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Eckart von Hirschhausen: „Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise“

Hirschhausen Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise“
Foto: Julian-Engels

Hitzesommer, schmelzende Gletscher, Überschwemmungen oder Artensterben – spätestens jetzt scheint allen klar, dass der Klimawandel nicht irgendwo, sondern direkt vor der eigenen Haustüre stattfindet. Was das für unsere Gesundheit bedeutet und wie der Klimawandel mit der Gesundheit zusammenhängt, darüber sprechen wir mit Eckart von Hirschhausen, Arzt  Buchautor und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ im Interview.

Dieser Sommer war entweder viel zu kalt oder gleich so heiß, dass man es nur noch im Schatten aushalten konnte. Zu Weihnachten nieselt inzwischen, wenn überhaupt, eher leichter Regen als Schnee vom Himmel und die Nachrichten sind gespickt mit Meldungen über Feuerkatastrophen oder Überschwemmungen. Da die Klimakrise bislang immer ganz weit weg stattzufinden schien, war vielen Menschen die Dringlichkeit nie so klar wie jetzt. Nicht zuletzt durch die Ereignisse im Ahrtal merken wir: Der Klimawandel ist nicht nur echt, er findet auch direkt vor unserer Nase statt. Und im schlimmsten Fall verlieren Menschen durch den Klimawandel ihr Zuhause, und auch ihr Einkommen, ihre Arbeit oder ihr Leben.

Ob Luftverschmutzung in Großstädten, Waldsterben und damit verbunden das Aussterben von Naturparadiesen – all das wirkt sich auch auf die Gesundheit des Menschen aus. Denn nur in einer intakten Natur kann der Mensch auf Dauer überleben. Aber was hat der Klimawandel eigentlich genau mit der eigenen Gesundheit zu tun? Und wenn das zusammenhängt, was kann man tun? Wie es funktionieren kann, dass man sich auch als einzelner Mensch um die Erde und gleichzeitig um seine Gesundheit kümmert, darüber haben wir uns mit dem Arzt, Buchautor und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ Eckart von Hirschhausen unterhalten.

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Nur in einer intakten Natur kann der Mensch auf Dauer überleben. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Patrick Hendry )

Herr Hirschhausen, in dem Vorwort zu ihrem neuen Buch „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben“, schreiben Sie, dass es gesunde Menschen nur auf einer gesunden Erde geben kann. Was macht der Klimawandel mit unserer Gesundheit und wie hängt das miteinander zusammen?

Auf dem Buchdeckel steht halb scherzhaft: „Drei Krisen für den Preis von zwei“. Die großen Themen unserer Zeit hängen tatsächlich sehr viel enger miteinander zusammen als oft wahrgenommen wird. Die Klimakrise ist auch eine Gesundheitskrise. Und ohne die Zerstörung von Lebensräumen, das Artensterben und den Wildtierhandel hätten wir auch kein Corona. Wir sind viel verletzlicher als wir gedacht haben und müssen Gesundheit global denken. Ein Virus fragt nicht nach einem Visum, um Ländergrenzen zu überspringen. So wenig wie ein C02 Molekül in der Atmosphäre fragt, aus welchem Land es kam. In unserem Körper kommt alles zusammen und verstärkt sich: 8 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Luftverschmutzung, und eine Lunge, die Dreck einatmen muss, ist auch viel anfälliger für Corona. Naturschutz und Tierschutz ist auch Gesundheitsschutz, wenn wir das aus dem letzten Jahr gelernt haben, war es wenigstens zu etwas gut. Dieser Kerngedanke nennt sich international „one health“ oder auf Deutsch: Gesunde Erde – Gesunde Menschen.

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Schmelzende Gletscher gehören mittlerweile zu unserer Realität. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Melissa Bradley)

Was müsste sich gesellschaftlich tun, damit sich etwas für das Klima und damit gleichzeitig auch etwas für unsere Gesundheit ändern beziehungsweise verbessern kann?

Eine sehr gute Grundregel des ärztlichen Handelns lautet: erst die Diagnose, dann die Therapie. Wenn vielen Menschen immer noch nicht klar ist, in welcher wirklich bedrohlichen Situation wir sind, braucht es eine unverblümte Schilderung dessen, was heute schon passiert. Und was an Krisen, Konflikten und Vollkatastrophen auf uns zu kommt, wenn wir nicht handeln. Denn es liegt in der Natur der Kipppunkte, dass sie einmal überschritten, mit keinem Geld, keiner Erfindung und keiner Macht der Welt rückgängig gemacht werden können. Eine Art, die ausgestorben ist, kehrt nie mehr zurück. Wenn die Gletscher und Eismassen an den Polkappen abgeschmolzen sind, setzen Kettenreaktionen ein, die es immer heißer werden lassen und immer weiter.

Lies dazu auch: Heißer Sommer: Phänomen oder Zukunft?

Haben Sie konkrete Tipps, die jede:r Einzelne befolgen kann, um etwas für die „Gesundheit“ der Erde zu tun?

Die persönlichen Hebel sind weniger fliegen, weniger Fleisch und weniger Zeug kaufen und wegwerfen. Aber das reicht nicht. Sich schlau machen, sich verbünden und auf politische Veränderungen drängen, das ist das allerwichtigste. Und jeder kennt irgendwen, der etwas verändern kann, im Kleinen oder Großen. Und das alles ist ein Gewinn an Lebensqualität und Enkeltauglichkeit.

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Gibt es Ihrer Ansicht nach Dinge, die man als Weltverbesser:in tun kann, um gleichzeitig etwas für die eigene Gesundheit und für die Umwelt zu tun?

Da gibt es einiges: Radfahren statt Auto und Gemüse statt Fleisch zum Beispiel. Als Arzt interessiert mich der gesundheitliche Vorteil dieser Maßnahmen. Ich atme lieber die Abgase von 10 Radfahrern ein als von einem SUV. Und in einer Welt, in der rund 2 Milliarden Menschen übergewichtig und eine Milliarde mangelernährt sind, müsste es doch eine bessere Verteilung zum Wohle aller geben, oder? Die Idee einer „Planetary health Diet“ verbindet das, was dem Körper guttut, mit dem, was dem Planeten guttut. Und das ist vor allem weniger Fleisch, weniger Zucker und Milchprodukte, mehr Nüsse, Hülsenfrüchte und buntes Gemüse. Das kann man den Menschen nicht „vorschreiben“ aber „verschreiben“. Denn es kann Millionen Herzinfarkte und Schlaganfälle, praktisch alle großen Zivilisationskrankheiten verhindern, wenn wir uns mehr bewegen und weniger Übergewicht anhäufen. Wenn wir unsere krankmachenden Konsummuster unterbrechen, geht es nicht um Mangel oder Verzicht, sondern um das einzig sinnvolle und langfristige, um gesund zu sein und zu bleiben.

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Eine „Planetary health Diet“ tut dem Körper und dem Planeten gut. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Nasa)

In ihrem Buch sprechen Sie mit Visionär:innen, Vordenker:innen, Aktivist:innen und vielen anderen Menschen, die sich für eine bessere Welt einsetzen. Gibt es für Sie Vorbilder, Initiativen oder auch Start-Ups, die sich für „Innovation im Kontext Nachhaltigkeit und Gesundheit“ stark machen?

Ja, in meinem Buch stelle ich ganz viele Menschen, aus allen Gewerken und Generationen vor. Von Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ bis zu den „alten Hasen“: Ernst Ulrich von Weizsäcker, Sarah Wiener zeigte mir ihren Biohof, Antje Boetius berichtete von der Polarstern-Expedition, Hitzeforscher, Landwirte, Waldbauern, Naturschützer, ganz viele Visionär:innen kommen zu Wort. Wer neugierig ist, dem empfehle ich utopia.de – eine tolle Plattform für aktuelle Entwicklungen und praktische Tipps. Es gibt ja die Ideen und das Wissen. Und auch Beispiele, die funktionieren. Es fehlt oft nur der politische Wille und die Budgets es anzugehen. Ich bin seit Jahren auf dem deutschen Nachhaltigkeitspreis, wo jedes Mal tolle Initiativen und Unternehmen ausgezeichnet werden. Dort habe ich auch die Schimpansenforscherin Jane Goodall getroffen, die mir mit ihrer einfachen Frage die Augen geöffnet hat: „Wenn wir Menschen die schlauste Art auf diesem Planeten sind – warum zerstören wir dann unser eigenes Zuhause?“

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„Fridays for Future“: Proteste für den Klimaschutz. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Lewis Parsons)

Wie müssten wir uns (Mensch und Gesellschaft) künftig verhalten, damit wir noch zu retten sind?

Es ist nicht einfach, optimistisch zu bleiben. Aber zwei Punkte geben mir Anlass zur Hoffnung: Erstens – wir können noch etwas ändern, und es lohnt sich um jede Tonne vermiedener Emissionen und um jedes Zehntel Grad zu kämpfen. Entscheidend ist wirklich, was wir in diesem Jahrzehnt auf den Weg bringen. Und: wir erleben gerade historische Zeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat ein sensationelles Urteil gefällt, dass wir die Freiheit der nächsten Generationen zur Leitschnur der heutigen Entscheidungen machen müssen, damit ist klar, alle Parteien müssen dafür konkrete Umsetzungen anbieten. Das Klimathema hat nicht nur die Europawahl bestimmt, es ist das zentrale Thema für die nächste Regierung. Auch die Tatsache, dass mein Buch, über das wirklich nicht leichte Thema Klimawandel und Gesundheit seit Monaten an der Spitze der SPIEGEL Bestsellerliste steht, zeigt mir: viele Bürgerinnen und Bürger wollen Bescheid wissen, mitreden und mitgestalten, da sind sie vielleicht sogar im Kopf schon weiter als die große Politik.

Was wünschen Sie sich für eine gute und gesunde Zukunft von Erde und Menschheit?

Dass wir eine Zukunft haben! Ich wünsche das, was meine Generation an Unbeschwertheit genießen durfte allen die nach uns kommen mögen. Und mir wünsche ich, dass ich auch noch 30 gute Jahre dabei sein darf – so mir das vergönnt ist. Und wenn ich dann 2050 gefragt werden sollte, was hast du 2021 eigentlich gemacht, damit wir in den entscheidenden Jahren noch die Kurve bekommen, möchte ich sagen können: ich habe versucht eine Sprache und Bilder zu finden, die den Menschen etwas bedeuten, die etwas in ihnen bewegen, und die Mut machen auf Veränderung.  Denn: wir könnten es hier auf Erden echt schön haben. Schöner als jetzt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Eckart von Hirschhausen (Jahrgang 1967) studierte Medizin und Wissenschaftsjournalismus in Berlin, London und Heidelberg. Seine Spezialität: medizinische Inhalte auf humorvolle Art und Weise zu vermitteln und gesundes Lachen mit nachhaltigen Botschaften zu verbinden. Seit über 20 Jahren ist er als Komiker, Autor und Moderator unterwegs.

Seit dem Hitzesommer 20218 engagiert er sich für eine medizinisch und wissenschaftlich fundierte Klimapolitik. Eckart von Hirschhausen ist Mitglied von „Scientists for Future“ und Unterstützer der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“ (KLUG).

2020 gründete er die Stiftung „Gesunde Erde –  Gesunde Menschen“, um die wissenschaftlichen Grundlagen und den engen Zusammenhang von Klimaschutz und Gesundheitsschutz zu erforschen, das öffentliche Bewusstsein hierfür zu schärfen, fachübergreifende Kooperationen zur Verbesserung von Klima- und Gesundheitsschutz zu gestalten und aktiv zur Lösung der Probleme beizutragen. Mehr über Eckart von Hirschhausen erfahren Sie unter: www.hirschhausen.com und www.stiftung-geme.de

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