Eine Geldbörse aus LKW-Plane, eine Yogatasche aus einer alten Jeans oder eine Halskette aus Plastikflaschen – Müll nutzen und daraus etwas Besseres machen, das ist die Idee hinter Upcycling. Doch wie nachhaltig ist der Trend wirklich?
„Schicke Tasche!“ – „Die besteht aus Müll.“ Früher hätte diese Antwort wohl ein Stirnrunzeln hervorgebracht. Heute liegt Upcycling voll im Trend, denn Rohstoffe sind begrenzt und viele Dinge, die wir wegwerfen, zu schade für den Müll. Upcycling erhebt den Anspruch, Abfall aufzuwerten – im Gegensatz zum Downcycling, wo Müll in minderwertigere Produkte umgewandelt wird. Doch wie nachhaltig ist Upcycling wirklich?
Upcycling und Nachhaltigkeit: Es kommt auf den Einzelfall an
„Manche Upcycling-Produkte sind umweltfreundlich, andere nicht“, erklärt uns Abfallexperte Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). „Man muss sehen, was sonst mit dem Abfall passiert“. Man sollte sich also fragen: Gibt es eine bessere Möglichkeit der Wiederverwendung?
Beispiel 1: Schmuck aus Plastikflaschen
Ist die Plastikflasche leergetrunken, ist sie erstmal Müll. Manche Unternehmer fertigen aus solchen Flaschen Schmuck oder Yoga-Hosen. Eine gute Idee? Jein. „Die Rückgabe bepfandeter Flaschen ist tendenziell umweltfreundlicher als das Material für andere Produkte zu verwenden“, meint Sommer. Nur für Plastikflaschen ohne Pfand gelte dies nicht.
Unser Recyclingsystem für bepfandete Plastikflaschen erlaube den Wiedereinsatz der Materialien für neue Lebensmittelverpackungen. Anders sei es bei Flaschen aus dem gelben Sack: Aus den unbepfandeten Flaschen werden maximal noch Flaschen für Putz- und Reinigungsmittel, „häufig jedoch nur minderwertige Kunststoffprodukte wie Eimer, Blumentöpfe oder Gießkannen.“ Daher könne es in diesem Fall eine gute Idee sein, etwas Anderes daraus zu kreieren – und up-zu-cyclen, meint Sommer.
Wirklich nachhaltig: langlebige Produkte
„Höchste Priorität hat der enge Stoffkreislauf“, erklärt Christiane Schnepel vom Umweltbundesamt. Und meint damit das „Bottle-to-Bottle-Prinzip“: Im Idealfall wird also durchs Recycling der Plastikflasche wieder eine neue Plastikflasche. PET zu PET, statt PET zu Yoga-Hose. Doch manchmal ist PET eben nicht mehr so recycelbar, solche ausrangierten Plastikflaschen werden dann unter anderem zu Kleidungsfasern weiterverarbeitet. „Das ist ein normaler Kunststoff-Abfall-Strom“, so Schnepel. Erst seit einigen Jahren wird uns das als „Upcycling“ verkauft.
Unsere PET-Flaschen werden also in Asien zu Fleecepullis verarbeitet und kommen dann zu uns zurück. Klingt zunächst nach einer nachhaltigen Idee. Doch: „Die Gesamtökobilanz ist dabei schlechter, als wenn wir direkt aus Rohöl Fleecepullis machen würden“, erklärt Professor Sebastian Feucht von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. Der Experte für Nachhaltigkeit, Material und Technologie ist kein großer Recyclingfreund und schlägt vor, gleich bessere Produkte herzustellen, die langlebig sind und lange genutzt werden. Öko-intelligente und ressourcenleichte Gestaltung nennt sich dieses Prinzip. Übersetzt: Nicht der Müll sollte die Aufmerksamkeit bekommen, sondern die Art und Weise, wie wir aus Rohstoffen etwas Nützliches und Langlebiges erschaffen.
Beispiel 2: Tasche aus alter Jeans
Kleidung ist das Upcycling-Beispiel schlechthin. Denn Mode hat heute in der Regel eine kurze Lebensdauer und nicht wenige Menschen klagen über zu volle Kleiderschränke. Warum also nicht aus der ausgedienten Jeans eine Tasche fertigen?
„Am umweltfreundlichsten ist es, alte Kleidung ins Second Hand zu geben, eine Kleidertauschparty zu machen oder sie anders wiederzuverwenden“, erklärt Sommer von der DUH. Wenn Kleidung so im Kreislauf bleibe, würden am meisten Ressourcen eingespart und letztlich weniger neue Jeans, Shirts und Jacken produziert werden.
Doch was ist, wenn die Hose voller Löcher, das T-Shirt total aufgeraut ist? Hier wäre Upcycling eine gute Idee, aus Jeansflicken zum Beispiel eine neue Tasche fertigen. „In diesem Fall wäre das eine hochwertige Weiterverarbeitung“, meint Schnepel. Stoff zu Stoff ist also grundsätzlich eine nachhaltige Upcycling-Idee. Auch Sommer gibt einen Daumen hoch fürs Upcycling kaputter Kleidung: Lieber die Jeans als Tasche weiternutzen, statt sie stofflich abzuwerten zu einem Putzlappen oder gar in den Restabfall zu werfen.
Wem Upcycling zu aufwändig ist, könne ausgediente Kleidung zum öffentlichen Sammelcontainer bringen, wie vom Deutschen Roten Kreuz, meint Sommer. Hochwertige Kleidung gelangt so erneut in die Nutzung. Bei Kleidung mit Löchern findet dann allerdings meist ein Downcycling statt – aus der alten Jeans, dem kaputten Shirt werden bestenfalls Putzlappen.
Leider bedeutet ein vermeintlicher Aufkleber vom Roten Kreuz oder ein anderer Schriftzug nicht unbedingt, dass wirklich ein karitativer Verband hinter dem Kleidercontainer steckt. Achte daher auf das FairWertung-Siegel auf dem Container. Weitere Infos zum Thema richtig Kleider spenden findest du in einem weiteren Artikel.
Neue Kleidung geht also im Idealfall diesen Weg: Kleidung tragen – Second-Hand, reparieren oder upcyceln – Kleidung wandert ins stoffliche Recycling. Im Fachdeutsch heißt dieser Zyklus Kaskadennutzung. Aus dem neuen T-Shirt solle also nicht sofort ein Putzlappen werden, sondern es solle erst diese Abstufung durchlaufen. Kleidung in den Restabfall zu werfen sollte dabei keine Option sein, dann würde sie mit dem Abfall verbrannt und die für die Herstellung notwendigen Ressourcen gingen verloren.
Firmen nutzen Upcycling auch für grüne PR
Immer wieder machen Unternehmen durch Upcycling-Kampagnen auf sich aufmerksam. Ein Beispiel ist der Sportartikelhersteller Adidas mit seinen Schuhen und Trikots aus Meeresmüll. Prinzipiell sind Aktionen gegen Plastikmüll im Meer ja zu begrüßen – aber handelt sich wirklich um nachhaltiges Upcycling?
Sommer hält solche Produkte eher für Teile einer PR-Strategie, „die stark an Greenwashing erinnert.“ Die Adidas-Trikots und Schuhe sind eigentlich spannende Upcycling-Produkte – aber eben nur punktuelle, vorübergehende Verbesserungen. Überzeugender wäre es, würden die Hersteller ihre Textilien durchweg nachhaltiger produzieren oder dafür sorgen, dass sie länger genutzt werden.
„Wenn Adidas einen kleinen Teil Müll nimmt, um daraus Schuhe zu machen, hat das letztendlich kaum Auswirkungen“, meint Sommer. Viel sauberer werden die Ozeane durch Plastikmüll-Schuhe von Adidas offenbar nicht. Einen hohen Kommunikationswert hat die Aktion allemal.
Daher sieht Feucht von der HTW Berlin solche Sammelaktionen gelassen: „Es ist doch gut, wenn es Ansporn durch die Mode gibt, Plastik wieder aus den Meeren zu holen“. Letztlich würden somit mehr Menschen vom Plastik-in-den-Meeren-Problem erfahren. Und Wissen über ein Problem sei der erste Schritt, um dieses Problem zu lösen.
Upcycling ist gut, reparieren ist besser
Upcycling will Müll besser verwerten und durch eine Verwendung als neue Produkte dazu beizutragen, dass weniger Abfall entsteht. Doch regen Upcycling-Produkte nicht letztlich den Konsum an? Kaufen wir die Tasche aus Jeans oder den Schmuck aus Plastikflaschen mit dem Gedanken, etwas Gutes zu tun – obwohl wir diese Dinge gar nicht bräuchten?
Angesichts der Masse des riesigen Stoffkreislaufes seien solche Produkte „eher Kleinkram“, meint Schnepel vom Umweltbundesamt. Doch auch wenn viele Upcycling-Produkte nicht massenrelevant seien, würden sie doch die Grundidee transportieren: Ich kann aus Abfällen noch etwas Wertvolles produzieren.
Feucht von der HTW sieht die Upcycling-Idee etwas drastischer: „Man macht aus Müll wieder Müll. Diesen Upcycling-Schmuck trägt man doch nicht dauerhaft.“ Man müsse keine Lösungen für Müll anbieten, sondern dafür sorgen, dass es diesen Müll überhaupt nicht gebe.
Doch was können Verbraucher tun? Der Müll ist da und am Angebot an neuen Produkten mangelt es nicht. Daher rät Sommer: „Grundsätzlich ist es gut, Upcycling-Produkte statt Neuware zu kaufen. Noch besser ist es jedoch, Produkte einfach länger zu nutzen.“ Am umweltfreundlichsten ist es also, Shirt mit Loch und abgewetzte Tasche nicht in die Tonne zu werfen. Sondern, sie länger zu verwenden und zu reparieren – statt sie schnell durch etwas Neues zu ersetzen.
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