Hara Hachi Bu beschreibt eine leicht zu befolgende Ernährungsform, die nicht nur die Gesundheit verbessern, sondern auch die Lebensdauer verlängern soll. Was hinter der japanischen Lehre steckt, erfährst du hier.
Hara Hachi Bu (oder auch: Hara hachi bun me) ist eine konfuzianische Lehre, die rät, den Magen immer nur zu 80 Prozent zu füllen. Um die Lehre von Hara Hachi Bu in der Praxis umzusetzen, musst du keine Kalorien zählen. Stattdessen achtest du beim Essen genau auf dein Hungergefühl. Dafür ist es wichtig, dass du langsam und achtsam isst. Wenn du dich gerade satt genug fühlst, also nicht mehr hungrig bist, aber auch keinen vollgestopften Magen hast, solltest du aufhören zu essen. Siehe dazu auch unseren Artikel zum intuitiven Essen.
Die Essgewohnheit soll unter anderem Übergewicht und damit verbundenen Krankheiten vorbeugen, Wohlbefinden fördern, die sexuelle Lust steigern und Alterserscheinungen verlangsamen.
Hara Hachi Bu ist Tradition in Japan
(Foto: CC0 / Pixabay / yasakimo)
Die Lehre von Hara Hachi Bu ist vor allem in Japan bekannt. Besonders die Einwohner:innen der Insel Okinawa sollen die Regel befolgen. Ihre Essgewohnheiten gelten damit auch als eine der Ursachen für ihren beachtlichen Altersdurchschnitt: Im Jahr 2020 waren 15 von 3.000 Bewohner:innen mindestens 100 Jahre alt, 171 Menschen waren in ihren Neunzigern. Die japanische Insel rechnet damit zu den sogenannten „Blue Zones“, in denen die Bewohner:innen angeblich einen höheren Altersdurchschnitt erreichen als anderswo. Allerdings scheinen nach neuester Forschung diese Blue Zones auch diejenigen zu sein, die sich auch oftmals durch eine lückenhafte Einwohnerstatistik auszeichnen. Mitunter fehlen die Geburts- oder Sterbedaten oder sind falsch eingetragen, weshalb das tatsächliche Alter der Menschen nicht immer zweifelsfrei zu bestätigen ist.
Einen besseren Einblick ermöglichen die Forschungen des Okinawa Research Center for Longevity Science. Sie begleiteten seit 1975 in einer Langzeitstudie über 1.000 Einwohner:innen der Insel. Die Ernährung auf Okinawa war traditionell kalorienarm, aber dafür nährstoffreich. Zudem setzen Einwohner:innen auch heute noch die 80-Prozent-Regel des Hara-Hachi-Bu-Prinzips um. Die Studie geht deshalb davon aus, dass noch bis in die 1960er-Jahren die Menschen etwa 10 bis 15 Prozent weniger Kalorien aufnahmen, als der empfohlene Wert – ohne an Mangelerscheinungen zu leiden.
Allerdings mussten sie feststellen, dass auch in Okinawa der Mythos von „Fit bis ins hohe Alter“ nicht immer zutrifft.
- Ein Drittel der untersuchten Hundertjährigen kam ohne große fremde Hilfe im Alltag zurecht.
- Die restlichen zwei Drittel dagegen waren krank, hatten Behinderungen oder waren derart in ihrer Mobilität eingeschränkt, dass sie auf Unterstützung angewiesen waren.
Trotzdem scheint der leichte Kalorienverzicht ein Schlüssel für gesunde Langlebigkeit zu sein. Mittlerweile wird die japanische Lehre auch in Europa bekannter.
Hara Hachi Bu: Was sagt die Wissenschaft?
(Foto: CC0 / Pixabay / dbreen)
Ob und wie Ernährungsweisen uns gesünder machen oder unsere Lebensdauer verlängern können, ist auch in der Wissenschaft ein populäres Thema. Zu Hara Hachi Bu gibt es inzwischen Studien, die sich vor allem auf die Beschränkung der Kalorien durch das 80-Prozent-Prinzip beziehen.
Gerade die moderate Kalorienrestriktion scheint den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen und beschäftigt weltweit die Forschung.
Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2016 untersuchte die Auswirkungen einer geringeren Kalorienzufuhr auf Stimmung, Lebens- und Schlafqualität sowie sexuelle Lust. Dafür untersuchten die Wissenschaftler:innen 220 normalgewichtige bis maximal leicht übergewichtige Personen, die zwischen 20 und 50 Jahre alt waren. Die Forscher:innen teilten diese in zwei Gruppen: Eine Gruppe sollte zwei Jahre lang pro Tag etwa 25 Prozent weniger Kalorien konsumieren, die andere sollte sich wie gewohnt ernähren.
Was zu erwarten war: Proband:innen aus der ersten Gruppe verzeichneten zunächst einmal einen Gewichtsverlust. Überraschend ist jedoch, dass sie auch von einem erholsameren Schlaf, weniger innere Unruhe und einem besseren Sexleben berichteten. Die Studie belegt somit, dass es nicht nur für Übergewichtige gesund ist, die Kalorienzufuhr leicht einzuschränken, sondern auch für junge bis mittelalte normalgewichtige Menschen.
Eine weitere Forschungsgruppe untersuchte 2020 genauer, wie sich eine geringere Kalorienaufnahme auf Zellen von Ratten auswirken. Das Ergebnis: Die Zellen von Ratten, die über neun Monate hinweg 30 Prozent weniger Kalorien zu sich nahmen, waren weniger von Alterserscheinungen betroffen als Tiere aus der Vergleichsgruppe. So waren die Zellen weniger von Entzündungsprozessen beeinträchtigt. Zudem wiesen Tiere aus der ersten Gruppe mehr Immunzellen auf. Die Forscher:innen gehen davon aus, dass diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.
Sie schlussfolgern, dass Kalorienrestriktion Alterserscheinungen und damit auch Krankheiten aufhalten könne. Dabei kommt es jedoch auch darauf an, was wir essen.
Durch Hara Hachi Bu gesund leben und weitere wichtige Prinzipien
(Foto: CC0 / Pixabay / stevepb)
Ob der hohe Altersdurchschnitt der Okinawa-Bewohner:innen tatsächlich nur auf Hara Hachi Bu zurückzuführen ist, bleibt fraglich. Schließlich scheint auch eine große Rolle zu spielen, mit welchen Lebensmitteln man seinen Magen füllt. Laut National Geographic ist es Teil der okinawesischen Ernährungs- und Lebensweise, pro Tag mehr als fünf Portionen Obst und Gemüse und eher Fisch als Fleisch zu essen. So sind okinawesische Gerichte nicht nur kalorienarm, sondern reich an wichtigen Mikronährstoffen.
Für eine gesunde Ernährungs- und Lebensweise empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zudem unter anderem:
- Vollkorn zu wählen,
- möglichst vielseitig zu essen,
- tierische Produkte nur in Maßen zu konsumieren – achte bei Fisch und Fleisch auf Bioprodukte aus nachhaltiger Aufzucht oder Fang.
- ausreichend Wasser zu trinken,
- Zucker und Salz zu reduzieren,
- langsam zu essen,
- und sich regelmäßig zu bewegen.
Mehr zu diesem Thema erfährst du hier: Richtige Ernährung: 10 Ernährungsmythen aufgedeckt
Hara Hachi Bu: Mögliche Risiken
Auch wenn die japanische Ernährungslehre einige gesundheitliche Vorteile hat und keine Lebensmittelgruppen verbietet, birgt Hara Hachi Bu auch Risiken: So könnte das Konzept dazu verleiten, über einen längeren Zeitraum deutlich zu wenig Kalorien zu sich zu nehmen und sich an ein ständiges Hungergefühl zu gewöhnen. Schließlich ist es schwer abzuschätzen, wann der Magen nur zu 50 oder tatsächlich zu 80 Prozent voll ist.
Eine unkontrollierte Kalorienrestriktion kann so Untergewicht, Mangelerscheinungen oder auch Heißhungerattacken und den berüchtigten Jojo-Effekt begünstigen. Wenn du Hara Hachi Bu in deinen Lebensalltag integrieren möchtest, solltest du dabei achtsam sein und weiterhin auf dein Sättigungs- und Hungergefühl hören.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Nachhaltige Ernährung – das kannst du tun
- Planetary Health Diet: Forscher entwickeln die perfekte Ernährung
- Ayurvedische Ernährung: Die Philosophie und Grundidee von Ayurveda
Überarbeitet von Martina Naumann
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?