Wer in Deutschland zur Mittelschicht zählt, ist umstritten. Ein deutsches Forschungsinstitut hat analysiert, wer ihr angehört – auch in weiteren europäischen Ländern. Dabei wurden mehrere Aspekte untersucht.
Vielen ist nicht ganz klar, wer in Deutschland der Mittelschicht angehört. Eine Studie des Think-Tanks Progressives Zentrum ergab bereits im Mai, dass sich sowohl Menschen mit höherem Einkommen als auch solche mit niedrigerem Einkommen als der Durchschnitt oft fälschlicherweise dazurechnen.
Das Institut für Wirtschaftsforschung in München (ifo) schlüsselt nun durch eine neue, im Juli erschienene Studie auf, wer mit welchem Einkommen zur Mittelschicht gehört. Dabei untersuchten die Forscher:innen im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und zusammen mit EconPol Europe die Mittelschicht in 28 europäischen Ländern. Die Forscher:innen des ifo-Instituts analysierten, wer in welchem europäischen Land zur Mittelschicht gehört, wie viel man sich als Teil der Mittelschicht leisten kann und wie groß die Steuerbelastung ist.
Wer gehört zur Mittelschicht?
Der ifo-Studie zufolge gehören die Haushalte zur Mittelschicht, denen zwischen 75 und 200 Prozent des Medianeinkommens ihres Landes zur Verfügung stehen. Dabei bedeutet Median, dass jeweils genau die Hälfte der Haushalte des Landes mehr beziehungsweise weniger Einkommen beziehen. In der Studie wurde das Nettoeinkommen betrachtet.
Laut dieser Definition gehören in Deutschland diejenigen Haushalte zur Mittelschicht, denen zwischen 19.013 und 50.701 Euro im Jahr zur Verfügung stehen. Im europäischen Vergleich ist Deutschland damit das Land mit dem siebthöchsten Medianeinkommen.
Auf Platz eins liegt Luxemburg, wo sich die Mittelschicht zwischen 30.618 und 81.649 Euro ansiedelt. Dänemark und Finnland landen in der Studie auf den Plätzen zwei und drei. Die Schlusslichter bilden Ungarn, Rumänien und schließlich Bulgarien. In dem letztplatzierten Land verdient die Mittelschicht zwischen 2.808 und 7.756 Euro im Jahr.
Wie viel kann man sich als Teil der Mittelschicht leisten?
Die Forscher:innen des ifo-Instituts untersuchten in der Studie auch das Preisniveau des jeweiligen Landes – und verbunden damit die Kaufkraft der Mittelschicht. Sie analysierten also, wie viel die Angehörigen der Mittelschicht eines Landes sich für ihr Geld leisten können. Die Ergebnisse gaben sie in Purchasing Power Standards (PPS) an, einer künstlichen Währung, die den Effekt der länderübergreifenden Unterschiede im Preisniveau eliminiert und einen direkten Vergleich der Einkommensschwellen zwischen den Mitgliedstaaten ermöglicht.
Da so entstandene Ranking ähnelt das des Einkommens. Luxemburg bleibt auf Platz eins, gefolgt von Deutschland und Österreich. Das heißt, dass aufgrund eines niedrigen Preisniveaus bei beispielsweise Lebensmitteln, sich die deutschen Bürger:innen im europäischen Vergleich für ihr Geld mehr leisten können. Ungarn, Rumänien und Bulgarien belegen auch bei der Kaufkraft die letzten Plätze.
Steuerbelastung für Familien mit 1-2 Verdiener:innen
Die ifo-Forscher:innen untersuchten die Steuerlast der Mittelschicht anhand von drei Szenarien: Singles, Familien mit einer verdienenden Person und Familien mit zwei Verdiener:innen.
Deutschland liegt bei der Steuerlast der doppelt verdienenden Familien auf Platz vier, während es im Alleinverdiener-Modell Platz neun erreicht. Wenn also beide Personen in einer Familie arbeiten, würden beim selben Einkommen mehr Steuern anfallen. Die ist auf die Auswirkungen des Ehegattensplittings in Deutschland zurückzuführen, welches in vielen anderen europäischen Ländern nicht existiert.
Alleinverdiener:innen-Familien der Mittelschicht zahlen in Deutschland ungefähr 25 Prozent Steuern. Die Alleinverdiener:innen-Familien der oberen Mittelschicht, also die Haushalte mit 150 bis 200 Prozent des Medianeinkommens, zahlen knapp 30 Prozent Steuern. Doppelverdiener-Familien der Mittelschicht zahlen 26 Prozent, in der oberen Mittelschicht sind es 34 Prozent.
Steuerbelastung von Singles in Deutschland
Jedoch zahlen in Deutschland Singles laut der Studie am meisten Steuern. In der unteren Mittelschicht, zwischen 75 bis 100 Prozent des Medianeinkommens, fällt demnach für Singles eine Steuerlast von 35 Prozent an. Singles der mittleren und oberen Mittelschicht zahlen 41 beziehungsweise 44 Prozent Steuern. Neben Einkommen und Preisniveau beeinflusst also auch die Familiensituation und ob der:die Partner:in arbeitet, wie viel Geld Durchschnittsverdiener:innen in Deutschland zur Verfügung steht.
Verwendete Quellen: Studie Ifo-Institut, Progressives Zentrum
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