Am Dienstag war der Philosoph Richard David Precht bei Markus Lanz zu Gast. Thema der Sendung war erneut das Coronavirus. Precht sprach über die Chancen der Krise – und was jetzt auf keinen Fall passieren sollte.
Alle nicht systemrelevanten Geschäfte und Einrichtungen sind geschlossen, Tourismus ist stillgelegt und es herrschen Ausgangssperren: Wegen der Corona-Krise leben wir seit Wochen im Ausnahmezustand. Dieser Zustand ist aber auch eine Chance, sagte Richard David Precht in der Sendung von Markus Lanz.
„In solchen Situationen bekommt man ein Gefühl dafür, dass das normale Leben, was man immer geführt hat, vielleicht gar nicht normal ist. Dieses ’schneller, höher, weiter, alles muss mehr werden, alles muss schneller werden.’“
Richard David Precht: Wir müssen über Alternativen nachdenken
Das Ergebnis der Corona-Krise werde nicht sein, dass wir aus der Wachstumsspirale ausbrechen. Aber sie ermögliche uns, über Alternativen nachzudenken und neu zu bewerten, was wir wirklich brauchen – und was nicht.
Precht nennt als Beispiel Kreuzfahrten: Wegen ihres neuen Images als „Corona-Schleudern“ werde in diesem Jahr wahrscheinlich niemand eine Kreuzfahrt buchen. „Wenn sie irgendwann weg wären, würde uns dann was Existenzielles fehlen?“
Precht bei Lanz: Diese vier Punkte müssen sich ändern
Der Philosoph hofft, dass die Gesellschaft die richtigen Konsequenzen aus der Pandemie zieht: „Ich möchte nicht in die Normalität vor der Krise in allen Punkten zurück.“ In mindestens vier Bereichen wünscht er sich eine Änderung:
- Die „ökonomische Realität des Einzelhandels“: Der große Gewinner der Krise sei Amazon, die inhabergeführten kleinen Geschäfte verlieren hingegen. Dieses Problem lasse sich nicht mit Krediten lösen – vielmehr müsse das System geändert werden, um den Einzelhandel zu stärken. Eine Idee von Precht: 25 Prozent Steuer für den Online-Handel.
- Bezahlung von Pflegekräften: „Ich möchte eine Art Solidaritätszuschlag für diese Leute oder andere Vereinbarungen. Man kann die nicht kurz zu Helden erklären, ihnen einen Bonus geben, vom Balkon runterklatschen und nachher ist alles wie es vorher war.“
- Fußball: Fußball sei eigentlich unwichtig, aber psychologisch „wahnsinnig wichtig“. In den letzten Jahren sei allerdings Einiges schiefgelaufen, etwa dass stets die finanzstärkste Mannschaft gewinnt. Im Grunde sei der Fußball kaputt, deswegen fordert Precht: „Lasst uns neu darüber nachdenken, wie schaffen wir Chancengerechtigkeit im Fußball?“
- Nachhaltigkeit: Die Corona-Krise habe dazu geführt, dass sich die Menschen ihrer „Leiblichkeit und Sterblichkeit“ bewusst werden. „Corona und der Klimawandel sind zwei verschiedene Themen. Aber sie haben ihre große Gemeinsamkeit darin, dass wir plötzlich merken […], wie sehr wir ein Stück Natur sind.“ Dieses Bewusstsein sei notwendig, um die Natur nicht nur als Ressource zu sehen und gegen ihre Zerstörung vorzugehen.
Effektiver Umweltschutz mithilfe von Verboten
Um die Umwelt effektiv zu schützen, seien auch Verbote notwendig – diese Meinung vertritt Richard David Precht schon länger. Ihm sei aufgefallen, wie bereitwillig die Bevölkerung die aktuellen Verbote und Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Corona-Krise akzeptierte.
„Ich möchte ja nicht beim Klimawandel im gleichen Ausmaß die Grundrechte [einschränken]. Aber da wird schon ein Verbot von Plastiktüten als grundrechtswidriger Eingriff in meine Privatsphäre aufgefasst.“ Verbote von umweltschädlichem „gesellschaftlichem Luxus“, etwa von Kreuzfahrten, seien aber dringend nötig. Damit die Menschen solche Verbote ebenfalls akzeptieren, müssen sie zunächst den Ernst der Lage begreifen: „Beim Klimawandel haben zu viele Leute zu wenig Angst. Und bei Corona haben sehr viele Leute Angst.“
Was jetzt nicht passieren sollte: Änderungen aufschieben
Precht wünscht sich, dass die Gesellschaft die „Lernaufgabe“ der Corona-Krise ernst nimmt – und zwar möglichst sofort. Zugleich warnte er bei Markus Lanz vor falschen politischen Strategien: „In der Krise sagen die Politiker: ‚Jetzt müssen wir erst mal die Krise meistern, jetzt haben wir für solche Ideen keine Zeit.‘ Ist die Krise erst mal gemeistert, ist alles erst mal wieder so hergestellt, wie es vorher war. […] Dann wird man sagen, wir müssen ganz viel konsumieren, um das gleiche wieder nachzuholen und dann wird man nicht mehr über Alternativen reden.“
Utopia meint: Auch unabhängig von politischen Entscheidungen kann jede*r die Krise und die viele Zeit zu Hause dazu nutzen, den eigenen Lebensstil nachhaltiger zu gestalten. Tipps und Inspirationen:
- 7 Tipps, die dir dabei helfen, weniger zu konsumieren
- Klimaschutz: 15 Tipps gegen den Klimawandel
- 12 praktische Minimalismus-Tipps, die dein Leben leichter machen
- 12 einfache Alltagsdinge, die jeder für die Umwelt tun kann
Die ganze Sendung von Markus Lanz gibt es in der ZDF-Mediathek.
Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.
** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.War dieser Artikel interessant?