Konstanz und Kiel, Großbritannien und Frankreich – immer mehr Städte und Nationen rufen den Klimanotstand aus. Doch was bedeutet das eigentlich?
Am 2. Mai rief Konstanz als erste deutsche Stadt den Klimanotstand aus. Es folgten Heidelberg, Münster, Kiel und zahlreiche weitere Gemeinden. Zuvor hatten bereits international Städte und sogar Länder den Klimanotstand ausgerufen: Vancouver, San Francisco und Paris etwa, Großbritannien, Irland und Frankreich. Doch was heißt das konkret?
Klimanotstand – was bedeutet das?
Beim Klimanotstand handelt es sich nicht um einen formalen Notstand, wie er im Grundgesetz verankert ist – also den Notstand als eine Situation, der alles andere untergeordnet ist. Der Klimanotstand soll vielmehr dabei helfen, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen: die Klimaerwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Städte oder Länder, die den Klimanotstand ausrufen, sind nicht dazu verpflichtet, konkrete Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt keine Gesetze, Vorschriften oder Auflagen, die während der Zeit des Klimanotstandes gelten. Ruft eine Stadt oder ein Land den Notstand aus, ist das eher eine Selbstverpflichtung, die keine rechtlichen Konsequenzen haben muss.
Was passiert, wenn der Klimanotstand ausgerufen wird?
Der Klimanotstand hat vor allem eine Signalwirkung: Städte und Länder, die ihn ausrufen, erkennen den Klimawandel als akute Bedrohung an. Sie gehen damit auf Forderungen der Klimaaktivisten von Fridays For Future und Extinction Rebellion ein, die den Regierungen seit Monaten mit Streiks und Protesten Druck machen.
Welche Maßnahmen die Regierungen und Stadträte aus dem Klimanotstand ableiten, ist aber unterschiedlich. Konstanz etwa beschloss, an zusätzlichen Schritten zu arbeiten – klimaneutraler Energieversorgung von Neubauten, einem Mobilitätsmanagement für die Stadt sowie einem Energiemanagement für städtische Gebäude – und verkündete, künftig bei allen Entscheidungen das Klima zu berücksichtigen. In Kiel wird besprochen, wie die Stadt bereits vor 2050 klimaneutral werden kann. Klimanotstand in Großbritannien und Frankreich bedeutet ebenfalls, noch vor 2050 klimaneutral zu werden – etwa durch Aufforstung oder den Ausbau erneuerbarer Energien.
Ein Signal für die Dringlichkeit der Klimakrise
Neben konkreten Maßnahmen schafft der Notstand vor allem eines: Er verändert die Art, wie über die Klimakrise gesprochen wird. Mit dem Begriff des Notstands wollen die Klimaaktivisten auf die Dringlichkeit des Themas aufmerksam machen. Auf einer Homepage heißt es etwa, im Begriff Klimanotstand liege die Hoffnung, „dass einer kritischen Masse der Zivilgesellschaft die Dramatik der Klimaerhitzung bewusst wird.“
Dass ein emotionaler Begriff wie der des Notstands notwendig ist, bestätigt auch eine aktuellen Studie. Demnach ist die Wortwahl zentral, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit für ein Thema zu erzeugen. Und Worte, die Emotionen auslösen, erzeugen mehr Aufmerksamkeit. Damit ist das Problem zwar noch nicht gelöst, aber seine Dringlichkeit rückt noch wesentlich stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Irland, Frankreich und Großbritannien haben den Klimanotstand bereits ausgerufen. In Deutschland bekam eine offizielle Petition an den Bundestag erst kürzlich die nötigen Unterschriften. Die Linksfraktion stellte Ende Juni einen entsprechenden Antrag.
Was konkret geschehen wird, sollte der Klimanotstand bei uns ausgerufen werden, ist dabei nicht klar. Die Initiatoren der Petition sprechen von einem „historisches Signal für einen ernstzunehmenden und effektiven Kampf gegen den Klimawandel.“ Die Linksfraktion fordert „umgehend ein nationales Klimaschutzgesetz vorzulegen und alle Anstrengungen dahingehend zu unternehmen, dass Deutschland seinen anteiligen Beitrag leistet, die Erderwärmung gemäß des Pariser Klimaschutzabkommens auf 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter 2 Grad zu begrenzen“.
Wir müssen etwas ändern
Der Klimawandel wird unser Leben auf der Erde drastisch verändern, daran besteht kaum ein wissenschaftlicher Zweifel: So kamen Forscher etwa zu dem Ergebnis, dass die menschliche Zivilisation ernsthaft bedroht sei, wenn nicht bald Maßnahmen ergriffen würden.
Eine EU-Studie von April sagt Ähnliches voraus: Wenn wir bis zum Jahr 2030 nichts ändern, sei die Menschheit vom Aussterben bedroht. Eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sei das Maximum, das der Planet aushalten könne, so die Studie.
Und selbst bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius, wird sich unser Leben dramatisch ändern: Allein bei uns in Deutschland müssen wir vermehrt mit Hitzewellen, Wasserknappheit, Waldbränden und anderen Umweltkatastrophen rechnen. Bei zwei Grad Temperaturanstieg sieht es noch schlimmer aus: Klimawandel in Deutschland – mögliche Folgen 2040.
Darum brauchen wir den Klimanotstand für Deutschland
Aktuell ist Deutschland (wie auch viele andere Länder) weit davon entfernt, seine Klimaziele zu erreichen. Stattdessen stieß die Menschheit laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) im Jahr 2018 ganze 42 Milliarden Tonnen CO2 aus – so viel wie nie zuvor. Wenn es so weitergeht wie bisher, steigt die durchschnittliche Temperatur bereits bis 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau an.
Daran tragen die Industriestaaten eine Mitschuld – mit einem Lebensstil, der die Grenzen des Planeten weit übersteigt und auf Kosten der Menschen im globalen Süden geht. Mehr dazu: Earth Overshoot Day Deutschland.
Dass Deutschland den Klimanotstand ausruft, ist darum essentiell. Ein weiterer Grund: Wir als reiche Industrienation übernehmen eine Vorbildfunktion für die sogenannten Schwellen- und Entwicklungsländer. Wenn wir die Klimakrise ernst nehmen und entsprechend handeln, ist das ein wichtiges Signal an die Weltbevölkerung.
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