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„Hatte Tränen in den Augen“: Wie Wetter-Expert:innen mit der Klimakrise kämpfen

Klimawandel: Wie ihn Wetter-Expert:innen wahrnehmen
Screenshot: Instagram/lauratobinweather/

Wie fühlt es sich an, tagtäglich über die Klimakrise zu berichten – den Menschen vor ihren Bildschirmen oft schlechte Nachrichten zu überbringen? Drei Wetter-Expert:innen schildern, wie sie mit den Herausforderungen ihrer Arbeit umgehen.

„In meiner Ausbildung, wurde mir noch beigebracht, dass 40°C im Vereinigten Königreich nahezu unmöglich seien – und die ist erst zehn Jahre her“, erklärt Ben Rich, Wetterexperte bei BBC-News. Doch im Sommer 2022, als die Hitzewelle über ganz Europa rollte, zeigte das Thermometer genau diesen Rekord an. Er habe, so Rich im Gespräch mit dem Guardian, die Wahrnehmung des Klimawandels in Großbritannien verändert.

Im Umgang mit den Wetter-Nachrichten sieht Rich eine Verantwortung. Denn: Der Anspruch an die Berichterstattung habe sich klar verändert. Seiner Meinung nach bestehe auch seitens der Expert:innen, von denen er einer ist, ein Bildungsauftrag. Nicht umsonst säße man „in Diskussionsrunden zur Klimakrise“, wie Rich sagt.

Die Debatte über den Stellenwert der Klimakrise in der medialen Berichterstattung ist auch in Deutschland immer wieder Thema. Die Initiative „Klima vor Acht“ beispielsweise fordert bereits seit einigen Jahren eine Sondersendung zur Klimakrise – ähnlich wie das ARD-Format „Börse vor Acht“, das vor den Tagesthemen die breite Masse erreicht. Einer aktuellen Studie der Universität Hamburg zufolge nahm die Berichterstattung der Klimakrise in den Jahren 2021 und 2022 lediglich zwischen 1 und 2,4 Prozent des Programminhalts ein. Und das obwohl die Berichterstattung im Vergleich zu den Vorjahren bereits zugenommen habe.

„Um es hart zu sagen: Wir alle hatten Blut an den Händen“

Veränderungen von Anspruch und Wirklichkeit kennt auch die Moderatorin Clare Nasir, die ebenfalls mit dem Guardian über ihre Erfahrungen spricht. Sie erinnert sich, dass noch vor wenigen Jahren Medien glaubten, einen ausgewogenen Standpunkt vertreten zu müssen. Etwa Klimawandel-Kritiker:innen auch zu Wort kommen zu lassen – obwohl die breite Wissenschaftscommunity die Erderwärmung als Bedrohung für die Menschheit definiert. Dieses Ungleichgewicht nennt sich „False Balance“. „Um es hart zu sagen: Wir alle hatten Blut an den Händen“, kritisiert Nasir rückblickend.

Es sei leichter geworden, komplexe Zusammenhänge zu erklären

Mittlerweile sei es in den letzten Jahren leichter geworden, hochkomplexe Zusammenhänge zu kommunizieren, bemerkt Nasir. Auch die sogenannten Attributtionsstudien, also der Klimaforschungsbereich, der sich mit dem Zusammenhang von Extremwetter-Ereignissen und dem Klimawandel beschäftigt, seien eine relativ neue Entwicklung, die die Kommunikation erleichtere, so Nasir.

Doch was motiviert die TV-Wetterexpert:innen? Im Guardian schildern sie einschneidende Erlebnisse. Moderatorin Nasir etwa berichtet von einem Ereignis in Island: „Ich habe das Bergrettungsteam interviewt, und die Art und Weise, wie sie die Gletscher beschrieben, war fast so, als ob sie über Familienmitglieder sprechen würden. Sie waren so traurig, den Gletschern sprichwörtlich beim ‚Sterben‘ zuzusehen.“

„Als ich mich dann hinsetzte und mit meinem Produzenten sprach, hatte ich Tränen in den Augen“

Auch Laura Tobin kann sich noch genau an den Tag erinnern, als in England erstmals über 40 Grad gemessen wurden. Damals war ihr sofort klar, dass dies ohne den Klimawandel nicht eingetreten wäre. „Es war ein Dienstag, ich hatte gerade meine erste Schalte beendet. Als ich mich dann hinsetzte und mit meinem Produzenten sprach, hatte ich Tränen in den Augen“, erzählt sie dem Guardian.

Als ITV-Moderatorin ist Tobin auch für ihre Schlagfertigkeit bekannt: Damals 2020, als während der Waldbrände in Australien über 120.000 Quadratkilometer in Flammen standen, meldete sich in ihrer Sendung ein australischer Abgeordneter zu Wort und beteuert, der Klimawandel sei dafür nicht verantwortlich. Sie konfrontiert ihn mit wissenschaftlichen Fakten.

In den sozialen Medien bezeichnete der Abgeordnete Tobin daraufhin als „ignorantes Wettermädchen“. Sie konterte und verwies auf ihre Referenzen: einen Abschluss in Physik und Meteorologie, vier Jahre als Luftfahrtmeteorologin, 12 Jahre als Rundfunkmeteorologin. Der Hashtag #NotAWeatherGirl war geboren.

Im Jahr 2021 berichtete Tobin in der Arktis über den Gletscherrückgang dort – samt der verheerenden Folgen für die Tiere. Bei einer TV-Schalte wurde sie emotional, brach in Tränen aus. Ihre Tochter hatte ihr ein Bild mitgegeben, dass sie den Eisbären aushändigen sollte, um diese zu trösten.

Wahrnehmung ihrer Arbeit habe sich verändert

Generell habe sich ihre Wahrnehmung ihrer Arbeit verändert, seit sie eine Tochter habe. Tobin bemerkt, dass die Krise für sie greifbarer werde, wenn sie sich vorstellt, dass ihre Tochter den letzten Eisbären in freier Wildbahn überleben könnte. Trotz der Aussichten bleibt sie hoffnungsvoll: „Ich möchte, dass die Menschen wissen, dass es schlimm ist, dass wir aber auch verhindern können, dass es noch schlimmer wird.“

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