Um die Firma Tönnies häufen sich die Skandale: Erst veröffentlichten Tierschützer*innen verdeckte Aufnahmen von misshandelten Schweinen aus dem Betrieb eines Zulieferers. Nun wurde bekannt, dass ein Kühlhaus mit Tönnies-Ware monatelang von Ratten bevölkert war.
23.Juli 2020: Ein Kühlhaus im niedersächsischen Dissen soll seit mehr als fünf Monaten von Ratten befallen sein – das berichtete das Haller Kreisblatt. Ein Kunde des Kühllagers der Nagel Transthermos GmbH: Der Schlachtbetrieb Tönnies. Wie ein Sprecher des Unternehmens inzwischen bestätigt hat, gab es zwar „keine feste Zusammenarbeit“, aber Tönnies habe das Kühlhaus „sporadisch in einem geringen Umfang für beispielsweise die Lagerung von Waren in Anspruch genommen“.
Neben dem bekannten Schlachtbetrieb hatten auch andere Unternehmen wie die LVD Fleisch GmbH das Kühlhaus genutzt, unter anderem um Fleisch zu zerlegen. Der Firma wurde seitdem die Produktion untersagt, am 24. Juni hat sie ihre EU-Zulassung zurückgegeben.
Tönnies soll am 12. Juni von dem Befall erfahren und die im Zugriff befindlichen Waren gesperrt haben. Ob verunreinigte Ware verkauft wurden, ist noch unklar. In einer Pressemitteilung geht das Verwaltungsgericht Osnarbrück genauer auf die Zustände im Lager ein: Man habe Kotpillen, Laufwege, Fellreste und Anzeichen für Nestbau der Ratten gefunden – in Ausmaßen, die auf eine große Rattenpopulation hindeuteten. Maßnahmen zur Bekämpfung hätten bislang keinen Erfolg gezeigt, die Nager „bevölkerten“ das gesamte Gebäude.
Erste Hinweise auf die Population habe es bereits im Januar gegeben, der Veterinärdienst entdeckte den Befall allerdings erst im Juni während einer Routinekontrolle, so das Haller Kreisblatt.
Undercover-Aufnahmen: Tönnies-Zulieferer misshandelt Schweine
22.Juli 2020: Aufgebissene Ohren und Schwänze, blutige Augen, riesige Abszesse – die Szenen aus dem Video des Deutschen Tierschutzbüros sind unerträglich. Das Video soll Mastschweine eines Tönnies-Zulieferers aus Rheda-Wiedenbrück zeigen und wurde den Tierschützer*innen zugespielt. Einer Pressemitteilung zufolge stammen die Aufnahmen aus der Nacht vom 13. auf den 14. Juli.
„Solche gravierenden Verletzungen und Entzündungen passieren nicht über Nacht, hier scheint der Mäster seiner Fürsorge und Verantwortung nicht nachgekommen zu sein“, erklärt Denise Weber, eine Pressesprecherin des Tierschutzbüros. Darauf weise auch die schlechte Hygiene in den Ställen hin: Die Aufnahmen zeigen, dass die Gülle teilweise durch die Spalten am Boden dringt.
Die Verletzungen auf den Bildern scheinen nicht behandelt worden zu sein. Ein Schwein hat ein stark geschwollenes Auge, auf dem es wahrscheinlich blind ist. Einem anderen fehlt beinahe das ganze Ohr. „Hier müsste der Mäster einschreiten“, so Weber. „Das tut er aber scheinbar nicht.“ Das Tierschutzbüro sieht darin einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und hat den Schweinemastbetrieb bei der Staatsanwaltschaft Bielefeld angezeigt. Auch das zuständige Veterinäramt und Landwirtschaftsministerium seien informiert.
Hier kannst du das Video aus dem Mastbetrieb ansehen: (Achtung: Das Bildmaterial zeigt stark verletzte Tiere und kann psychisch belastend sein.)
Tönnies-Zulieferer: 1.000 Schweine auf engem Platz
Das Video aus dem Betrieb des Tönnies-Zulieferers ist nicht das erste, dass die schrecklichen Zustände in der Massentierhaltung offenlegt. Immer wieder machen verdeckte Aufnahmen aus Schweinezuchtanlagen oder Milchbetrieben sichtbar, wie billige Tierprodukte wirklich entstehen – und wer den Preis dafür zu zahlen hat.
Um Kosten zu sparen, haben die Tiere beispielsweise oft kaum Platz zur Verfügung: Der Tönnies-Zulieferer hält laut Tierschutzbüro 1.000 Schweine, einem Mastschwein stehen aber gesetzlich nur etwa 0,75 Quadratmeter zu. Ob die Verletzungen auf dem Video auch aufgrund von Platzmangel entstanden sind, ist unklar. Der Mäster habe gegenüber dem Tierschutzbüro bestätigt, dass es in seinem Betrieb nicht zu einem „Schweinestau“ gekommen sei. Die Zustände in den Ställen des Betriebs haben sich laut Informant*innen des Tierschutzbüros nicht verbessert – zumindest nicht bis einschließlich vergangenen Sonntag.
So äußerte sich Tönnies zum Video
Der Schlachtbetrieb Tönnies hat inzwischen eine Stellungnahme zu den verdeckten Aufnahmen veröffentlicht – die allerdings bezeichnend ist. Ein zuständiger Mitarbeiter erklärt darin, dass der Konzern Tiere auf ihre Gesundheit kontrolliere. Kranke Tiere werden nicht verarbeitet – wenn eines schwere Verletzungen aufzeigt, werde es stattdessen getötet und verworfen. Der Mäster, aus dessen Betrieb die Aufnahmen stammen sollen, sei bis auf Weiteres gesperrt.
Utopia meint: Fleischindustrie beutet Tiere und Menschen aus
Der Tönnies-Skandal hat uns darauf aufmerksam gemacht, wie Menschen von der Fleischindustrie ausgebeutet werden – durch niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und Nachlässigkeit beim Arbeitsschutz. Auch der Rattenbefall ist nur einer von vielen Hygieneskandalen rund um Billigfleisch. Und das Video des Deutschen Tierschutzbüros beweist: Auch auf das Wohl der Tiere nehmen Massentierhaltungsbetriebe keine Rücksicht.
Aber: Du musst dabei nicht mitmachen. Boykottiere Tönnies-Marken und andere Billigware – Bio-Tierprodukte sind die bessere Alternative, am besten mit Siegeln von strengen Verbänden wie Bioland, Naturland und Demeter. Bei Fleisch gilt ohnehin: weniger ist mehr. Wenn du deinen Fleischkonsum reduzieren möchtest, findest du hier Tipps: Weniger Fleisch essen: Die 5 besten Tipps aus unserer Community
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