Unser Geld und unser Konsum müssen nachhaltiger werden, ja klar – aber wie genau? „Grüne“ Kreditkarten scheinen da eine ideale Verbindung von „Shoppen und Weltretten“ darzustellen. Ganz so einfach ist das aber nicht. Wir erklären, wieso.
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Das Thema Nachhaltigkeit ist längst raus aus der Nische, das Bewusstsein vieler Konsument:innen hat sich zu echtem Interesse gewandelt und auch beim Thema Finanzen werben viele Banken und andere Dienstleister mittlerweile mit grünen Eigenschaften. Doch nicht jedes Nachhaltigkeits-Versprechen ist gleich viel wert. Manchmal versteckt sich dahinter nur Greenwashing oder Mini-Maßnahmen werden als großer Wurf verkauft.
Gerade bei komplizierten, undurchsichtigen „Produkten“ wie eben Kreditkarten fällt der grüne Anstrich leicht, wissen doch die wenigsten Konsument:innen im Detail, welche Nachhaltigkeitsmaßnahmen wirklich sinnvoll sind. Deswegen müssen Finanzprodukte nicht gleich unter Generalverdacht stehen – aber man sollte genau hinschauen.
Grüne Kreditkarten: Was soll das überhaupt sein?
Leider gibt es kein Siegel, dass „nachhaltige“ oder „grüne“ Kreditkarte eindeutig kennzeichnet. Dann bräuchte es diesen Artikel nicht. Stattdessen gibt es unterschiedliche Perspektiven, die Nachhaltigkeit einer solchen Karte einzuordnen. Hier ein paar Eigenschaften, mit denen Banken ihre Produkte gerne mal bewerben – jeweils samt Bewertung:
1. Die Kreditkarte ist zu einem gewissen Teil aus Holz, vielleicht auch Metall – jedenfalls nicht aus Plastik.
Ja, klingt irgendwie nachhaltig, immerhin waren laut der Europäischen Zentralbank im zweiten Halbjahr 2023 über 700 Millionen Zahlungskarten (Debit- und Kreditkarten) im Euroraum im Umlauf. Bei circa 5 Gramm pro Karte sind das etwa 3.500 Tonnen Plastik (plus Elektroschrott-Chip).
Es wäre also schon nett, wenn diese Karten irgendwie aus einem anderen Material wären als aus Kunststoff. Aber eben nur nett: Denn der oder die Einzelne verändert auf diese Weise nur etwa 10 Gramm Plastik (5 Gramm mal 2 Karten pro Durchschnittsperson) von 38 Kilo (jährlich, laut Plastikatlas 2019, pro deutscher Person). Da geht mehr, in anderen Bereichen. Zumal man seine Kreditkarte nicht jedes Jahr wechselt, der „Plastikabdruck“ also eher 2 Gramm betragen dürfte (ergibt 10 Gramm verteilt auf 5 Jahre).
Beispiele: Die Holzkarte, die zum „Zero“-Konto der Banking-App Tomorrow gehört, ist aus Kirschholz aus Österreich. In Zusammenarbeit mit dem Suchmaschinenanbieter Ecosia gibt auch das Fintech Treecard eine Holzkarte heraus. Treecard gibt an, aus einem Kirschbaum 300.000 Karten produzieren zu können.
Utopia meint: Der Impact der Holzkarte: 10 Gramm von 38 Kilo Plastik, ergo etwa 0,01 Prozent. Ja klar, jeder Schritt zählt. Aber wahr ist auch: Nur deswegen braucht niemand die Kreditkarte zu wechseln.
2. Die Kreditkarte pflanzt oder schützt Bäume oder Wälder für einen Betrag X im Monat/Jahr/pro Transaktion/abgebuchtem Betrag/etc.
Ja, das klingt schon nachhaltiger. Denn wir brauchen Bäume und Wälder, und das nicht nur, weil diese CO2 binden. Es ist also gut, wenn in Verbindung mit der grünen Kreditkarte „irgendwie irgendwas mit Pflanzen“ passiert.
Doch das „Aber“, das an dieser Stelle kommt, hat mehrere Facetten.
- Emissionen erst nachträglich durch Baum- und Waldprojekte zu kompensieren – denn darum geht es im Kern –, ist immer nur zweite Wahl; besser wäre es, wenn diese Emissionen gar nicht erst entstünden.
- Solche Systeme erwecken den Eindruck, Kunden wären umso grüner, je öfter sie die Kreditkarte nutzen. Doch dann konsumieren sie ja auch umso mehr – und erzeugen daher umso mehr Emissionen, ein typisches Beispiel für einen Rebound-Effekt.
- Anfang 2023 kam eine Recherche der Zeit zu einem enttäuschenden Ergebnis: Etwa 90 Prozent der Regenwald-Kompensationsgutschriften des weltweit führenden Zertifizierers Verra seien demnach „Phantomgutschriften“, die kaum etwas dazu beitrügen, die CO2-Emissionen zu kompensieren.
Utopia meint: Bäume für das Klima zu pflanzen ist sinnvoll, wenn man es richtig macht. Doch der klimapositive Impact „grüner Kreditkarten“ muss aufgrund des Rebound-Effekts (Nachhaltigkeits-Versprechen regen zu noch mehr Konsum an) und undurchsichtiger Kompensationsprojekte arg bezweifelt werden. Besser ist es, selbst möglichst wenige Treibhausgase zu emittieren, und seriöse Klimaschutzprojekte zu unterstützen.
Vorschlag: Mit einer direkten Spende an eine empfehlenswerte Baumpflanz-Organisation entscheidest du selbst, was wo gepflanzt wird – und musst nicht hinnehmen, was die Kreditkarte dir vorsetzt. Und: Parallel kannst du dich unabhängig vom Baumpflanzen für eine echte Ökobank entscheiden, eine, die mehr bietet als Baumpflanz-Marketing.
Besser: Die Kreditkarte ist Teil eines Kontos bei einer nachhaltigen Bank.
Ja, das klingt irgendwie am nachhaltigsten, oder? Denn auch wenn die Kreditkarte da meist aus Plastik besteht, so widmet sich eben der ganze Rest einer echten Ökobank ausschließlich dem Thema nachhaltiges Geld. Lies dazu auch unseren Beitrag zu ethischen Banken und beachte unsere Utopia-Bestenliste zu Ökobanken mit strengen Kriterien.
Utopia meint: Ein Konto bei einer nachhaltigen Bank – ob mit oder ohne Kreditkarte – ist das Sinnvollste, was du für die Nachhaltigkeit deiner Finanzen tun kannst.
Übrigens: Nicht nur die Bank entscheidet darüber, wie „grün“ deine Kreditkarte ist, es hängt auch vom Zahlungsabwickler ab, also Mastercard, Visa, American Express etc. Bislang gibt es leider unter allen etablierten Anbietern keine nachhaltigen Firmen. Umso wichtiger ist es, dass zumindest die Bank, bei der du die Kreditkarte hast, eine nachhaltige Bank ist.
Nachhaltige Kreditkarten: ganz konkret
Der einfachste Weg zur besseren Kreditkarte ist also: Bank wechseln zu einem nachhaltigen Anbieter mit grünem Girokonto:
Folgende Angebote gibt es bei Ökobanken:
- Mastercard oder Mastercard Gold der Ethikbank
- Mastercard der Triodos Bank
- Mastercard oder Mastercard Gold der GLS Bank
- Mastercard oder Mastercard Gold der Pax-Bank
Einige Banken, die nicht ausdrücklich nachhaltig arbeiten, sowie einige Fintech-Startups versuchen inzwischen aber auch, „grüne“ Kreditkarten als eigenständige Finanzprodukte an Kund:innen zu bringen. Hier einige Beispiele (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Das Fintech bunq verspricht bei der bunq EasyGreen Mastercard, pro 100 Euro Zahlungen über die Karte einen Baum zu spenden. Die Karte selbst besteht aus Metall.
- Die Hanseatic Bank gibt ebenfalls an, pro 100 Euro Zahlung mit der Visa Kreditkarte Awa7 einen Baum zu pflanzen..
- Die Stadtsparkasse Saarbrücken bietet eine Grüne Kreditkarte als Mastercard. Diese kostet zwar 5 Euro zusätzlich pro Jahr. Die Sparkasse verdoppelt den Betrag jedoch auf 10 Euro und steckt diese in „ausgewählte nachhaltiges Projekte“.
- Das Fintech Tomorrow bietet eine Debitkarte aus Holz, die online teils kreditkartenähnlich nutzbar ist, und renaturiert pro 10 Euro Zahlungsverkehr 1 Schubkarre Ökosystem in Südafrika. Da es sich um eine Debitkarte handelt, kann es bei Zahlungen im Ausland jedoch zu Problemen kommen, zum Beispiel akzeptieren Hotels und Autovermietungen teilweise nur echte Kreditkarten.
- Zusammen mit dem Fintech Treecard gibt Ecosia eine Holzkarte (Mastercard) heraus, mit der pro 60 Euro Kartenzahlung ein Baum gepflanzt wird. Auch hier handelt es sich allerdings um eine Debitkarte und nicht um eine Kreditkarte.
Utopia meint: Grüne Kreditkarten? Knifflig. Prinzipiell sind die Angebote nicht abzulehnen und Anbieter wie die Stadtsparkasse Saarbrücken meinen es sicher nur gut. Auch würde die Welt ja nicht besser, wenn solche Banken ihre Angebote abschaffen würden – es würde dann nur weniger Geld in Klima- und Umweltschutz-Projekte fließen.
Und doch bleibt immer ein Nachgeschmack: Dass man X kauft und mit einem Prozentsatz des Preises „Gutes tut“, ist eben in vielen Fällen vor allem ein Marketing-Instrument. Wichtiger ist, dass die Bank auch bei ihrer Kreditvergabe und Investitionen nachhaltige Kriterien ernst nimmt.
Kurzum: Grün ist deine Kreditkarte vor allem dann, wenn du dein Konto bei einer nachhaltigen Bank hast. Holzkarten und Baumpflanzaktionen sind zwar „Nice-to-have“, haben aber einen vergleichsweise kleinen Impact.
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