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Eiweiß: Zu viel Protein schadet den Nieren, zu wenig dem ganzen Körper

Eiweiss
Foto: Colourbox.de

Eiweiß steckt in Fleisch und Milchprodukten, aber auch mit pflanzlichen Lebensmitteln lässt sich der Bedarf decken. Sportler:innen greifen gerne zu zusätzlichen Eiweißpulvern und Protein-Shakes – doch ist das tatsächlich notwendig? Wie viel Protein braucht der Körper und welche Aufgaben hat es?

Eiweiße sind Proteine

Nicht immer ist allen klar, dass es sich bei beiden Begriffen um ein und denselben Stoff handelt: „Eiweiß“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Protein. Proteine gehören neben Fetten und Kohlenhydraten zu den energieliefernden Makronährstoffen. Chemisch gesehen bestehen sie aus Aminosäuren, von denen unser Körper 20 Stück zum Erhalt seiner Körperfunktionen braucht, acht davon sind unentbehrlich und müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Wir müssen also Eiweiß zu uns nehmen, das während der Verdauung in Aminosäuren aufgespalten wird und so den Aufbau und den Erhalt von Muskeln, Organen, Knorpel, Knochen, Haut, Haaren und Nägeln sicherstellt.

Proteine sind in jeder unserer Zellen zu finden – die verschiedenen Eiweiße erfüllen unterschiedliche Aufgaben: Strukturproteine sorgen für die Stabilität von Organen und Geweben, andere sorgen für den Transport von Stoffen im Blut und in der Zelle, wieder andere Proteine erfüllen Funktionen im Immun- und Abwehrsystem des Körpers, beeinflussen chemische Reaktionen in den Zellen oder regulieren den Stoffwechsel.

Eiweiß für die Muskeln

Jede:r weiß mittlerweile, dass der Hauptbestandteil unserer Muskeln körpereigenes Eiweiß ist. Davon leitet sich der Glaube ab, dass man umso mehr Muskeln aufbauen könne, je mehr Eiweiß man verzehrt. Daher werden insbesondere in Fitness-Studios gerne „trainingsoptimierende“ Pülverchen angeboten, um den angestrebten Muskelaufbau zu maximieren.

Ein Proteinshake nach dem Training ist unnötig.
Leider wahr: Ein Proteinshake nach dem Training ist unnötig. (Foto © Peter unter CC BY 2.0 )

Was dabei immer wieder vergessen wird: Die wichtigste Energiequelle für unseren Muskelmotor sind Kohlenhydrate. Und: Eiweiß allein macht keine Muskeln – nur das regelmäßige und effektive Training baut sie auf. Um Muskelmasse zu erhalten oder aufzubauen, reicht Eiweiß deshalb allein nicht aus. „Aber ohne einen entsprechenden Trainingsreiz findet keine Anpassung im Körper statt und damit auch kein Wachstum“, betont der Sportwissenschaftler Karsten Krüger gegenüber der dpa. Wer von Eiweiß richtig profitieren will, sollte also Bewegung und vor allem Krafttraining in seinen Alltag einbauen.

Vor extremen Eiweiß-Diäten oder Pulvern, die Mahlzeiten ersetzen, warnt der Experte: „Damit läuft man sehenden Auges in einen Nährstoffmangel.“

Der Ernährungs- und Sportwissenschaftler Winfried Keuthage rät im Gespräch mit der dpa außerdem zur Vorsicht bei High-Protein-Produkten, mit denen die Industrie wirbt. „Proteinriegel mit vielen Nüssen sind nicht grundsätzlich verkehrt, aber sie enthalten oft künstliche Aromen und Süßstoff.“

Eiweiß-Shakes, die Sportler:innen helfen sollen, Muskeln aufzubauen, seien ihm zufolge „cremig, praktisch und gut“, weil sie gut sättigten. Ihnen – wie auch Eiweiß-Puddings – fehlten aber die wichtigen Ballaststoffe, von denen wir 30 Gramm am Tag zu uns nehmen sollten. Eiweißpulver sei laut Keuthage okay, „aber bitte kombiniert mit Haferflocken“.

Zu viel Eiweiß schadet den Nieren

Mit Eiweiß sollte man es generell nicht übertrieben, denn: Eine zu hohe Eiweißzufuhr kann die Nieren belasten. Überflüssiges Eiweiß wird im Körper zu Harnstoff umgewandelt und muss über die Nieren mit dem Urin abtransportiert werden. Bei einer bereits vorliegenden Nierenfunktionsstörung kann es zu einer weiteren Verschlechterung der Nierenfunktion kommen. Bei gesunden Menschen gibt es (noch) nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse, um den Zusammenhang zwischen der Proteinzufuhr und der Nierenfunktion abschließend zu beurteilen. Dennoch scheint das Motto „Viel hilft viel“ bei Protein nicht unbedingt zuzutreffen.

Durch die hochdosierte Einnahme von einzelnen Aminosäuren in Form von Proteinpräparaten kann es zudem zu einem Ungleichgewicht im Aminosäurestoffwechsel kommen: In Tiermodellen kam es dabei zu Unterversorgungen mit anderen Aminosäuren oder zu neurologischen Störungen. Wer Proteinpulver einnimmt, sollte deshalb sicherheitshalber seine Nierenfunktion ärztlich überprüfen lassen und unbedingt auch auf die Zutaten der Präparate achten: Wie die Verbraucherzentrale Bremen 2020 herausfand, enthalten viele Präparate Zusatzstoffe, künstliche Süßungsmittel und Aromen.

Eiweißbedarf für Erwachsene

Bei normaler körperlicher Tätigkeit müssen dem (normalgewichtigen) Körper laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) täglich etwa 0,8 g Eiweiß pro Kilo Körpergewicht zugeführt werden. Die tatsächliche Eiweißzufuhr übersteigt in Deutschland diese Empfehlung und liegt bei ca. 1,2 g pro Kilo Körpergewicht am Tag. Dieser Wert entspricht genau dem, was dem Körper zum Muskelaufbau in Trainingsphasen zugeführt werden sollte.

Daher ist eine zusätzliche Eiweißzufuhr durch spezielle Eiweißpräparate in aller Regel nicht notwendig. Unter extremsten Trainingsbedingungen ist eine maximale Eiweißzufuhr von bis zu zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht tolerierbar – aber mal ehrlich, wer von euch trainiert wirklich täglich so hart wie ein:e Extremsportler:in? Und auch diese zwei Gramm könnten durch normale Nahrung ohne spezielle Eiweißpräparate erreicht werden.

Wie viel sind zwei Gramm Eiweiß? Wenn du normalgewichtig bist, kannst du deinen Bedarf einfach ausrechnen: Ein Mensch von 70 Kilo Körpergewicht braucht also 56 g (70 x 0,8 g) Eiweiß am Tag. Das entspricht – bei drei Mahlzeiten am Tag – etwa 18 g pro Mahlzeit. Und das wiederum entspricht 50 g gegartem Tofu und 100 g gegarten Champignons. Wer übergewichtig ist, sollte sich lieber auf Faustformeln beziehen, nach denen Eiweiß nur zehn bis 15 Prozent der Mahlzeit ausmachen soll: Konkret sind das für Frauen bis 20 g pro Mahlzeit, für Männer bis 25 g.

Übrigens: Schwangere, stillende Frauen und Erwachsene über 65 Jahren haben einen leicht erhöhten Bedarf an Eiweiß, doch auch der liegt im Schnitt bei 58 beziehungsweise 63 g pro Tag.

In welchen Lebensmitteln steckt Eiweiß?

Einfach zu behalten und umzusetzen ist die „100-Gramm-Faustformel“. Die meisten eiweißhaltigen Lebensmittel enthalten pro 100 g so viel Eiweiß, wie du pro Mahlzeit brauchst: 100 g Käse, Fleisch, Fisch, Nüsse und Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder Linsen. Nur wenn der Wassergehalt recht hoch ist, darfst du noch mal zugreifen. 20 bis 25 g Eiweiß sind in etwa 200 g Quark, Joghurt oder 150 g Tofu enthalten.

Ein eher unbekannter Eiweißlieferant ist gleichzeitig auch eine gute Kohlenhydratquelle, nämlich Getreide. Die gängigen Getreidesorten wie Weizen und Hafer bieten stolze 10 bis 12 g Eiweiß pro 100 g. Es empfiehlt sich, eine umfangreiche Nährwerttabelle anzuschaffen und einmal bewusst die einzelnen Zutaten abzuwiegen, um sich den eigenen Eiweißkonsum vor Augen zu führen. Also keine Angst – Eiweiß bekommst du durch normale Ernährung schon (viel) mehr als genug.

Wie verteile ich meine Eiweißzufuhr über den Tag?

Am besten auf drei Hauptmahlzeiten. „Vor allem morgens gibt es ein Ungleichgewicht bei der Eiweißversorgung“, sagt Karsten Krüger. Wer morgens zum Beispiel Omelett oder Eiweißbrot isst, legt die Grundlage für eine gute Eiweißversorgung über den Tag.

Allen, die am Nachmittag noch Sport treiben möchten, empfiehlt der Sportwissenschaftler einen eiweißreichen Snack für den Hunger zwischendurch. Denn das sorge nicht nur für Proteinzufuhr, sondern mache auch gut satt.

Wer Gewicht verlieren möchte, sollte jedoch Essenspausen von etwa vier Stunden einhalten. „Das gehört dazu, dass man das erträgt“, sagt Krüger. Denn auf diese Weise sinkt der Insulinspiegel, und der Körper greift vermehrt auf Fette als Energielieferanten zurück.

Biologische Wertigkeit: Gibt es „gutes“ und „schlechtes“ Eiweiß?

Klar, viel Eiweiß steckt in Fleisch, aber auch in Milchprodukten, Fisch und Wurst. Allerdings gibt es auch genug pflanzliche Lebensmittel, mit denen es möglich ist, den täglichen Eiweißkonsum zu decken. Dabei sollte nach Möglichkeit die „biologische Wertigkeit“ des Eiweißes bedacht werden. Sie beschreibt, wie ähnlich das aufgenommene Eiweiß den körpereigenen Proteinstrukturen ist und wie viel davon für den Aufbau von Körpereiweiß erforderlich ist. Je mehr die Struktur der Aminosäuren des Nahrungsmittels denen des menschlichen Körpers ähnelt, desto höher ist die biologische Wertigkeit.

Jetzt wird’s kompliziert: Der Referenzwert für die biologische Wertigkeit ist ein Ei, das einen Wert von 100 aufweist. Je niedriger dieser Wert ist, desto mehr musst du von dieser Eiweißquelle aufnehmen, um daraus deinen Eiweißbedarf zu decken. Da jedes eiweißreiche Lebensmittel eine andere Aminosäuren-Zusammensetzung hat, kann eine Kombination verschiedener Eiweißquellen die biologische Wertigkeit erhöhen.

Die Kombination von Kartoffeln und Ei hat eine hohe biologische Wertigkeit
Die Kombination von Kartoffeln und Ei hat eine hohe biologische Wertigkeit (Foto © Markus Tacker unter CC BY 2.0)

Servierst du also zu deinem Spiegelei Kartoffeln, erzielst du damit einen Wert von 137 und damit eine wesentlich höhere biologische Wertigkeit, als wenn du nur das Ei isst. Bohnen und Mais ergeben zusammen eine Wertigkeit von 101 – es ist also auch für Veganer:innen möglich, Protein mit einer hohen biologischen Wertigkeit aufzunehmen. In jedem Fall gilt: Die Mischung macht’s – je vielseitiger und bunter deine Ernährung, desto besser!

Was Utopia empfiehlt

Finger weg von Eiweißpulvern, Eiweißshakes, Eiweißriegeln und anderen Produkten, die künstlich die tägliche Eiweißzufuhr erhöhen. Kontrolliere lieber deine Essgewohnheiten – wahrscheinlich nimmst du bereits (zu) viel Eiweiß zu dir. Je bunter und vielfältiger deine Ernährung, desto größer die Chance, die biologische Wertigkeit deiner Eiweißaufnahme zu erhöhen. Sorg also für Abwechslung in deiner Ernährung, die auch gerne rein pflanzlich ausfallen darf.

Übrigens: Utopia hat sich nicht nur Eiweiß, sondern auch die anderen zwei Makronährstoffe für dich angeschaut. Hier liest du mehr:

Mit Material der dpa.

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