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Keine Tabletten: Mediziner:innen erklären, was wirklich gegen Heuschnupfen hilft

Gräserpollen und Heuschnupfen: Was hilft wirklich?
Fotos: CC0 Public Domain / Pexels, Elle Hughes (links), Pexels, Mikael Blomkvist (rechts, Symbolbild)

Endlich Frühsommer, blühende Blumen, Sträucher und Gräser – wäre da nicht die Pollenallergie. Im Frühjahr und Sommer leiden Allergiker:innen besonders stark. Doch helfen Allergietabletten zuverlässig gegen Heuschnupfen oder doch besser Hausmittel wie ein Dampfbad? Weder noch, sagen zwei Dermatolog:innen.

Wenn Blumenwiesen, Bäume und Sträucher in voller Blüte stehen und für bunte Farbpracht sorgen, ist endlich Frühsommer. So angenehm die Frühlingssonne auch wärmt, Allergiker:innen haben jetzt verstärkt mit juckenden Augen und einer laufenden Nase zu kämpfen. Immer mehr Menschen leiden an Heuschnupfen. Wir erklären, warum das so ist und wie man eine Pollenallergie effektiv bekämpfen kann.

Laut Pollenflugkalender ist die Hauptblütezeit der Frühblüher Hasel und Erle inzwischen vorbei; Birke, Buche, Esche, Hainbuche, Pappel und Weide verteilen ihre letzten Pollen in der Luft. Jetzt im Juni stehen Gräser, Spitzwegerich und Roggen in voller Blüte. Doch warum genau reagieren viele Menschen eigentlich allergisch auf Pollen?

Heuschnupfen: Was ist eine Pollenallergie eigentlich?

Juckende Augen, Niesattacken und eine laufende Nase – die typischen Symptome von Heuschnupfen können die Betroffenen meist gut beschreiben. Warum der Körper empfindlich auf die Pollen von Blüten und Gräsern reagiert, wissen längst nicht alle.

Das Problem bei einer Pollenallergie: Der Körper stuft die Pollen als Gefahr ein und das Immunsystem reagiert entsprechend. Gelangen Pollen auf die Schleimhäute, werden ebenso wie gegen Krankheitserreger Antikörper gebildet – obwohl die Pollen eigentlich harmlos sind. Diese Überempfindlichkeitsreaktion des Körpers führt zu Symptomen wie tränenden Augen, Niesreiz, kratziger Gaumen und juckender Haut.

Allergieforscher: Heuschnupfen in Deutschland eine der „häufigsten chronischen Krankheiten“

Heuschnupfen nimmt seit Jahren zu: Dem Robert-Koch-Institut (RKI) gegenüber gaben zwischen April 2019 und September 2020 insgesamt 34,7 Prozent der befragten Frauen und 27 Prozent der befragten Männer an, unter einer Allergie zu leiden.

Torsten Zuberbier, Professor für Allergologie und Direktor des Instituts für Allergieforschung an der Berliner Charité, sagte in einem Interview mit dem Spiegel, dass sich allergische Erkrankungen auf einem sehr hohen Niveau eingependelt hätten. Allergien zählen „in Ländern wie Deutschland zu den häufigsten chronischen Krankheiten“, so der Allergologe. Zudem würden der Schweregrad der Allergien zunehmen sowie Kreuzallergien mit bestimmten Nahrungsmitteln.

Luftverschmutzung und strenge Hygiene fördern Heuschnupfen

Woran liegt es, dass Allergien zunehmen und stärker auftreten? Zwei Hauptgründe sind die Luftverschmutzung und die gute Hygiene. Doch auch der Klimawandel verstärkt Allergien.

Allergologe Zuberbier erklärt, dass durch die Luftverschmutzung die Pollen unsere Schleimhäute stärker reizen. Dadurch entwickelt sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine Allergie. Die Feinstaubbelastung in der Luft durch Autos mit Verbrennungsmotoren sieht auch Knut Brockow, Oberarzt der Allergieabteilung der Klinik für Dermatologie und Allergologie (Klinikum rechts der Isar) in München, als Grund für die ansteigenden Allergiefälle.

Dem Focus erklärt der Arzt, dass Stadtbewohner:innen besonders gefährdet seien: „Wer an einer vielbefahrenen Straße wohnt, hat ein höheres Risiko als in einem Viertel mit wenig Verkehr.“

Gründliches Händewaschen ist bei einer Erkältung das A und O.
Die gute Hygiene in Deutschland ist laut Medizinern ein Grund dafür, dass mehr Menschen an Pollenallergie leiden. (Foto: CC0 / Pixabay / slavoljubovski)

Beide Mediziner machen auch die gute Hygienesituation in Ländern wie Deutschland als Ursache für die gestiegenen Allergiefälle aus. Heute kommen wir seltener mit Bakterien und Parasiten in Kontakt. Musste das Immunsystem früher stärker gegen Krankheitserreger kämpfen, richtet es sich nun auch gegen harmlose Pollen.

Klimawandel verlängert Leidenszeit bei Allergiker:innen

Durch die Klimakrise und die steigenden Temperaturen blühen Pflanzen früher und teils länger. Diese Saison starteten Haselnusssträucher und die Erle bereits im Dezember und Januar mit dem Pollenflug. Expert:innen machen den Klimawandel für die zeitliche Verschiebung der Blütezeit verantwortlich. Fangen die ersten Pollen bereits im Winter an zu fliegen, verlängert das für viele Allergiker:innen die Leidenszeit.

Nur eine ärztliche Diagnose bringt Gewissheit – und Heilmittel

Da Heuschnupfen zunimmt, steigt auch die Nachfrage nach wirksamen Gegenmitteln. Das wichtigste ist nach Meinung von Anja Schwalfenberg vom Deutschen Allergiker- und Asthmabund zunächst aber eine ärztliche Diagnose. „Die Pollenallergie kann sich verstärken – es kann sogar ein allergisches Asthma daraus entstehen“, weiß Schwalfenberg. In der Medizin nennt man das einen sogenannten „Etagenwechsel“.

Allergolog:innen können einen Allergietest durchführen und eine Pollenallergie zu diagnostizieren, ebenso haben Haut-, HNO- oder Lungenärzte und -ärztinnen oft eine entsprechende Zusatzqualifikation. Die Diagnose ist aber nicht nur wichtig, um einen Etagenwechsel zu verhindern, sondern auch, um zu wissen auf welche Pollen genau man allergisch reagiert. Der Arzt oder die Ärztin können daraufhin entscheiden, welche Medikamente die Beschwerden am besten lindern und auch, ob etwa eine spezifische Immuntherapie möglich und sinnvoll ist.

Dass viele Menschen versuchen, ihre Pollenallergie im Alleingang in den Griff zu bekommen, sieht auch Prof. Zuberbier kritisch. Heuschnupfen wird seiner Meinung nach zu oft trivialisiert und nicht richtig behandelt. Der Experte sagt jedoch: „Aber niemand muss diese Beschwerden aushalten.“

Heuschnupfen heilen: Nur mit Immuntherapie möglich

Antihistaminika und Hausmittel können zwar die Heuschnupfen-Symptome lindern (unten mehr dazu), doch sie bekämpfen nicht die Ursache. Dies gelingt nur mit einer spezifischen Immuntherapie (Hyposensibilisierung), erklärt Oberärztin der Dermatologie am Campus Kiel des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein Regina Fölster-Holst der dpa.

Bei dieser Therapie wird „das Immunsystem überlistet, indem man dem Patienten eine ganz, ganz, ganz kleine Menge des Allergens verabreicht, die im weiteren Verlauf langsam aber sicher gesteigert wird“, weiß Fölster-Holst. Die Behandlung dauert mindestens drei Jahre, besser sind nach Meinung der Oberärztin fünf Jahre Immuntherapie. Je nach Therapie erhalten die Patient:innen regelmäßig Spritzen verabreicht oder nehmen täglich Tabletten ein.

Erst nach dieser Zeit habe sich das Immunsystem an das Allergen gewöhnt und begreife es nicht mehr als Gefahr. Meist bessern sich laut Regina Fölster-Holst danach die Beschwerden und: „Eine spezifische Immuntherapie verhindert, dass weitere Allergene dazukommen und sich ein Etagenwechsel – also etwa ein Asthma – ausbildet.“

Auch Allergologe Knut Brockow hält die Hyposensibilisierung für sinnvoll. „Diese Therapien sind, vor allem wenn die Allergie nur einen Auslöser hat, etwa Gräserpollen, sehr effektiv, werden aber auch viel zu selten angewendet.“ Zu oft wissen seiner Einschätzung nach weder Patient:in noch Hausärzt:in von der Behandlung.

Antihistaminika, Nasenspray, Dampfbad – das Angebot an Allergiemedikamenten ist groß

Wenn eine Immuntherapie nicht infrage kommt, können Arznei- und Hausmittel zumindest Linderung verschaffen und die lästigen Symptome bekämpfen. Wir stellen die bekanntesten Medikamente – samt medizinischer Einschätzung von Expert:innen – vor.

Antihistaminika gegen Heuschnupfen

Antihistaminika gibt es als Tabletten, Augentropfen oder Nasenspray zu kaufen. Die Mittel unterbinden eine allergische Reaktion des Körpers, indem sie die Rezeptoren des Botenstoffs Histamin blockieren.

Die Wirkstoffe Cetirizin und Loratadin sind in der Apotheke frei verkäuflich. Gerade Cetirizin wird jedoch nachgesagt, dass es müde mache. Inzwischen ist diese Aussage überholt, denn es sind Antihistaminika der zweiten Generation auf dem Markt. „Sie machen weniger müde als die der ersten Generation“, so Medizinerin Regina Fölster-Holst.

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Antihistaminika in Tablettenform lindern die Symptome von Heuschnupfen, können die Ursache aber nicht bekämpfen. (Foto: CC0 / Unsplash - danilo.alvesd )

Die Dermatologin rät, die Medikamente vorsorglich zu nehmen und nicht erst, wenn die Symptome wie tränende Augen und laufende Nase bereits zu spüren sind. Außerdem sollte man die Antihistaminika während der Blütezeit des jeweiligen Allergens durchgängig für drei oder vier Wochen durchgehend nehmen. „Mal nehmen, mal nicht – das bringt nichts“, so das Urteil von Fölster-Holst.

Kortisonhaltige Medikamente gegen Pollenallergie

Antihistaminika reichen aber nicht immer aus, um die Allergie-Symptome wirksam zu lindern. Dann können kortisonhaltige Sprays oder Augentropfen helfen. „Kortison hemmt Entzündungen. Denn jede Allergie ist ein entzündlicher Prozess“, erklärt Fölster-Holst.

Allergieforscher Zuberbier sagte dem Spiegel dazu: „Moderne Cortison-Abkömmlinge, die etwa als Nasenspray angewendet werden, wirken lediglich lokal und gehen nicht mehr ins Blut über. Sie bieten ein sehr gutes Sicherheitsprofil.“

Dennoch hat Kortison in der breiten Bevölkerung keinen guten Ruf. „Die Verschreibung von Kortikosteroiden als Nasenspray erfolgt bei Heuschnupfen viel zu selten“, moniert Allergologe Knut Brockow. Dabei sei der Wirkstoff bei Pollenallergie sehr sinnvoll, weil er die Entzündung positiv beeinflusse.

Hausmittel gegen Heuschnupfen

Auch einfache Hausmittel können die Beschwerden bei Heuschnupfen lindern. Wir haben dir die wichtigsten zusammengestellt: Heuschnupfen: Wirksame Hausmittel gegen verstopfte Nase und juckende Augen

Doch auch wenn ein Dampfbad beruhigt und Tee das Kratzen im Hals lindert, du bekämpfst dabei nur die Symptome, nicht die Ursache. Du solltest deshalb trotzdem einen Allergietest machen lassen und ärztlich abklären, welche Medikamente am sinnvollsten sind.

Wichtige Maßnahmen gegen Heuschnupfen

Damit dich die Pollenallergie nicht zu sehr quält, kannst du folgende Vorkehrungen treffen:

  • Trage ein Tuch oder eine Kappe auf dem Kopf. Pollen bleiben leicht in den Haaren hängen. Positiver Nebeneffekt: Du bist besser vor der Sonne geschützt.
  • Wasche, sobald du nach Hause kommst, Hände, Arme und Gesicht ab, um Pollen zu entfernen.
  • Wechsle zuhause die Kleidung oder ziehe die Klamotten zumindest nicht im Schlafzimmer aus.
  • Kämme deine Haare aus, bevor du die Kleidung wechselst.
  • Dusche am besten vor dem Schlafengehen.
  • Wasche deine Haare häufig, unter Umständen sogar täglich.
  • Putze deinen Wohnbereich regelmäßig – wir empfehlen umweltfreundliche Hausmittel.
  • Befestige Pollenschutzgitter an den Fenstern. Da das Material dicht ist, solltest du länger lüften, um einen guten Luftaustausch zu erreichen.

Du kannst Pollen nicht vollständig aus dem Weg gehen. Auch wenn Fenster und Türen weitestgehend geschlossen sind, können die Partikelchen in die Wohnung dringen. „Selbst wenn Sie sich im Keller einschließen, würden wahrscheinlich noch kleine Pollen durch die Fensterritzen hineinfliegen“, so das Urteil von Prof. Regina Fölster-Holst.

Doch du kannst die Pollenbelastung im Auge behalten – per Pollenflug-App oder bei vielen Wetterdiensten. Wenn ein starker Pollenflug vorhergesagt ist, kannst du zumindest entsprechend planen und nicht draußen Sport machen oder zu Mittag essen.

Mit Material der dpa

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