Zuckrige Babykekse, Ochsenschwanzsuppe ohne Ochsenschwanz, Urkorn-Müsli mit viel Haferflocken statt viel Urkorn: Zahlreiche Produkte täuschen die VerbraucherInnen – und waren daher nominiert für die dreisteste Werbelüge beim „Goldenen Windbeutel“ 2017. „Gewonnen“ hat nun der Alete-Babykeks.
Babynahrungshersteller Alete verspricht Eltern auf der Packungsvorderseite „babygerechte“ Kinderkekse, die ab dem achten Monat „zum Knabbernlernen“ geeignet seien. Foodwatch mahnt an: Mit 25 Prozent Zuckeranteil sind die Kinderkekse zuckriger als beispielsweise Leibniz Butterkekse, daher nicht babygerecht, sondern kariesfördernd. Spannend ist auch die Stellungnahme des Herstellers auf die Frage, was genau denn am Zuckerkeks babygerecht sei – es ist nämlich bloß die babygerechte Form des Kekses.
Online konnten VerbraucherInnen über den Goldenen Windbeutel 2017 abstimmen: Rund 50 Prozent der 70.000 TeilnehmerInnen stimmten für den Alete Kinderkeks.
Kein Zucker in der Beikost
„Alete nutzt sein positives Image bei Eltern aus, um auf Kosten der Kleinsten Kasse zu machen – das grenzt an Körperverletzung durch Irreführung“, sagte Sophie Unger von Foodwatch. Die Verbraucherorganisation forderte den Babynahrungshersteller auf, das Produkt vom Markt zu nehmen und sein Sortiment zu überarbeiten.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät für die Ernährung von Säuglingen und Kleinkindern: „Salz und Zucker sollten nicht in Beikost zugesetzt sein”. Auch das von der Bundesregierung ins Leben gerufene Netzwerk „Gesund ins Leben“ empfiehlt als Beikost für Säuglinge „Produkte ohne Zugabe von Zucker“. Lücken in der EU-Verordnung über Babylebensmittel lassen laut Foodwatch zu, dass „selbst Kekse mit einem Zuckergehalt von bis zu 34 Prozent noch als empfehlenswerte Produkte für Säuglinge beworben werden“.
Nach dem Start der Windbeutel-Wahl hatte Alete reagiert und Anfang November angekündigt, seine Kekse nicht länger auf der Packung als „babygerecht“ zu bezeichnen. Gleichzeitig sagte Alete, dass an einer verbesserten Rezeptur des Alete Kinderkeks gearbeitet werde.
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Schon seit mehreren Jahren kürt die Verbraucherorganisation Foodwatch Produkte mit besonders dreisten Werbelügen. Für den „Goldenen Windbeutel“ nominiert werden Produkte aus dem Supermarkt-Regal, die allzu vollmundige Versprechen machen oder durch Namensgebung und Packungsgestaltung Vorteile vorgaukeln, die keine sind.
Dreiste Werbelügen 2017
Folgende fünf Produkte betrachtet Foodwatch kritisch und standen 2017 im Zusammenhang mit Werbelügen zur Wahl:
Bauer Protein Drink Vanille ist überflüssig überteuert
„Proteine“ klingen immer gut und sind voll im Trend bei Ernährungsbewussten. Entsprechend vermarktet Bauer seinen Protein-Drink als Sport-Getränk für eine „fitnessorientierte und alltagsaktive Zielgruppe“ und erfüllt nach eigenen Angaben „den Wunsch nach proteinreichen Trendprodukten“. Kurz: Der Konsument will es angeblich so.
Mag sein, doch das zugesetzte Protein ist laut Foodwatch völlig überflüssig und reines Marketing-Tamtam, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen – andere Vanillemilch sei preisgünstiger und nicht schlechter. Ohnehin würden Männer und Frauen in Deutschland schon mehr Protein zu sich nehmen als Ernährungsexperten empfehlen.
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Lacroix Ochsenschwanz Suppe lässt Ochsenschwanz weg
Seine Dosensuppe bezeichnet Hersteller Continental Foods als „kleinen kulinarischen Höhepunkt des Tages“ und hebt seine „Lacroix-Qualitätsphilosophie“ hervor. Nun sollte man erwarten, dass in einer Ochsenschwanzsuppe auch Ochsenschwanz enthalten ist. Ist aber nicht so.
„Die Bundesregierung hat zwar schon vor Jahren das Problem anerkannt, aber wirksame Regeln gegen Etikettenschwindel gibt es bis heute nicht. Die Lebensmittelindustrie kann weiter tricksen und täuschen.“ – Sophie Unger, Foodwatch
Laut „Goldenem Windbeutel“ fehlt die namensgebende Hauptzutat einfach. Der Hersteller begründet das in seiner Stellungnahme an Foodwatch mit „Qualitätsgründen“ und dass nur bei Produktnamen wie „original“ oder „klassische Ochsenschwanzsuppe“ auch wirklich Ochsenschwanz enthalten sein müsse.
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Kellogg‘s Urlegenden Müsli spart am „Urkorn“
Urig muss es sein, irgendwie ursprünglich – das klingt ja immer gut. Und so wirbt das Müsli auf der Packung vorne und hinten mit dem Hinweis „Urkorn“ und schwadroniert irgendwas von „Urzeiten“, „heldenhaften Legenden“ und „Urgetreide“.
Gemeint sind wahrscheinlich Quinoa und Chia-Samen. Doch ausgerechnet diese Ur-Zutaten sind nur in kleinsten Mengen enthalten – Quinoa 2,5%, Chia 1% –, während gewöhnlicher Vollkornhafer (51%), Sultaninen (9%) und Vollkorngerste (9%) den eigentlichen Hauptinhalt ausmachen.
Auch reichlich drin: Versteckter Zucker unter verschiedenen Tarn-Namen (Melasse, Glukosesirup), sowie Palmöl und Zusatzstoffe. Nachfragen der Verbraucherorganisation beantwortete Kellog’s nicht.
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Unilever Becel Omega-3 Pflanzenöl vergleicht sich unsinnig
Das Becel Omega-3-Öl rühmt sich auf dem Etikett damit, „3x mehr Omega-3 als Olivenöl“ zu enthalten – „für ein gesundes Herz-Kreislaufsystem“. Wahr ist: Omega-3-Fettsäuren sind definitiv gut. Was Hersteller Unilever unerwähnt lässt: Der Vergleich mit Olivenöl ist irreführend, denn dieses enthält naturgemäß nicht besonders viel Omega-3.
Herkömmliches Rapsöl hingegen enthält ein Drittel mehr der wichtigen Fettsäure – und kostet deutlich weniger als das vermeintlich hochwertige Gesundheitsprodukt des Lebensmittelriesen Unilever. Nachfragen der Verbraucherschützer ließ Unilever unbeantwortet.
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2017 vergibt Foodwatch den Goldenen Windbeutel zum siebten Mal und preist damit seit 2009 dreiste Werbelügen an. Bisherige Preisträger waren unter anderem den fast schon legendären Trinkjoghurt Actimel von Danone (2009) und die Milch-Schnitte von Ferrero (2011).
Heute will Foodwatch Alete den „Goldenen Windbeutel 2017“ am Alete-Verwaltungssitz in Bad Homburg bei Frankfurt überreichen.
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