Nutri-Score: Das steckt hinter der Lebensmittelkennzeichnung Von Dr. Kilian Loesch Kategorien: Ernährung Stand: 26. Februar 2024, 10:01 Uhr Foto: Utopia / Leonie Barghorn Seit 2020 gibt es in Deutschland die freiwillige Lebensmittelkennzeichnung Nutri-Score. Damit lassen sich Lebensmittel mit Blick auf ihren Nährstoffgehalt vergleichen. Doch was steckt genau hinter dem Nutri-Score? Unsere Supermärkte können mit ihrer Produktvielfalt inzwischen den Konsument:innen die Entscheidung vor dem Supermarktregal erschweren: Es gibt einfach eine riesige Auswahl. Der Nutri-Score verspricht hier Abhilfe. Er soll Orientierung geben und es Konsument:innen erleichtern, sich für gesündere Lebensmittel zu entscheiden. Wir erklären dir, was hinter dem Nutri-Score steckt, wie er sich berechnet und was Kritiker:innen zum Nutri-Score sagen. Außerdem gibt es ab 2024 eine Neuerung. Was verbirgt sich hinter dem Nutri-Score? Der Nutri-Score ist eine fünfteilige Skala und kennzeichnet den Nährwert eines Produkts. (Foto: Utopia / Leonie Barghorn) Der Nutri-Score ist eine Kennzeichnung, die Lebensmittel derselben Lebensmittelkategorie mit Blick auf ihre Nährstoffzusammensetzung vergleichbar macht. Der Nutri-Score besteht aus einer fünfteiligen Skala vom dunkelgrünen A bis zum roten E. Das grüne A steht für eine eher günstige und das rote E für eine eher ungünstige Nährstoffzusammensetzung. Es gilt also: Je grüner der Nutri-Score, desto gesünder ist das Lebensmittel mit Blick auf seinen Nährwert. Als günstig gelten dabei Ballaststoffe, Proteine, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse und ausgewählte pflanzliche Speiseöle. Als ungünstig gelten Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und ein hoher Energiegehalt. Wie berechnet sich der Nutri-Score für bestimmte Lebensmittel? Der Nutri-Score berechnet sich dabei aus den Nährwertangaben des Lebensmittels, die du auf den meisten Lebensmitteln abgedruckt findest. Es gibt ein Punktesystem, das von Wissenschaftler:innen entwickelt wurde. Mit diesem System wird jedem Inhaltsstoff eines Produkts eine Punktzahl zugeordnet, je nachdem, wie viel dieses Inhaltsstoffs das Produkt enthält. Zuerst werden die Mengen der ungünstigen Inhaltsstoffe und die damit verbundenen Punkte (in der Regel zwischen null und zehn Punkte) ermittelt: Kalorien Gesättigte Fettsäuren Zucker (hier gibt es bis zu 15 Negativpunkte) Salz (hier gibt es bis zu 20 Negativpunkte) Dann werden die Mengen der günstigen Inhaltsstoffe und die damit verbundenen Punkte (zwischen null und fünf Punkte) ermittelt: Proteine Ballaststoffe Anteile an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte, Schalenfrüchte, Raps-, Nuss- und Olivenöle Anschließend werden die Punkte der günstigen Inhaltsstoffe von den Punkten der ungünstigen Inhaltsstoffe abgezogen. Aus dieser Gesamtpunktzahl ergibt sich dann der Buchstabe des Nutri-Scores. Nicht jedes Produkt besitzt einen Nutri-Score. Du kannst ihn aber selbst ausrechnen: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bietet eine Excel-Tabelle zum Ausfüllen an. Um den Nutri-Score eines Produktes herauszufinden, trage die auf dem Produkt aufgedruckten Nährwertangaben in die Tabelle ein. Die Tabelle berechnet dann automatisch den Nutri-Score für das Produkt. Spezialfälle in der Berechnung Der Nutri-Score für Käse ist ein Spezialfall in der Berechnung. (Foto: CC0 / Pixabay / RitaE) Der Nutri-Score wird nicht für alle Produktgruppen gleich berechnet. Um Unterschiede im Nährstoffgehalt mancher Lebensmittel fairer darzustellen, wurden ein paar Spezialfälle festgelegt: Käse Käse enthält Calcium, welches generell nicht in den Nutri-Score eingeht. Doch der Calciumgehalt hängt eng mit dem Proteingehalt im Käse zusammen, weshalb der Proteingehalt bei Käse immer berücksichtigt wird, unabhängig davon, wie viele Punkte die ungünstigen Inhaltsstoffe haben. So deckt der Nutri-Score das für unsere Gesundheit sehr wichtige Calcium indirekt zum Teil mit ab. Fette und Öle Gäbe es für Fette und Öle keine spezielle Methode der Berechnung, würden sie alle den schlechtesten Score erhalten. Der Nutri-Score berücksichtigt daher die Anteile an ungesättigten und gesättigten Fettsäuren innerhalb eines Fettes. Dafür gibt es eine eigene Punkteskala, die den Anteil von gesättigten Fettsäuren am Gesamtfettgehalt einordnet: Je mehr gesättigte Fettsäuren das Fett oder Öl enthält, desto ungesünder ist es und desto höher ist die Punktzahl. So haben pflanzliche Öle wie Leinöl oder Olivenöl eine geringere Punktzahl als zum Beispiel Butter, und schneiden damit besser ab. Getränke Getränke werden auf einer anderen Berechnungsgrundlage bewertet: Das dunkelgrüne A erhält nur Wasser. Alle anderen Getränke erhalten ein B oder schlechter. Die Abstufungen für den Energie- und Zuckergehalt und auch für den Gemüse- und Obstanteil sind bei Getränken niedriger als bei den Lebensmitteln. Um den Lebensmittelhersteller:innen keinen Anreiz zu bieten, Zucker vermehrt durch Süßungsmittel zu ersetzen, gibt es auch für Süßungsmittel Negativ-Punkte. Welche Produkte haben keinen Nutri-Score? Alle Lebensmittel, für die die Angabe von Nährwerten nicht vorgeschrieben sind, haben keinen Nutri-Score. Dazu zählen unter anderem: unverarbeitetes Obst und Gemüse unverarbeitetes Fleisch Kräuter Gewürze Salz Kaffee und Tee Hefe Kaugummi Das ändert sich mit der Berechnung des Nutri Score in 2024 Seit Anfang 2024 müssen Hersteller eine neue Berechnungsmethode nutzen. Dabei werden Zucker, Salz und Ballaststoffe strenger bewertet, andere Inhaltsstoffe kommen dagegen besser weg. Das hat sich durch die neue Berechnungsmethode geändert: Für salzreiche Produkte können nun bis zu 20 anstatt vorher zehn Negativpunkte vergeben werden. Für zuckerreiche Produkte können bis zu 15 anstatt vorher zehn Negativpunkte vergeben werden. Auch Süßstoffe werden mit Negativpunkten belegt: Zucker kann also nicht mehr einfach durch Süßstoffe ersetzt werden, um einen besseren Nutri-Score zu erreichen. Rotes Fleisch kann nur noch maximal die Stufe C erreichen, da es im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Milch und Pflanzendrinks werden strenger bewertet, da sie in den meisten Fällen in die Kategorie „Getränke“ gezählt werden, wo geringere Fett- und Kohlenhydratmengen toleriert werden. Ballaststoffreichere Produkte werden besser eingestuft als ballaststoffärmere Produkte. Unverarbeiteter fetter Fisch, der reich an Omega-3-Fettsäuren ist, bekommt von nun an ein A. Unbehandelte Nüsse, Saaten und Öle werden aufgrund ihrer ungesättigten Fettsäuren positiver bewertet. Produkte mit viel Protein (zum Beispiel Tofu oder Geflügel) bekommen mehr Positivpunkte. Bis Ende 2025 gibt es eine Übergangszeit: In diesem Zeitraum findest du Nutri-Scores nach alter und neuer Berechnung nebeneinander im Supermarkt. Das macht den Vergleich für Verbraucher:innen schwierig. Wie hilft dir der Nutri-Score bei der Wahl der Lebensmittel? Mit dem Nutri-Score kannst du Produkte derselben Produktgruppe miteinander vergleichen (zum Beispiel verschiedene Dosentomaten). (Foto: CC0 / Pixabay / Squirrel_photos) Der Nutri-Score ermöglicht es dir, verschiedene Produkte aus derselben Produktgruppe miteinander zu vergleichen: Die Pizza mit dem Nutri-Score A ist ernährungsphysiologisch die günstigere Wahl als die Pizza mit dem Nutri-Score C. Nicht vergleichbar sind hingegen Lebensmittel aus verschiedenen Produktgruppen, auch wenn sie auf dieselbe Berechnung zurückgreifen: Ein Schokoriegel lässt sich nicht mit einer Pizza oder einem Joghurt vergleichen. Der Nutri-Score macht dabei keine Angaben zur Ausgewogenheit der Ernährung. Kaufst du nur Produkte mit einem Nutri-Score A, bedeutet das nicht, dass du dich ausgewogen ernährst. Empfehlungen für eine ausgewogene Ernährung findest du bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Die Möglichkeiten und Grenzen Der Nutri-Score soll es Käufer:innen leichter machen, sich für gesunde Produkte zu entscheiden. Der Nutri-Score hat dabei einige Vorteile, stößt aber auch an Grenzen. Das sind die Vorteile des Nutri-Score: Mit dem Nutri-Score wird es für Konsument:innen leichter, sich für das ernährungsphysiologisch günstigere Produkt zu entscheiden. Damit leistet er einen Beitrag im Kampf gegen weit verbreitete Volkskrankheiten wie Übergewicht und in der Folge auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Nutri-Score ist für Konsument:innen leicht verständlich. Die Farben erhöhen die Aufmerksamkeit und die Bewertung kann die Kaufentscheidung beeinflussen. Der Nutri-Score kann dazu beitragen, dass Hersteller die Zusammensetzung ihrer Produkte verbessern. Die Berechnung des Nutri-Score ist wissenschaftlich fundiert und wird laufend von Wissenschaftler:innen geprüft und weiterentwickelt. Es gibt jedoch auch Kritik am Nutri-Score: Der Nutri-Score kann verwirrend sein: Zwar sollen Produkte aus verschiedenen Produktgruppen nicht miteinander verglichen werden, die Berechnung des Nutri-Score ist jedoch dieselbe. Die Angaben der Ballaststoffe sind nicht verpflichtend und die genauen Anteile an Obst und Gemüse fehlen oft auf den Verpackungen. Dann ist es nicht immer möglich, die Berechnung des Nutri-Score genau nachzuvollziehen. Bisher berücksichtigt der Nutri-Score keine Aromen und Zusatzstoffe wie zum Beispiel Konservierungsstoffe. Die Neuerungen ab 31. Dezember 2023 und die Übergangszeit bis Ende 2025 bedeuten, dass es unterschiedliche Berechnungsgrundlagen für den Nutri-Score gibt, die gleichzeitig bestehen. Erst ab 1. Januar 2026 darf nur noch die neue Nutri-Score-Berechnung verwendet werden. Der Verarbeitungsgrad fließt nicht in die Berechnung mit ein: So können auch hoch verarbeitete Lebensmittel wie zum Beispiel vegane Nuggets einen Nutri-Score von A haben, wenn die Nährwerte optimiert sind. Schlechte Werte in manchen Bereichen lassen sich durch gute Werte in anderen ausgleichen. Ein Produkt mit gutem Nutri-Score muss nicht bei jedem einzelnen Inhaltsstoff gut abschneiden. Wird die Berechnung des Nutri Scores überprüft? Ja. In Deutschland ist das Unternehmen „RAL gGMbH“ damit betraut, die Berechnung und Umsetzung des Nutri-Scores durch die Unternehmen zu überprüfen. Die RAL ist bereits unter anderem für die Siegel „Grüner Knopf“ oder „Blauer Engel“ im Bereich der Lizenzvergabe, Marktüberwachung und Rechtsverfolgung tätig. Gegenüber Stiftung Warentest erklärte die Geschäftsführung von RAL, dass der Nutri-Score bisher überwiegend richtig berechnet werde und dass nur leichte Verstöße aufgefallen seien. Fazit zum Nutri-Score Der Nutri-Score hilft den Konsument:innen dabei, sich in der Vielfalt der Lebensmittel zurechtzufinden und dabei gesündere Lebensmittel zu kaufen. Dabei erfasst der Nutri-Score jedoch nicht alle relevanten Qualitätsmerkmale eines Produkts. Bisher ist die Kennzeichnung des Lebensmittels mit dem Nutri-Score zudem freiwillig. Doch erst, wenn alle Lebensmittel einen Nutri-Score haben, können Konsument:innen wirklich alle Produkte miteinander vergleichen. Außerdem bilden unverarbeitetes Obst und Gemüse die Basis einer ausgewogenen und gesunden Ernährung – und beide haben keinen Nutri-Score. Neben dem Nutri-Score gibt es noch weitere Kennzeichnungen, die Lebensmittel leichter vergleichbar machen sollen: NOVA Score zum Verarbeitungsgrad des Lebensmittels Planet Score oder Eco Score zur Nachhaltigkeit eines Lebensmittels Weiterlesen auf Utopia.de: Zuckersteuer: Das bewirkt sie in anderen Ländern Die Tierwohl-Labels der Discounter Warum du „leere“ Kalorien vermeiden solltest ** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos. War dieser Artikel interessant? 8 1 Vielen Dank für deine Stimme! Verwandte Themen: Gewusst wie Lebensmittel Siegel HOL DIR DEN UTOPIA NEWSLETTER Leave this field empty if you're human: