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Experte klärt auf: Schläft man bei Vollmond wirklich schlecht?

Vollmond schlaf
Foto: CC0 / Unsplash / Ganapathy Kumar; CC0 / Pexels / Andrea Piacquadio

Viele Menschen in Deutschland schlafen schlecht. Doch schlafen sie in Vollmond-Phasen wirklich schlechter? Und was ist eigentlich die Wolfsstunde? Ein Schlafexperte erklärt die Zusammenhänge.

Viele Deutsche schlafen schlecht. Nach einer Umfrage des Robert Koch-Instituts (RKI) leidet jede:r vierte Deutsche an Schlafstörungen. Doch Vollmondnächte scheinen kein Grund dafür zu sein, erklärt Schlafforscher Jürgen Zulley im Interview mit dem Spiegel: Negative Auswirkungen des Vollmonds auf den Schlaf konnten wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden.

Zulley ist außerplanmäßiger Professor – eine Art Ehrentitel für besondere Verdienste – für Biologische Psychologie an der Universität in Regensburg. In der Schlafforschung arbeitet er seit 50 Jahren und er hat einige Bücher zu dem Thema geschrieben. Bis zur Rente leitete er das Schlafmedizinische Zentrum am Universitäts- und Bezirksklinikum Regensburg. 

Knapp die Hälfte der Deutschen unzufrieden mit ihrem Schlaf

Dem RKI nach ist es jede:r Vierte; Zulley zitiert eine andere Umfrage, bei der sogar 42 Prozent der Deutschen angaben, unzufrieden mit ihrem Schlaf zu sein. Die verbreitetste Form der Schlafstörung sei dabei die Durchschlafstörung. Menschen wachten nachts auf und könnten für längere Zeit nicht wieder einschlafen. 

Zulley kam in seiner Forschung sogar zu dem Ergebnis, erklärt er gegenüber dem Spiegel, dass Menschen mit einer durchschnittlichen Schlafgewohnheit nachts bis zu 28 Mal aufwachten. Die meisten könnten sich nur nicht daran erinnern. Und solange man direkt wieder einschläft, sei dies auch gar kein Problem.

Selbsterfüllende Prophezeiung und selektive Wahrnehmung

Doch schlafen Menschen gerade in Zeiten des Vollmondes schlecht – oder schlechter als generell? Viele wissenschaftliche Studien haben sich mit dieser Frage beschäftigt. Doch Zulley zufolge konnten die meisten keinen Zusammenhang zwischen Vollmond und schlechtem Schlaf nachweisen. Für eine aufwändige wissenschaftliche Studie in Österreich beispielsweise hätten Wissenschaftler:innen über sechs Jahre lang 5000 Nächte miteinander verglichen. Das Ergebnis: die Menschen schliefen in Mondphasen genauso häufig schlecht wie in anderen Nächten. 

Es gäbe aber durchaus Erklärungen, warum Menschen dennoch glaubten bei Vollmond schlecht zu schlafen. Ein Grund könnte die sogenannte selbsterfüllende Prophezeiung sein. Wer schon annehme, bei Vollmond schlecht zu schlafen, sei angespannter und schlafe dann in der Konsequenz schlechter, so Zulley. 

Ein anderer Grund sei die „selektive Wahrnehmung“, also dass sich Menschen nur an bestimmte Vorkommnisse erinnerten. Und zwar an jene, die mit der eigenen Erwartung übereinstimmten, so Zulley. Wer in einer Nacht schlecht schlief, mag das vielleicht schon bald vergessen. Sei es jedoch eine Vollmond-Nacht gewesen, merke die Person sich diese Erfahrung eher, und erzähle sie vielleicht sogar weiter. 

„Wenn mein Herz rast und ich weiß nicht warum, macht mir das Angst"

Und Zulley hat auch eine Vermutung, warum sich der Glaube dennoch so hartnäckig halte. Wenn Menschen eine Erklärung für ihren schlechten Schlaf fänden, seien sie beruhigter. Er nennt ein Beispiel: „Wenn mein Herz rast und ich weiß nicht warum, macht mir das Angst. Wenn mein Herz rast, weil ich die Treppe hochgerannt bin, ist das kein Problem.“

Einen direkten, physischen Zusammenhang zwischen Vollmond und schlechtem Schlaf könne es, wie er dem Spiegel erklärt, dennoch geben: Das Licht des Mondes. Es könne insbesondere in Vollmond-Nächten, gerade auch ohne Wolken am Himmel, stören – und ganz besonders Menschen ohne Vorhänge vor ihren Fenstern. Auch ein direkter Zusammenhang zwischen Vollmond und Schlafwandeln sei nicht belegt. Doch das Licht des Mondes könnte gegebenenfalls als Störreiz auch Schlafwandeln auslösen, spekuliert Zulley. Doch bewiesen sei das nicht. 

Im Gegensatz zu heute sei dem Mond früher sogar eine positive Wirkung auf den Menschen nachgesagt worden, so Zulley. Er habe als „Tröster der Schlafgestörten“ gegolten.

Die Stunde des Wolfes

Insbesondere zwischen drei und vier Uhr nachts schlafen viele Menschen schlecht oder wachen auf. Schlafforscher:innen sprechen von der sogenannten Wolfsstunde. Zulley erklärt, dass Menschen in dieser Zeit besonders labil sind; Der Kreislauf könne besonders schwach sein, es könnten ein Leistungstief, Schmerzempfindlichkeit oder eine gedrückte Stimmung auftreten. Menschen, die in dieser Stunde aufwachten, blieben generell auch länger wach, sagt Zulley. Denn wer nachts wach wird und sich dann darüber ärgert oder anfängt zu grübeln, der schläft auch schlechter wieder ein, wie der Experte an anderer Stelle erklärt.

Doch warum tritt die Wolfsstunde auf? Eine mögliche Erklärung sei, dass unser Schlaf in zwei Blöcke zu je vier Stunden geteilt sei. Amerikanische Studien hätten diese Zweiteilung nachgewiesen. Wer also um 23 Uhr schlafen gehe, wache demnach zwischen drei und vier auf. Das sei ganz normal, so der Schlafexperte.

Schlafen Menschen heute schlechter als früher?

Schlafstörungen habe es schon immer gegeben, sagt Zulley. Ob Menschen heute schlechter schliefen als noch vor einigen Jahrzehnten könne wissenschaftlich nicht bewiesen werden. Verschiedene Studien seien unterschiedlich durchgeführt worden und deswegen zu anderen Ergebnissen gekommen. Deswegen seien sie auch nicht vergleichbar. Zudem hätten Menschen früher eher ungern offen über das Thema Schlafstörungen gesprochen, so Zulley. „Schlechter Schlaf galt damals noch als ein Zeichen von Schwäche.“

Wegen der veränderten Lebensbedingungen glaubt Zulley jedoch durchaus, dass Schlafstörungen zugenommen hätten. Vermehrter Zeitdruck und Stress beeinflussten unseren Schlaf. Zudem seien wir immer stärkeren Reizen ausgesetzt. 

Tipps für einen verbesserten Schlaf

Was können wir tun, um unseren Schlaf zu verbessern? Der Königsweg in den Schlaf sei Entspannung, so Zulley. Das könne durch ruhige Musik oder Übungen zur Entspannung vor dem Einschlafen gelingen. Jede:r müsse eine eigene Strategie entwickeln, um rechtzeitig abzuschalten und innerlich zur Ruhe zu kommen. Eine Möglichkeit sei es, abends nicht mehr fernzusehen.

Eine wichtige Rolle spiele auch das Abendessen. Eine frühe und leichte Mahlzeit würde sich positiv auf den Schlaf auswirken. Alkohol könne den nächtlichen Schlaf stören, auch wenn er beim Einschlafen vermeintlich helfen möge. Doch Alkohol ist kein Schlafmittel, betont Zulley. 

Zu guter Letzt helfe es auch, nicht krampfhaft einschlafen zu wollen – sondern sich einfach zu entspannen und so gelassen in den Schlaf zu finden. 

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