung.
2. Zugang
Auch in Ländern mit genügend Nahrungsmitteln kann es zu chronischer Unterernährung und plötzlichen Hungerkrisen kommen. Das passiert, wenn die Möglichkeiten des individuellen Zugangs zu Nahrung begrenzt sind. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, um an Nahrung zu kommen: Lebensmittel selbst zu produzieren, sie zu kaufen oder sie mittels eines Transfereinkommens zu beziehen. Zur letzten Kategorie gehören Zahlungen sowie zugeteilte Lebensmittel innerhalb der Familie, Renten und Transferleistungen aus staatlichen Sozialprogrammen.
Ernährungssicherheit ist nur gewährleistet, wenn Menschen mithilfe einer Kombination aus diesen Zugangsmöglichkeiten genug Nahrung bekommen können. Krisen wie Inflation und Arbeitslosigkeit können die Zugangsmöglichkeiten beschränken.
3. Nutzen
Auch wenn genug Nahrung da ist und jede:r Zugang dazu hat – Ernährungssicherheit bedeutet darüber hinaus, dass die genutzten Lebensmittel den Körper optimal mit Energie und Nährstoffen versorgen können. Somit ist Ernährungssicherheit nur gewährleistet, wenn die Nahrung eine gesunde Ernährungsweise ermöglicht, die Unterernährung, Mangelernährung, aber auch Überversorgung vorbeugt.
4. Stabilität
Ernährungsdefizite können bereits eintreten, wenn es nur kurzfristig keinen Zugang zu Nahrungsmitteln gibt. Daher ist Stabilität so wichtig für die globale Ernährungssicherheit. Doch diese ist durch diverse Risiken bedroht – aktuell besonders.
Globale Ernährungssicherheit: Das sind die aktuellen Bedrohungen
Um die globale Ernährungssicherheit ist es zurzeit nicht gut bestellt. Im Jahr 2021 waren dem Welthunger-Index 2021 (WHI) zufolge bis zu 828 Millionen Menschen von chronischem Hunger betroffen und 193 Millionen Menschen erlebten eine akute Ernährungskrise. Der WHI spricht daher von einer „besorgniserregenden Hungersituation“. Ursache sei das „verheerende Wirkungsgefüge von Klimakrise, Coronapandemie und immer schwereren und langwierigeren Konflikten“. Es habe zu Rückschlägen in der Hungerbekämpfung geführt.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine wirkt als weiterer Treiber dieser dramatischen Entwicklung. Wie das BMZ berichtet, leiden nach neuesten Zahlen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) aktuell 345 Millionen Menschen in 82 Ländern akut Hunger. Das sei ein Anstieg um 200 Millionen Menschen innerhalb von nur zwei Jahren. Die bpb beurteilt die Situation daher als eine „globale Ernährungskrise, deren Schwere bisher nur grob abschätzbar ist“.
Diese Krisen bedrohen die globale Ernährungssicherheit besonders:
- Krieg: Laut dem BMZ produzierten die Ukraine und Russland bisher rund 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte und 20 Prozent der Maisexporte. Viele Länder Afrikas und des Nahen Ostens sind auf diese Lieferungen angewiesen. Doch aufgrund des Krieges bleiben sie größtenteils aus. Dies liegt nicht nur daran, dass ukrainische Bäuer:innen zurzeit weniger produzieren können, entweder weil sie auf der Flucht sind oder weil ihre Felder zerstört wurden. Auch Hafenblockaden und zerstörte Infrastrukturen verhindern den Transport der Lebensmittel. Zudem tragen weltweit andere Kriege und Konflikte maßgeblich zur Gefährdung der globalen Ernährungssicherheit bei. So lebt dem WHI zufolge mehr als die Hälfte der unterernährten Menschen in Ländern, in denen Konflikte und Gewalt herrschen oder die von fragiler Staatlichkeit betroffen sind.
- Klimakrise: Auch die Folgen der Klimakrise verschärfen die globale Ernährungsunsicherheit. Steigende Temperaturen begünstigen langanhaltende Dürren, veränderte Niederschlagsmuster und häufigere Extremwetterereignisse vernichten die Ernten. Diese Konsequenzen werden insbesondere Afrika und Asien treffen. Oxfam führt in einem Report Studien an, laut denen die Ernteerträge in Afrika bis 2050 um zehn bis 20 Prozent schwinden werden. Einige Regionen Asiens müssen sich im Vergleich zum Jahr 2000 auf eine um die Hälfte reduzierte Weizenernte einstellen.
- Verlust der Biodiversität: Gerade einmal ein Bruchteil der auf der Erde lebenden Tieren und Pflanzen, die dem Menschen als Nahrung dienen könnten, wird tatsächlich landwirtschaftlich genutzt. Die Weltbevölkerung ist beispielsweise zur Deckung der Hälfte ihres Energiebedarfs alleine auf Weizen, Mais und Reis angewiesen. Damit ausreichende Mengen dieser Nahrungsmittel produziert werden können, werden andere Pflanzen verdrängt. Problematisch ist dabei, dass damit auch das Nahrungsangebot für die vielen Insekten schwindet, die für die Bestäubung unserer wichtigsten Nutzpflanzen unerlässlich sind. Das treibt das Artensterben und somit den Verlust an Biodiversität an, der wiederum die Ernährungssicherheit gefährdet.
- Coronapandemie: Die Pandemie hat gezeigt, wie fragil die globalen Nahrungsmittelversorgungsketten sind. Maßnahmen zur Bekämpfung und Eindämmung von Covid-19-Ausbrüchen führten zu Grenzbeschränkungen und Ausgangssperren, wodurch sich weltweit Ernten verzögerten und der Lebensmitteltransport eingeschränkt war. Auch sorgten schwere Ausbrüche, beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben, zu Ausfällen in der Lebensmittelproduktion.
Wie lässt sich globale Ernährungssicherheit herstellen?
Bereits im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung unternimmt die Staatengemeinschaft Anstrengungen zum Erreichen der globalen Ernährungssicherheit. Sie hat sich als Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2030 kein Mensch mehr an Hunger, Mangelernährung oder einer anderen Form von Fehlernährung leiden soll. Dazu will sie unter anderen eine nachhaltige Landwirtschaft fördern, die Böden und Umwelt schont, sodass die langfristige Versorgung der Menschen gewährleistet ist. Beispielsweise arbeitet die deutsche Bundesregierung daran, die ökologisch bewirtschaftete Fläche auf 20 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Gesamtfläche auszuweiten.
Die aktuellen Krisen gefährden die Ziele der Agenda 2030 jedoch. Angesichts der besorgniserregenden Lage haben die G7-Entwicklungsminister:innen daher im Mai 2022 ein Bündnis für globale Ernährungssicherheit gebildet. Dieses will sowohl kurzfristige Nothilfe leisten als auch langfristige Maßnahmen ergreifen, um globale Ernährungssicherheit zu erreichen. Auch hierbei ist es laut dem Bündnis ein Kernanliegen, dass die globalen Agrar- und Ernährungssystem langfristig „hin zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit“ umgestaltet werden, beispielsweise durch die Förderung der Agrobiodiversität.
Auch du selbst kannst einen Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten:
- Kaufe Lebensmittel in Bio-Qualität, um eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft zu unterstützen.
- Ziehe regionale und saisonale Lebensmittel vor, um deinen CO2-Fußabdruck im Bereich der Ernährung zu minimieren. So schonst du das Klima. Welche Lebensmittel gerade Saison haben, erfährst du in unserem Saisonkalender.
- Vermeide Lebensmittelverschwendung. Tipps dazu findest du in diesem Artikel: Lebensmittelverschwendung: 10 Tipps für weniger Essen im Müll.
- Fördere die Artenvielfalt, indem du beispielsweise einen insektenfreundlichen Garten anlegst oder dich für den Erhalt von Streuobstwiesen einsetzt.
- Pflanze in deinem Garten selbst alte Gemüsesorte wie alte Apfelsorten und alte Tomatensorten an. Sie tragen zum Erhalt der Sortenvielfalt bei und benötigen aufgrund ihrer Widerstandsfähigkeit keine umweltschädlichen Pestizide.
- Steige auf eine vegetarische oder vegane Ernährung um, die weniger Ressourcen verbraucht. So kannst du auch deinen Biodiversitäts-Fußabdruck verbessern.
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