Unser Geld und unser Konsum müssen nachhaltiger werden, ja klar – aber wie genau? „Grüne“ Kreditkarten scheinen da eine ideale Verbindung von „Shoppen und Weltretten“ darzustellen. Ganz so einfach ist das aber nicht. Wir erklären, wieso.
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In Sachen Nachhaltigkeit befinden wir uns in einer spannenden Übergangsphase: Das Thema ist längst raus aus der Nische, das Bewusstsein vieler Konsument:innen hat sich zu echtem Interesse gewandelt. Auch die Unternehmen horchen auf und bilden Expertise – soweit ist alles auf dem Weg zum Besseren (siehe auch die Utopia-Studie 2022).
Aber ach: Natürlich beginnt nun auch die Zeit der Produkte, auf die „Nachhaltigkeit“ bloß als nachträglich als grünes Gimmick aufgeklebt wird, um sie grüner erscheinen zu lassen.
Und bei einigen Produktkategorien fällt es besonders leicht, via Marketing etwas grüne Farbe aufzutragen: Zum Beispiel bei komplizierten oder undurchsichtigen, weil abstrakten „Produkten“ – wie eben Kreditkarten. Deswegen müssen Finanzprodukte nicht gleich unter Generalverdacht stehen – aber wir sollten genau hinschauen.
Grüne Kreditkarten: Was soll das überhaupt sein?
Es gibt keine rechtlich oder anderweitig verbindliche Definition dessen, was eine „nachhaltige“ oder „grüne“ Kreditkarte sein könnte. Hier ein paar Eigenschaften, mit denen Banken ihre Produkte gerne mal bewerben – jeweils samt Bewertung:
1. Die Kreditkarte ist zu einem gewissen Teil aus Holz, vielleicht auch Metall – jedenfalls nicht aus Plastik.
Ja, klingt irgendwie nachhaltig, immerhin waren 2020 fast 159 Millionen Zahlungskarten (Debit- und Kreditkarten) im Umlauf (BBk), bei ca. 5 Gramm pro Karte sind das etwa 795 Tonnen Plastik (plus Elektroschrott-Chip).
Es wäre also schon nett, wenn diese Karten irgendwie aus einem anderen Material wären als aus Kunststoff. Aber eben nur nett: Denn der oder die Einzelne verändert auf diese Weise nur ca. 10 Gramm Plastik (5 Gramm mal 2 Karten pro Durchschnittsperson) von 38 Kilo (jährlich, laut Plastikatlas 2019, pro deutscher Person). Da geht mehr, in anderen Bereichen. Zumal man seine Kreditkarte nicht jedes Jahr wechselt, der „Plastikabdruck“ also eher 2 Gramm betragen dürfte (= 10 Gramm verteilt auf 5 Jahre).
Beispiele: Die Holzkarte, die zur Girokonto-App Tomorrow Zero gehört, ist aus Kirschholz aus Österreich. Zusammen mit dem Fintech Treecard gibt Ecosia eine Holzkarte heraus. Bei Treecard gibt man übrigens an, aus einem Kirschbaum 300.000 Kreditkarten produzieren zu können. Es wird laut Firma auch Recyclingplastik verwendet.
Utopia meint: Der Impact der Holzkarte: 10 Gramm von 38 Kilo Plastik, ergo etwa 0,01 Prozent. Ja klar, jeder Schritt zählt. Aber wahr ist auch: Nur deswegen braucht niemand die Kreditkarte zu wechseln. Wenn Kund:innen aber nur wegen der hippen Holzkarte zu einem nachhaltigen Finanzdienstleister wechseln, dann hat am Ende auch das Kärtchen viel bewegt.
2. Die Kreditkarte pflanzt oder schützt Bäume oder Wälder für einen Betrag X im Monat/Jahr/pro Transaktion/abgebuchtem Betrag/etc.
Ja, das klingt schon nachhaltiger. Denn wir brauchen Bäume und Wälder, und das nicht nur, weil diese CO2 binden. Es ist also gut, wenn in Verbindung mit der grünen Kreditkarte „irgendwie irgendwas mit Pflanzen“ passiert.
Doch das „Aber“, das an dieser Stelle kommt, hat mehrere Facetten.
- Emissionen erst nachträglich durch Baum- und Waldprojekte zu kompensieren – denn darum geht es im Kern –, ist immer nur zweite Wahl; besser wäre es, wenn diese Emissionen gar nicht erst entstünden.
- Solche Systeme erwecken den Eindruck, Kunden wären umso grüner, je öfter sie die Kreditkarte nutzen. Doch dann konsumieren sie ja auch umso mehr – und erzeugen daher umso mehr Emissionen.
Utopia meint: Bäume für das Klima zu pflanzen ist zweifellos sinnvoll, wenn man es richtig macht. Der Impact bei „nachhaltigen“ Kreditkarten ist am Ende aber abhängig vom individuellen Konsum – und davon, wie und wo die Bäume gepflanzt werden. Das System „grüne Kreditkarte, die Bäume pflanzt“ ergibt also nur Sinn, wenn beispielsweise der klimapositive Impact der „grünen Kartenfunktion“ den klimanegativen des Konsums übersteigt – was derzeit bezweifelt werden darf.
Vorschlag: Mit einer direkten Spende an eine empfehlenswerte Baumpflanz-Organisation entscheidest du selbst, was wo gepflanzt wird – und musst nicht hinnehmen, was die Kreditkarte dir vorsetzt. Und: Parallel kannst du dich unabhängig vom Baumpflanzen für eine echte Ökobank entscheiden, eine, die mehr bietet als Baumpflanz-Marketing.
3. Die Kreditkarte ist Teil eines Kontos bei einer Ökobank.
Ja, das klingt irgendwie am Nachhaltigsten, oder? Denn auch wenn die Kreditkarte da meist aus Plastik besteht, so widmet sich eben der ganze Rest einer echten Ökobank ausschließlich dem Thema nachhaltiges Geld. Lies dazu auch unseren Beitrag zu ethischen Banken und beachte unsere Utopia-Bestenliste zu Ökobanken mit strengen Kriterien.
Natürlich gibt’s auch hier ein „Aber“: Das Konto bei einer solchen Bank ist meist nicht umsonst. Auch die Kreditkarte (aus Plastik) kostet hier meist extra. Dafür ist dann auch dein Girokonto grün, und wenn du größere Geldmengen nachhaltig investieren willst, bist du auch schon an der richtigen Adresse.
Utopia meint: Ein Konto bei einer Ökobank – samt Kreditkarte – ist das Sinnvollste und Nachhaltigste, was du für den finanziellen Impact deines Tagesgelds tun kannst.
Auffällig ist übrigens, dass keine der echten Ökobanken eine explizit „grüne“ Kreditkarte anbietet. Niemand will zitiert werden, warum das so ist, aber hinter vorgehaltener Hand hört man heraus, dass diese Banken derlei als „Greenwashing“ empfinden und sich regelrecht weigern, entsprechende Karten als Marketinginstrument einzusetzen. Der Impact echter Ökobanken ist einfach so viel größer – und das seit Jahrzehnten.
4. Die Zahlungsabwickler sind nachhaltig aufgestellt
Nicht nur die Bank entscheidet darüber, wie „grün“ deine Kreditkarte ist, es hängt auch vom Zahlungsabwickler ab, also Mastercard, Visa, American Express etc. Bislang gibt es leider unter allen etablierten Anbietern keine nachhaltigen Firmen. Umso wichtiger ist es, dass zumindest die Bank, bei der du die Kreditkarte hast, eine nachhaltige Bank ist.
Nachhaltige Kreditkarten: ganz konkret
Der einfachste Weg zur besseren Kreditkarte ist also: Bank wechseln zu einem nachhaltigen Anbieter mit grünem Girokonto – geht u.a. bei Ethikbank, GLS Bank oder Triodos Bank.
Folgende Angebote gibt es bei Ökobanken:
- Mastercard der Ethikbank
- Mastercard der Triodos Bank
- Visa BasicCard der GLS Bank
- Mastercard oder Mastercard Gold der GLS Bank
Einige Banken, die nicht ausdrücklich nachhaltig arbeiten, sowie einige Fintech-Statups versuchen inzwischen aber auch, „grüne“ Kreditkarten als eigenständige Finanzprodukte an Kund:innen zu bringen. Hier einige Beispiele (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Das Fintech bunq verspricht bei der bunq Premium SuperGreen Mastercard, pro 100 Euro Zahlungen über die Karte einen Baum zu spenden. Die Karte selbst besteht aus Metall.
- Das Fintech Tomorrow bietet eine Debitkarte, die online teils kreditkartenähnlich nutzbar ist, und renaturiert pro 5 Euro Zahlungsverkehr 1 Schubkarre Ökosystem in Südafrika.
- Kund:innen, die sich für ein DKB Girokonto entscheiden, bekommen dieses mit einer mit einer DKB Visa Card kostenlos. Die Bank hat sich große Ziele in Sachen Nachhaltigkeit gesetzt und will ihr gesamtes Produktportfolio in Einklang mit dem 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaschutzabkommens bringen, – allerdings erst bis 2040.
- Die Hanseatic Bank verspricht bei der Visa Kreditkarte Awa7, pro 100 Euro Kartenzahlung einen Baum pflanzen zu lassen.
- Die Stadtsparkasse Saarbrücken bietet eine Grüne Kreditkarte als Mastercard, dafür fließen 10 Euro pro Jahr (etwas vage) in „ein ausgewähltes nachhaltiges Projekt“.
- Zusammen mit dem Fintech Treecard gibt Ecosia eine Holzkarte (Mastercard) heraus, mit der bei jedem Einkauf ein Baum gepflanzt wird. Laut eigenen Angaben gehen 80 Prozent des Gewinns in Renaturierungsprojekte und Klima-Investitonen; ganz ohne Greenwashing.
Utopia meint: Grüne Kreditkarten? Knifflig. Prinzipiell sind die Angebote nicht abzulehnen und Anbieter wie die Stadtsparkasse Saarbrücken meinen es sicher nur gut. Auch würde die Welt ja nicht besser, wenn solche Banken ihre Angebote abschaffen würden – es würde dann nur weniger Geld in Klima- und Umweltschutz-Projekte fließen.
Und doch bleibt immer ein Nachgeschmack: Dass man X kauft und mit einem Prozentsatz des Preises „Gutes tut“, ist eben in vielen Fällen vor allem ein Marketing-Instrument, das man irgendwie nicht schlecht finden darf.
Kurzum: Echte Ökobanken sind ein „Must“, grüne Kreditkarten eben nur ein „Nice-to-have“.
Mehr darüber, wann, wo und wie Bäumepflanzen besonders sinnvoll ist, erfährst du auch in unserem Podcast:
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