Jahrzehntelang war der Strommarkt von schwerfälligen Konzernen dominiert. Inzwischen tummeln sich dort viele junge Startups mit spannenden Ideen – so wie der (Öko-)Stromanbieter Tibber.
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Drei entscheidende Unterschiede zu typischen Anbietern machen Tibber ziemlich interessant:
- Erstens verdient das norwegische Strom-Startup nicht an der verkauften Strommenge. Stattdessen verlangt Tibber eine verbrauchsunabhängige Grundgebühr.
- Zweitens kauft man dort als Privatkund:in den Strom zu Preisen ein, die täglich bis stündlich den tatsächlichen Marktpreisen angepasst werden. Diese hängen hauptsächlich von den Strombörsenpreisen ab.
- Drittens hilft das stark digitalgetriebene Unternehmen den Kund:innen mithilfe einer App, möglichst wenig Strom zu verbrauchen und Verbrauch und Preise abzugleichen.
Salopp gesagt: Mit Hilfe der App – und Smart Meter vorausgesetzt – könnt ihr checken, ob am Nachmittag der Strom günstiger ist und diesen günstigeren Strom dann verwenden, um die Waschmaschine laufen zu lassen. Und auch das E-Auto kann man, wenn man möchte, eben in jenen Stunden laden, wenn gerade viel und daher günstiger Strom vorhanden ist.
Tibber: sinnvoll mit Smart-Stromzählern
Dynamische Preis- und Verbrauchsinformationen sind eine sinnvolle Idee und tatsächlich etwas, wovon wir bundesweit dringend mehr brauchen. Tibber bringt sich damit in Stellung für eine Zukunft, in der Smart Homes mit intelligenten Stromzählern (Smart Meter) weitaus besser mit dem Stromverbrauch umgehen werden als das heute noch der Fall ist.
Insofern ist das Startup schon mehr als ein Stromvertrag: Mit der App hat man die Möglichkeit, zahlreiche Smart-Devices einzubinden und so Verbrauch und Einkauf sinnvoll aufeinander abzustimmen. Das bringt natürlich umso mehr, je mehr Smart-Power-Devices ein Haushalt tatsächlich einsetzt. Entsprechend verkauft Tibber solche Geräte auch, inzwischen auch mit ersten Eigenentwicklungen.
Mit Smart-Grid-Technik ausgestattete Wohnungen und Häuser dürften heute allerdings noch eine Minderheit darstellen. Doch auch ohne intelligenten Stromzähler kann man Tibber nutzen – nur eben ohne die Möglichkeit, aktuell gemessenen Verbrauch zeitnah mit den Preisen abstimmen zu können.
Tibber macht Strom-Verbraucher:innen schlauer
Zugleich muss Verbraucher:innen klar sein, dass sie sich mit Tibber auch das Risiko höherer Strompreise ins Haus holen – erst recht seit Beginn der Energiekrise im vergangenen Spätsommer.
Ein Anbieter wie Tibber ist daher eher nichts für Risikoscheue, die sich einen unveränderlichen Strompreis für’s Jahr wünschen. Wer den Tarifrechner benutzt, bekommt einen „Durchschnittspreis“ für die vergangenen 12 Monate serviert – von denen aber nur die Hälfte von der Stromkrise betroffen waren. Niemand weiß derzeit wirklich, wie es mit den Strompreisen weitergeht.
Tibber ist auch nichts für Konsument:innen, die nicht bereit sind oder die Möglichkeit haben, in Zeiten hoher Preise aktiv den Verbrauch runterzufahren. Das kann man natürlich auch als Chance sehen: Aus den Daten vorhandener Smart-Home-Technik ergeben sich nämlich auf Dauer auch zahlreiche Lerneffekte, die direkt beim Energiesparen helfen. Oder dabei, Energie zu einem Zeitpunkt zu verbrauchen, wenn sie reichlich vorhanden ist. Das ist im Sinne eines Smart Grids sinnvoll.
Tibber: Woher kommt der Strom
Soweit, so gut – aber ist der Tibber-Strom denn auch Öko? Ja: Tibber kauft nach eigenen Angaben nur Ökostrom ein. Dieser ist zwar nicht mit Siegeln versehen, aber er stammt mit Herkunftsnachweis (HKNs) komplett aus dem Windpark Quenstedt in Sachsen-Anhalt, es sind also immerhin „regionale“ Herkunftsnachweise.
Unterm Strich entspricht Tibber trotzdem nicht den Kriterien, wie wir sie zum Beispiel in unserer Utopia-Bestenliste für Ökostromanbieter vorgeben – und ist deswegen dort nicht gelistet. Aber weil das Unternehmen die dringend notwendige Digitalisierung der Energiewende im Strombereich vorbildlich begleitet, ist Tibber für uns dennoch ein empfehlenswerter Anbieter: Für Verbraucher:innen, die mit dem dynamischen Preis leben und die ihr Heim mit der notwendigen „Smart“-Technik ausstatten können und wollen.
Hier die wichtigsten Daten:
- Mindestvertragslaufzeit: keine
- Kündigungsfrist: 2 Wochen
- Grundkosten: ca. 10 Euro monatlich, wovon 3,99 Euro im Monat auf die Tibber-„Grundgebühr“ entfallen, der Rest auf Netznutzungs- und Messstellengebühren
- Verbrauchspreis pro kWh: dynamisch, je nach Einkaufspreis
Mehr Infos direkt bei Tibber
Gibts es Alternativen zu Tibber?
Die Idee mit dem Strom ist gut genug, um nicht allein zu bleiben: Awattar aus Österreich bietet ein prinzipiell ganz ähnliches System. Smart Meter sind dort allerdings Voraussetzung. Zugleich stehen dort aber verschiedene Tarife zur Verfügung, die zum Beispiel die Nutzung von Negativpreisen (fallen an, wenn mehr Strom verfügbar ist als gebraucht wird) ermöglichen und anderes. Allerdings nimmt Awattar derzeit keine neuen Kund:innen an.
Gemeinsamkeiten gibt es auch mit StromDAO Corrently: Der grüne Strom kommt dort aus eigener Erzeugung und ist zugleich ok-power-plus-zertifiziert. Ein nicht ganz einfach verständliches System aus „GrünstromBonus“ und „GrünstromIndex“ soll dafür sorgen, dass Kund:innen trotz dezentraler Stromproduktion bevorzugt Grünstrom aus der Region erhalten, wobei Corrently eigene Kraftwerke (bislang meist Photovoltaik) aufbaut.
Ist Tibber günstiger als anderer Strom?
Utopia hat für dich aktuell (Stand Anfang Mai 2022) die Preise verglichen, die beim günstigsten von uns empfohlenen Ökostromanbieter fällig wären (Durchschnitt über drei PLZ in Berlin, Hamburg, München, Details im Beitrag Strompreise vergleichen) und jene, die Tibber nennt (die aber nur Durchschnittspreise des jeweils vergangenen Jahres sind).
- Das Ergebnis: Mit Tibber könnte man derzeit 16 Prozent sparen – WENN, und das ist eben das Problem, die Strompreise sich in den kommenden 12 Monaten nicht in irgendeine extreme Richtung entwickeln.
- Sinken sie, kann man noch mehr sparen. Steigen sie, spart man am Ende eben nichts, sondern zahlt womöglich mehr als bei einem normalen Ökostromanbieter.
Sprich: Ein „Preisvergleich“ ist hier nicht wirklich sinnvoll. Und wieder gilt: Wer mit dem Risiko leben kann, kann natürlich dennoch den Wechsel wagen: Explodieren die Preise, erlaubt die kurze Kündigungsfrist ja einen weiteren Wechsel.
Die besten Ökostrom-Alternativen zu Tibber findest du hier:
Ist Tibber-Strom sicher – oder auch bald insolvent?
Natürlich muss man bei Strom-Startups auch die unangenehme Frage stellen: Hat Tibber Strom überhaupt Zukunft, oder wechselt man womöglich zu einem Anbieter, der bald insolvent ist? Die Frage ist durchaus berechtigt, denn auch Startups wie Enyway oder Lition sind bereits wieder verschwunden, und das trotz jeweils spannender Konzepte.
Aber: Die Stromversorgung ist gesetzlich so geregelt, dass bei niemandem das Licht ausgeht, wenn der Stromlieferant insolvent ist. Im Zweifel muss der Grundversorger einspringen, das sind meist die lokalen Stadtwerke. Die mögen im Zweifel schlechtere Preise haben (derzeit sind sie teils auch mal günstiger) – aber sie haben auch kurze Kündigungsfristen; sollte also der Umstieg also nicht klappen oder anderweitig problematisch sein, steht dem raschen Wechsel zu einem anderen Ökostromanbieter nichts im Wege.
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