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Precision Fermentation: Revolution für die Lebensmittelproduktion?

Precision Fermentation
Foto: CC0 / Pixabay / Mrdidg

Precision Fermentation soll die Lebensmittelproduktion revolutionieren können. Dabei spielen genveränderte Mikroorganismen eine Rolle. Welche Potentiale das Verfahren für mehr Nachhaltigkeit hat und welche Bedenken es gibt, erfährst du hier.

Ob Sauerteig, Joghurt, Bier oder Käse: All diese Lebensmittel würde es ohne Mikroorganismen nicht geben. Diese ermöglichen nämlich Fermentation – also einen Stoffwechselprozess, wobei Gase, Alkohol und Säuren entstehen, die dafür sorgen, dass Lebensmittel haltbar, bekömmlich und/oder aromatisch werden.

Solch „wilde“ Fermentation nutzen die Menschen schon seit Jahrtausenden, auch wenn man erst sehr viel später erkannte, dass sie Mikroben zu verdanken ist. In Zukunft sollen diese Mikroorganismen aber eine noch wichtigere Rolle für unsere Ernährung spielen: Sie sollen unser gesamtes Lebensmittelsystem revolutionieren und nachhaltiger gestalten können – mittels der sogenannten Precision Fermentation.

Was ist Precision Fermentation?

Precision Fermentation programmiert die DNA von Mikroorganismen, sodass diese spezielle Funktionen bekommen.
Precision Fermentation programmiert die DNA von Mikroorganismen, sodass diese spezielle Funktionen bekommen.
(Foto: CC0 / Pixabay / qimono)

Schon seit einigen Jahrzehnten beschäftigt sich die industrielle Biotechnologie damit, Fermentation auch für andere Anwendungen nutzbar zu machen als nur für die Herstellung von Lebensmitteln, in denen Mikroorganismen Stoffe in „wilder“ Manier umwandeln. Bioökonomie.de zufolge können mithilfe von Precision Fermentation Mikroorganismen so programmiert werden, dass sie fast alle komplexen organische Moleküle (zum Beispiel Proteine oder Fette) und somit komplexe Chemikalien und Wirkstoffe produzieren können.

Das ermöglicht die Herstellung gewünschter Produkte in großen Mengen, wie zum Beispiel Nahrungsergänzungsmittel oder Fleischersatzprodukte. So bildete fermentierter Schlauchpilzmyzel (Myzel ist das Wurzelsystem von Pilzen) bereits in den 1980ern die Basis für „Quorn„, eines der ersten Fleischersatzprodukte überhaupt auf dem Markt, wie das Zukunftsinstitut berichtet. 

Biotechnologische Verfahren entwickeln sich seitdem rasant weiter. Inzwischen kann man sowohl die Bakterien für die Fermentation gezielter auswählen als auch ihre Funktion immer präziser programmieren. Dazu macht die Industrie Gebrauch von Gentechnik, zum Beispiel von Crispr. Das als „Genschere“ bezeichnete Werkzeug erlaubt es, DNA gezielt zu schneiden und zu verändern. So können damit Gene eingefügt, ausgeschaltet oder ganz entfernt werden, um den Mikroorganismen die gewünschten Funktionen zu geben. Andere Verfahren zur Manipulierung von Mikroorganismen sind Bioökonomie.de zufolge Synthetische Biologie (Produktion künstlicher Organismen), Künstliche Intelligenz und Big Data (riesige Datenmengen). 

Mit Precision Fermentation zum veganen Käse

Precision Fermentation macht große Fortschritte in der (veganen) Käseherstellung.
Precision Fermentation macht große Fortschritte in der (veganen) Käseherstellung.
(Foto: CC0 / Pixabay / dyhuettner)

Vor allem in der industriellen Herstellung von (pflanzlichen) Molkereiprodukten macht Precision Farming große Fortschritte. Das enorm Magazin berichtet zum Beispiel über ein Start-up, das mithilfe von Präzisionsfermentation veganen Käse herstellt. In molekulargenetischen Verfahren werden die Mikroorganismen dabei so optimiert, dass sie durch Fermentation Kasein produzieren können, eine Proteingruppe, die man normalerweise nur in tierischer Milch findet. Dazu lässt man die genveränderten Mikroorganismen wie Hefe in großen Gär-Tanks schwimmen, füttert sie mit Zucker und prüft die Temperatur des Wassermediums, den pH-Wert und den Sauerstoffgehalt. Durch die so kontrollierten Stoffwechselvorgänge entstehen dann die gewünschten Milchproteine. Das Start-up will den daraus hergestellten veganen Käse 2026 auf den Markt bringen. 

Dem Zukunftsinstitut zufolge lässt sich mit diesen Verfahren der Produktionsaufwand von Käse wesentlich reduzieren, schließlich erfordert es nicht die Aufzucht, Fütterung und das Melken von Milchkühen. Damit einher gehe auch eine bessere Klima- und Ökobilanz, denn der Methan– und CO2-Ausstoß, der Energie- und Wasserverbrauch wären deutlich geringer. Nicht zuletzt ist so hergestellter Käse frei von Tierleid. 

Weitere Einsatz- und Anwendungsmöglichkeiten von Precision Fermentation laut Bioökonomie.de:

  • Lebensmittel: Mithilfe von Precision Farming können Aromen, Farben und Texturen isoliert werden, um sie neu miteinander zu kombinieren. Der Fleischersatzhersteller Impossible Foods beispielsweise verleiht seinem „Impossible Burger“ die rote Optik und den Geschmack von Fleisch durch Häm, einem Bestandteil des eisenhaltigen Blutproteins Hämoglobin, das durch Fermentation gentechnisch veränderter Hefezellen entsteht und deshalb nicht in Europa zugelassen ist.
  • Kosmetik: Astaxanthin ist ein Antioxidans, das die Haut vor UV-Strahlung schützen kann. Die synthetische Herstellung erfordert allerdings Erdöl. Es ist aber ein Verfahren in Entwicklung, das die Fermentation des Stoffs durch ein Bakterium ermöglicht. 
  • Medizin: Spinnenseide hat eine antibakterielle Wirkung und ist extrem stabil, was es zu einem interessanten Material für viele Anwendungen macht. Beispielsweise können Spinnenseide-Proteine als Beschichtung für medizinische Implantate dienen. Allerdings ist natürliche Spinnenseide nur stark begrenzt verfügbar. Durch Anwendung von Precision Fermentation beim Bakterium Escherichia coli kann Spinnenseiden-Protein synthetisch hergestellt werden.

    Lässt Precision Farming die Milch- und Fleischindustrie kollabieren?

    Precision Farming kann die industrielle Viehzucht reduzieren.
    Precision Farming kann die industrielle Viehzucht reduzieren.
    (Foto: CC0 / Pixabay / annigje)

    Angesichts der Tatsache, dass die industrielle Landwirtschaft gleichermaßen Verursacherin und Betroffene der Klimakrise ist, ist es unabdingbar, alternative Lebensmittelsysteme zu schaffen, die sich weniger schädlich auf die Umwelt und das Klima auswirken und wertvolle Ressourcen wie Wasser und Boden schonen. Precision Fermentation kann ein Baustein solcher Lebensmittelsysteme sein.

    Tatsächlich prognostiziert der US-ThinkTank RethinkX in einem Bericht, dass Präzisionsfermentation die Lebensmittel- und Konsumgütermärkte in den nächsten zehn Jahren völlig verändern wird. Das größte Potential liegt dabei in der Herstellung neuer Lebensmittel und alternativer Proteine. Das liegt daran, dass Proteine aus dem Verfahren bis dahin rund zehnmal günstiger als tierische Eiweiße sein werden.

    Das Zukunftsinstitut betrachtet die Prognose einer kollabierenden Milch- und Fleischindustrie durch Precision Farming zwar als überzogen, erkennt in der Technologie aber ebenfalls die Anzeichen eines Paradigmenwechsels in der globalen Lebensmittelproduktion. Präzisionsfermentation werde „einen wesentlichen Beitrag zur ökologisch notwendigen Reduktion der industriellen Viehzucht leisten“. 

    Precision Fermentation: Welche Nachteile und Bedenken gibt es?

    Ob ein Lebensmittel mittels Precision Fermentation hergestellt wurde, ist nicht transparent.
    Ob ein Lebensmittel mittels Precision Fermentation hergestellt wurde, ist nicht transparent.
    (Foto: CC0 / Pixabay / Squirrel_photos)

    Precision Fermentation kann also den Weg hin zu einer klimaverträglicheren Lebensmittelproduktion ebnen. Doch weil das Verfahren noch relativ jung ist, muss es sich zunächst mit diversen Herausforderungen, Bedenken und Fragen auseinandersetzen, die ein Forbes-Artikel zusammenträgt. Dazu gehören unter anderem folgende Punkte: 

    • Versorgung von Mikroorganismen: Auch Mikroorganismen benötigen Nahrung – in Form von Zucker. Die Rohstoffe, aus denen der Zucker für Precision Farming hergestellt wird, sind zum Beispiel Zuckerrohr oder Kartoffelstärke. Die Versorgung von Mikroorganismen konkurriert also unter Umständen mit Biomasse, die direkt als Lebens- und Futtermittel dient. Mittlerweile nutzen viele Unternehmen daher Bioabfälle oder Gras, um Zucker für die Mikroorganismen zu gewinnen. 
    • Andere Ressourcen: Precision Fermentation erfolgt nicht von alleine. Das Verfahren erfordert ebenso Energie (aus fossilen Brennstoffen) und andere Ressourcen. Alleine für die riesigen Gärtanks muss beispielsweise Beton, Stahl und Kunststoff her. Noch muss berechnet werden, wie genau der Energie- und Ressourcenverbrauch solcher Produkte im Vergleich zu konkurrierenden Produkten aus tierischer Erzeugung abschneidet.
    • Umweltauswirkungen: Was könnte passieren, wenn die Mikroorganismen in die Umwelt gelangen? Es muss untersucht werden, ob sie in freier Natur überleben, sich weiterentwickeln und unter Umständen zur Verbreitung von Krankheiten und/oder Pandemien beitragen können.
    • Abfälle aus der Precision Fermentation: Es ist noch nicht klar, wieviel Abfallmaterial die Mikroorganismen produzieren und wie diese entsorgt werden. 
    • Fehlende Transparenz: Zusatzstoffe, Vitamine und Aromen, die mittels gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt werden, unterliegen nicht der Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Bestandteile in Lebensmitteln. Für Verbraucher:innen ist es daher nicht transparent, ob sie ein Lebensmittel verzehren, welches mittels Gentechnik hergestellt wurde. 
    • Novel Food: Lebensmittel aus Precision-Fermentation-Herstellung gelten als „novel food„, die zunächst ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, bis sie in Europa auf den Markt kommen können. Daher weichen hiesige Hersteller auf asiatische Märkte aus, wo ein solches Verfahren kürzer dauert. 

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