Ab sofort soll der „Grüne Knopf“ als erstes staatliches Siegel fair und ökologisch produzierte Kleidung sichtbar machen. Wir haben uns angeschaut, wie sinnvoll das Siegel ist.
„Wir brauchen ein Siegel, das den Kunden beim Einkauf einfach und klar signalisiert: Hier handelt es sich um fair produzierte Kleidung“, kündigte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller in einem Interview seine neueste Kreation an.
Freiwilliges Textilbündnis nach Rana Plaza
Der Minister meint es gut: Schließlich initiierte er 2014 die Gründung eines Textilbündnisses – nach dem Einsturz der Fast-Fashion-Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch, bei der mehr als tausend Menschen starben. Im Rahmen dieses Textilbündnisses sollten soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen entlang der gesamten Textil-Lieferkette erreicht werden, lautete damals das ehrgeizige Ziel.
Das Zwischenfazit nach fünf Jahren: Gemessen am Gesamtumsatz hierzulande steht das Bündnis nur für knapp 50 Prozent der Branche. Die anderen 50 Prozent der Textilbranche tun so, als wäre nichts. Das können sich die Unternehmen locker leisten – schließlich passiert alles auf freiwilliger Basis.
Grüner Knopf: das neue Siegel soll Klarheit schaffen
Mit dem neuen Siegel will der Minister eine klare Differenzierung zwischen nachhaltiger und konventioneller Produktion am Markt gewährleisten: „Dazu zählen soziale Standards wie gerechte Löhne und humane Arbeitsbedingungen. Für die Unternehmen, die fair produzieren, ergeben sich daraus auch Qualitäts- und Wettbewerbsvorteile gegenüber den Wettbewerbern, die nicht fair produzieren“ heißt es in einer Pressemitteilung der CDU/CSU – Bundestagsfraktion.
Obwohl der Bundesentwicklungsminister schon selbst von sich behauptete, mit der Geduld am Ende zu sein und bestehende Richtlinien gesetzlich verankert haben möchte, tut er mit der Grünen Knopf-Einführung nur mehr vom Gleichen. Das neue Textilsiegel soll nämlich ebenfalls freiwillig sein.
Grüner Knopf: Eine Scheinlösung, die niemand braucht?
Uwe Kekeritz, Sprecher für Entwicklungspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, stuft in einer Stellungnahme das Ambitionsniveau des Vorhabens als niedrig ein: „Bislang ist unklar, ob der Grüne Knopf überhaupt einen Mehrwert liefert.“ Wichtige Begrifflichkeiten seien nicht geklärt und es sei offen welche Teile der Lieferkette abgedeckt werden und wie die Überprüfung stattfinden solle. Ein Kontrollsystem sei auch nicht geplant. Zudem werde die Verantwortung wieder an die Verbraucher abgegeben statt klare Regeln für Unternehmen zu schaffen.
„Der Entwicklungsminister weiß, dass seine freiwilligen Initiativen wirkungslos bleiben.“ Gesetzliche Regelungen müssten her, erst dann würde es endlich um tatsächliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gehen und nicht „um das mediale Blitzlichtgewitter für Scheinlösungen, die niemand braucht“, heißt es in der Stellungnahme.
„Vielleicht ist es einen Versuch wert“, befand Prof. Dr. Rudolf Voller vom EthNa Kompetenzzentrum CSR der HS Niederrhein in einem Kommentar für CSR-News, doch wenn der „Grüne Knopf“ am Ende nichts anderes sei das zig-te freiwillige Siegel für Bekleidungsherstellung, dann „sollte man die Finger davon lassen“.
Scharfe Kritik kommt auch von der „Kampagne für saubere Kleidung“: „Textilien, die künftig den Grünen Knopf tragen, dürfen keinesfalls als fair oder sozial nachhaltig bezeichnet werden“, sagte Uwe Wötzel dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Die Kriterien seien deutlich zu schwach, die Überwachung unzureichend und die Ausnahmen zu umfangreich. Eines der Hauptprobleme: in den Kriterien seien nur die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes verankert sei. „Doch der ist in der Regel so niedrig, dass niemand davon leben kann“, meint Wötzel. „Nur wenn existenzsichernde Löhne gezahlt werden, ist ein Kleidungsstück tatsächlich fair produziert“.
„Fair produziert“ – rechtlich nicht geschützt
Die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) ist auch der Ansicht, dass Mindestkriterien für sozial und ökologisch verantwortungsvolle Produktion gesetzlich verankert werden sollten. Auch sollte es möglich sein, Vor-Ort-Kontrollen durch in Deutschland akkreditierte und beauftragte Kontrollstellen durchzuführen. Im Fall des Grünen Knopfes liegt das Zertifizierungssystem nach jetzigem Stand in der Verantwortung Dritter (private Siegel) und das Kontrollsystem entspricht bisher nur einer formellen Prüfung.
Um die Verbraucher nicht in die Irre zu führen, müssten die inhaltliche Abdeckung der einzelnen Produktionsschritte klar kommuniziert werden. Es sollte auch selbstredend sein, dass der erste Produktionsschritt Rohstoffanbau von Beginn an mit abgedeckt sein sollte. Ist er aber nicht. Vorerst soll der Grüne Knopf ausschließlich für die sozialen und ökologischen Mindeststandards bei der Endproduktion von Textilien stehen. Somit ist keine faire und ökologische Produktion für die gesamte Produktionskette gewährleistet.
Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert
Am 24. April jährte sich die Tragödie von Rana Plaza. Geändert hat sich für die Menschen dort seit dem Einsturz nachweislich wenig. Obwohl die Textilinitiativen von Gerd Müller anscheinend kaum Wirkung entfalten – egal, ob es um das Textilbündnis oder die Plattform Siegelklarheit.de – ist er überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein.
Der Grüne Knopf – besser als nichts
Utopia meint: Schön, dass Minister Müller Aufmerksamkeit für die verheerenden Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion schafft. Jeder noch so kleine Schritt sollte wertgeschätzt werden.
Leider ist das Tempo nicht wirklich angemessen, angesichts der verheerenden Zustände, die weiterhin bei der konventionellen Textilproduktion bestehen. Denn Menschenrechtsverletzungen dürfen kein Wettbewerbsvorteil sein.
Bis es ein verlässliches Siegel von staatlicher Seite gibt, kann man sich auf strenge unabhängige Siegel verlassen: IVN Best, GOTS oder das Siegel der Fair Wear Foundation. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte: Giftfreie Kleidung, nachhaltige Rohstoffe, faire Produktion. Ausführlicher hier: Schadstoffe auf der Haut: Diese Siegel garantieren giftfreie Kleidung. Und hier kommt ihr zu unserem Siegelguide.
Empfehlenswerte Modemarken, die hohe Standards setzen, findest du auch hier auf unserer Bestenliste faire & grüne Mode:
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- Diese Bio-Jeans sind billiger als Marken-Jeans
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