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Drosten hält Corona-Pandemie für überwunden: Diskussion über restliche Maßnahmen

Drosten hält Corona-Pandemie für überwunden: Diskussion über restliche Maßnahmen
Foto: Michael Kappeler/dpa

In Deutschland mehren sich Stimmen, wonach die Corona-Pandemie vorbei ist. Auch der Virologe Christian Drosten kommt zu dieser Einschätzung. Politiker:innen diskutieren jetzt über noch vorhandene Maßnahmen.

Die Corona-Pandemie ist aufgrund der breiten Immunität in der Bevölkerung nach Ansicht des Virologen Christian Drosten in Deutschland ausgestanden. Das sagte er dem Tagesspiegel. Nach fast drei Jahren Pandemie steuern ihm zufolge mehrere Bundesländer in Richtung einer neuen Normalität im Umgang mit dem Virus – weg von Alltagsauflagen und Verhaltensempfehlungen.

FDP gegen Corona-Maßnahmen – Grünen mahnen zu Vorsicht

Politiker:innen der Koalitionsparteien Grüne und FDP setzen im weiteren Umgang mit dem Coronavirus unterschiedliche Schwerpunkte. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen mahnte für den Winter noch Vorsicht an. „Zurzeit spricht vieles dafür, dass sich das Coronavirus kaum noch verändert und seine zurzeit noch starke Verbreitung mit dem Ende dieses Winters endlich deutlich zurückgehen wird“, sagte er am Dienstag dem Tagesspiegel. Bis zum Frühjahr sollte man aus Dahmens Sicht wegen der aktuell noch starken Verbreitung des Virus, damit einhergehenden Personalausfällen und der Belastung des Gesundheitswesens aber „weiter rücksichtsvoll sein und in Innenräumen deshalb Maske tragen, Händehygiene einhalten und auf regelmäßig Lüften achten.“

Angesichts von Äußerungen des Virologen Christian Drosten, der die Pandemie als „vorbei“ bezeichnet hatte, sieht der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hingegen keinen Grund mehr für Corona-Schutzmaßnahmen. Mit dieser Erklärung von Drosten werde „jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen“, sagte Kubicki der Zeitung. Er erwarte, dass die Koalitionspartner:innen im Bund so schnell wie möglich zusammenkämen und eine entsprechende gesetzliche Änderung des Infektionsschutzgesetzes angingen. „Dies ist verfassungsrechtlich geboten.“ Auch die Länder müssten jetzt ihre jeweiligen Maßnahmen beenden, forderte der FDP-Politiker.

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann plädiert nach Äußerungen von Drosten über ein Ende der Corona-Pandemie für ein Auslaufen aller Schutzmaßnahmen. „Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern“, schrieb der FDP-Politiker am Montag auf Twitter. „Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden“, forderte Buschmann.

Drosten: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle“

Drosten hatte zuvor erklärt: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei.“ Die Immunität in der Bevölkerung werde nach diesem Winter so breit und belastbar sein, dass das Virus im Sommer kaum noch durchkommen könne, sagte der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité. Als einzige Einschränkung nannte der Virologe einen weiteren Mutationssprung. „Aber auch das erwarte ich im Moment nicht mehr.“

Rückblickend hält der Virologe die ergriffenen Corona-Maßnahmen für weitgehend gerechtfertigt. „Hätte man gar nichts gemacht, dann wäre man in Deutschland in den Wellen bis zu Delta auf eine Million Tote oder mehr gekommen“, sagte Drosten.

Das ist eine Endemie

Der häufig etwas unscharf verwendete Begriff Endemie beschreibt einen Zustand, in dem die Infektionswellen abflachen und damit für einen Großteil der Bevölkerung die Auswirkungen des Infektionsgeschehens weniger gravierend sind. Basis bildet eine breit vorhandene Immunität durch Impfungen und/oder überstandene Infektionen, die für weniger Ansteckungen und mildere Verläufe sorgt. Das Immunsystem ist nicht mehr mit einem neuartigen Erreger konfrontiert, es reagiert schneller und besser auf eine Infektion.

Die Einschätzung, dass der pandemische Zustand überwunden ist, teilen inzwischen viele Expert:innen. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte bereits Ende Oktober gesagt, er halte Sars-CoV-2 inzwischen für ein endemisches Virus. Er verwies dabei darauf, dass die Frage Pandemie versus Endemie wohl mehr von psychologischer als von wissenschaftlicher Bedeutung sei. Denn klar muss sein: Endemie bedeutet nicht, dass das Virus verschwindet. Es wird dauerhaft mit relativ konstanter Erkrankungszahl auftreten.

Lauterbach gegen sofortiges Ende aller Corona-Maßnahmen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lehnt eine schnelle Aufhebung der noch bestehenden Corona-Maßnahmen ab. „Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

„Christian Drosten hat Recht, dass wir in den endemischen Zustand der Coronawellen übergegangen sind, die Wellen betreffen nur Teile der Bevölkerung“, sagte Lauterbach. Trotzdem gelte es, jetzt noch die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, etwa durch Masken in Pflegeeinrichtungen oder durch die Isolation am Arbeitsplatz. „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch und der Winter ist noch nicht zu Ende.“

Ärzte plädieren für freiwilliges Masketragen nach der Corona-Pandemie

Trotz der zu Ende gehenden Corona-Pandemie appellieren auch Ärztevertreter an die Bevölkerung, weiterhin Schutzmaßnahmen beizubehalten. „Ist es nicht klug, dass Menschen – auch für die Zukunft -, die Infekte haben, welcher Art auch immer, und die dann ansteckend sind, sich ein paar Tage lang isolieren, zurücknehmen, mit ein bisschen Umsicht und Nachsicht darüber nachdenken, inwieweit sie sich in Menschenansammlungen begeben?“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Dienstag im Deutschlandfunk. Er stellte allerdings infrage, „inwieweit wir noch rechtliche Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes brauchen“.

Das Tragen von Masken in bestimmten Situationen hält auch Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, für sinnvoll. „Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Montgomery sprach sich für das Tragen von Masken in Arztpraxen aus – ebenso in engen und schlecht belüfteten Innenräumen. Als Beispiel nannte Montgomery U- und S-Bahnen im Berufsverkehr.

Wie zuvor Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité, sieht auch Reinhardt die Corona-Pandemie an ihrem Ende. „Wir werden nicht eine solche Dynamik von Infektionen haben, wie wir sie eben in den letzten zweieinhalb Jahren haben beobachten können“, sagte Reinhardt. „Aber wir werden immer wieder auch kleinere Wellen natürlich beobachten im Rahmen von saisonalen Veränderungen“, ergänzte er.

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