Die Haltungsform-Kennzeichnung zeigt bei abgepacktem Fleisch an, wie die Tiere gehalten wurden. Von Haltungsform 1 (Stallhaltung) bis Haltungsform 4 (Premium): Bei Aldi, Lidl, Penny & Co. informieren vier farbige Siegel über das „Tierwohl“. Jetzt soll noch ein staatliches Siegel dazu kommen. Was die Siegel bringen – plus bessere Alternativen.
Damit Fleisch billig ist, muss es möglichst kosteneffizient produziert werden: Rinder, Schweine und Hühner werden deshalb häufig in Massentierhaltung zusammengepfercht, innerhalb weniger Wochen auf Schlachtgewicht gemästet und mit Antibiotika vollgestopft.
Discounter haben einheitliche Haltungskennzeichnung eingeführt
Weil immer mehr Verbraucher diese katastrophalen Haltungsbedingungen nicht unterstützen wollen, möchten sie Fleisch von Tieren kaufen, die bis zur Schlachtung ein – verhältnismäßig – gutes Leben hatten. Der Handel reagiert auf diesen Verbraucherwunsch mit immer neuen und immer mehr Kennzeichnungen.
2019 habe die großen deutschen Lebensmitteleinzelhändler eine einheitliche Kennzeichnung für Frischfleisch eingeführt: die Haltungsform. Die Kennzeichnung ist freiwillig, ein Großteil der Branchenriesen macht jedoch mit. Aldi, Edeka, Kaufland, Lidl, Netto, Penny und Rewe informieren die Verbraucher:innen mit Hilfe des vierstufigen Labels über die Haltungsbedingungen von Schweinen, Rindern und Geflügel.
Diese Discounter und Supermärkte haben sich in der „Initiative Tierwohl“ mit der Fleischwirtschaft und der Landwirtschaft zusammengeschlossen. Die Initiative wiederum soll die Koordination und Organisation der Haltungsform-Kennzeichnung steuern. (Hier mehr zur Initiative Tierwohl.)
Haltungsform: Die vierstufige Haltungskennzeichnung der Discounter
Das schreiben die vier Stufen der Haltungsform-Kennzeichnung konkret vor:
- Haltungsform 1 „Stallhaltung“ (rot): Die Stufe 1 entspricht dem gesetzlichen Mindeststandard, also der branchenüblichen Haltung von Rindern, Schweinen und Geflügel. Haltungsbedingungen, die schlechter als der in Haltungsform 1 definierte Standard sind, sind illegal.
- Haltungsform 2 „StallhaltungPlus“ (blau): Bei der „StallhaltungPlus“ haben die Tiere etwas mehr Platz im Stall sowie Beschäftigungsmaterial, Rinder dürfen nicht angebunden sein.
- Haltungsform 3 „Außenklima“ (orange): „Außenklima“ bedeutet, dass die Tiere Kontakt mit dem Außenklima haben, aber nicht zwingend, dass sie auch ins Freie dürfen. Außenklima kann auch eine offene Stalltür bedeuten. Futter ohne Gentechnik ist bei Stufe 3 vorgeschrieben, die Anbindehaltung für Rinder ist verboten.
- Haltungsform 4 „Premium“ (grün): „Premium“ steht für noch mehr Platz im Stall und dafür, dass die Tiere tatsächlich Auslauf im Freigelände erhalten. Diese Haltungsform entspricht dem EU-Bio-Siegel.
Mehr Infos gibt es auf der Website Haltungsform.de
Auch ein staatliches Tierhaltungslogo kommt
Nach jahrelangem Gezerre hat der Bundestag Mitte Juni 2023 nun eine staatliche Kennzeichnung beschlossen, an der man beim Fleischkauf die Bedingungen in der Tierhaltung erkennen kann. In einem ersten Schritt wird damit frisches Schweinefleisch im Handel gekennzeichnet. Mehr Produkte und Absatzwege sollen folgen.
Scharfe Kritik am zusätzlichen Logo
Von Opposition und Tierschützer:innen kam scharfe Kritik. Der Deutsche Tierschutzbund monierte, das Gesetz verhelfe „keinem einzigen Tier zu einem besseren Leben“. Mit den unteren Stufen würden „eindeutig tierschutzwidrige Haltungssysteme“ staatlich gesiegelt. Die Organisation Vier Pfoten bemängelte bei der zweiten Stufe nur ein „läppisches ‚Plus‘ von wenigen Quadratzentimetern mehr Platz“.
Die Kennzeichnung: Geplant ist ein System mit fünf Kategorien, wenn Ferkel nach der Aufzucht in die Mast kommen.
- Haltungsform „Stall“: Hier gelten die gesetzlichen Mindestanforderungen.
- Haltungsform „Stall+Platz“: Diese Stufe gibt unter anderem 12,5 Prozent mehr Platz vor
- Haltungsform „Frischluftstall“: Hier haben die Tiere Kontakt zu Außenklima etwa mit offenen Stallseiten.
- Haltungsform „Auslauf/Weide“
- Haltungsform „Bio“
Aussehen soll die Kennzeichnung sachlich-nüchtern: ein weißes, leicht abgerundetes Rechteck, in dem in schwarzer Umrahmung „Tierhaltung“ steht. Die Haltungsform anzeigen soll dann ein schwarz ausgefülltes kleineres Rechteck – bei fünf kleinen Rechtecken für die fünf Kategorien.
Mehr Informationen zum staatlichen Logo:
Die Haltungsform ist richtig – aber kein Tierwohl-Label
Eine einheitliche Kennzeichnung ist auf jeden Fall richtig und wichtig. Je weniger unterschiedliche Label es gibt, desto leichter finden sich Verbraucher:innen zurecht. Außerdem können Kund:innen so besser erkennen, woher ihr Fleisch stammt.
Leider hapert es an anderer Stelle: Die besseren Haltungsformen (Stufe 3 oder 4) sind noch viel zu selten in Supermärkten und Discountern verfügbar. Der Großteil des Angebots stammt aus der Haltungsform 1, wenig aus Stufe 2.
Wichtig: Bei den Haltungsform-Kennzeichnungen handelt es sich nicht um ein „Tierwohl-Label“ – auch wenn es von der Initiative Tierwohl gesteuert wird. Dasselbe Fleisch wird lediglich zur Unterscheidung für Verbraucher:innen – vom gesetzlichen Mindeststandard bis zum Bio-Standard – in vier (bzw. fünf) Stufen eingeordnet.
Das heißt: An den Haltungsbedingungen der Tiere ändert sich durch die Haltungform-Kennzeichnung überhaupt nichts. Verbraucher:innen können damit lediglich erkennen, welche Tiere es ein bisschen besser hatten, als es der gesetzliche Mindeststandard verlangt.
Besser ist bio: Das sind die Alternativen
Wirklich mehr Tierwohl bieten weiterhin nur Fleischwaren, die mindestens das EU-Biosiegel tragen. Theoretisch könnten wir also die Stufe 4 der Haltungsform (bzw. Stufe 5 des staatlichen Siegels) empfehlen – weisen aber dennoch darauf hin, dass man, wenn man Fleisch kaufen möchte, besser mindestens auf das bekannte EU-Bio-Siegel achtet:
Was ist der Unterschied zwischen Haltungsform 4 und dem EU-Bio-Siegel?
Bei Bio-Tierhaltung haben die Tiere in der Regel in den Ställen mehr Platz als bei Haltungsform 4. Zudem ist die Medikamentenvergabe strenger geregelt.
Perfekt ist aber auch das EU-Bio-Siegel nicht. Denn es ist immer noch industrielle Tierhaltung – „glückliche Tiere“ gibt es auch hier nicht.
Artgerechtere Tierhaltung bei den Bio-Anbauverbänden
Wer eine artgerechtere Tierhaltung unterstützen will, kauft Fleisch, das ein Siegel der Bio-Anbauverbände Bioland, Naturland oder Demeter trägt. Sie haben strengere Vorgaben, was die Haltungsbedingungen der Tiere betrifft. Die Tiere haben noch mehr Platz und Auslauf, und die Bio-Tierhaltung darf nicht mit konventioneller Tierhaltung kombiniert werden (anders als beim EU-Biosiegel). Die Tiere erhalten Futter zu einem hohen Teil aus Bio-Produktion, teils aus Eigenproduktion. Das alles kommt am Ende dem Bio-Fleisch zugute.
Die Verbände sind dabei jeweils unterschiedlich streng, Demeter zum Beispiel gilt in vielen Aspekten als strenger als andere (100 Prozent Bio-Futter, 50 Prozent des Futters müssen vom eigenen Hof oder Kooperationen stammen u.v.m.).
Mehr zum Thema Bio-Fleisch: Bio-Siegel: Was haben die Tiere davon?
Weniger, aber besseres Fleisch – noch besser: gar kein Fleisch
Eine weitere Möglichkeit, Fleisch aus artgerechter Haltung zu bekommen: vom Produzenten vor Ort kaufen, z.B. aus dem Hofladen. Dort kann man sich auch persönlich informieren. Generell musst du aber bereit sein, mehr Geld für weniger, aber besseres Fleisch auszugeben. Tiere und Umwelt werden sich bedanken.
Wir finden nach wie vor: Möglichst kein Fleisch zu essen ist die beste Option (auch für den Planeten!)
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Bio-Siegel: Was haben die Tiere davon?
- Bio-Fleisch essen, aber richtig, aus artgerechter Tierhaltung
- Ratgeber Bio-Fleisch: Qualität erkennen, richtig kaufen
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