Im Alltag können wir viel tun, um weniger Treibhausgase zu verursachen. Doch es gibt einige Klimaschutzfehler, die unsere Bemühungen erschweren. Welche das sind und wie du sie vermeiden kannst, erfährst du hier.
Für viele Menschen gehört Klimaschutz mittlerweile zum Alltag: Sie lassen häufiger das Auto stehen, reduzieren erdölbasiertes Einwegplastik und schalten den stromverschwendenden Standby-Modus an ihren Elektrogeräten aus. Doch manche Bemühungen sind nur scheinbar sinnvoll, denn das Klima zu schützen, ist ein komplexes Unterfangen, das Stolperfallen bereithalten kann. Daher kannst du dir einige Klimaschutzfehler bewusst machen – und sie mit unseren Tipps vermeiden.
1. Kompensieren statt vermeiden
Bestimmt hast du in der Drogerie oder im Supermarkt schon einmal Produkte gesehen, die damit beworben werden, „klimaneutral“ zu sein. Vielleicht ist dir der Begriff auch bei der Urlaubsplanung begegnet („klimaneutrale Flüge“), beim Online-Shopping („klimaneutraler Versand“) oder in den Nachrichten („Deutsche Bank will klimaneutral werden„). Immer mehr Hersteller, Dienstleister, Unternehmen und Verbraucher:innen kompensieren für die vermeintliche Klimaneutralität die von ihnen verursachten Treibhausgase durch den Kauf von CO2-Zertifikaten.
So viel ist mittlerweile „klimaneutral“, dass man den Eindruck gewinnen könnte, wir müssten uns um die Reduzierung unserer CO2-Emissionen gar keine Sorgen mehr machen. Und das ist der erste große Klimaschutzfehler: Kompensieren statt vermeiden. Denn: Die CO2-Kompensation verleitet Unternehmen und Verbraucher:innen dazu, Emissionen im Nachhinein auszugleichen statt grundlegende Änderungen vorzunehmen, um diese von Vornherein zu reduzieren. Das ist problematisch, denn es kommen immer mehr Zweifel daran auf, ob CO2-Zertifikate überhaupt wirksam sind.
Die Zeit und der Guardian haben zum Beispiel Regenwaldprojekte des führenden Zertifizierers von CO2-Kompensationen (verra) untersucht. Sie kamen zu dem Schluss, dass mehr als 90 Prozent der durch die Projekte erstellten Zertifikate wertlos fürs Klima sind. Eine weitere Recherche von Flip und der Wirtschaftswoche ergab, dass ein Großteil der Klimaprojekte mit UN-Siegel dem Klima nicht nützen.
Viele Expert:innen empfehlen den CO2-Ausgleich deshalb nur unter Einschränkungen. Lambert Schneider vom Öko-Institut betont gegenüber Utopia, dass eine Kompensation grundsätzlich nur dann sinnvoll sei, wenn die Emissionen nicht vermieden werden können. Mehr dazu hier: Nach Zeit-Recherche: Ist CO2-Kompensation noch sinnvoll?
Für Verbraucher:innen heißt das: Am besten ist es, Emissionen im Vornhinein zu vermeiden oder zu reduzieren – zum Beispiel, indem man mit dem Zug oder Fernbus statt dem Flugzeug verreist.
2. Auf Greenwashing hereinfallen
Auch über die vermeintliche „Klimaneutralität“ hinaus bewerben Unternehmen ihre Produkte gerne mit Nachhaltigkeitsversprechen, hinter denen nicht viel steckt: ein Vorgehen, das sich Greenwashing nennt. Sie verpassen dabei Kleidung, Lebensmitteln, Drogerieartikeln oder anderen Produkten oft einen grüneren Anstrich, indem sie zum Beispiel Grün als Verpackungsfarbe wählen und die Natürlichkeit von Zutaten oder Inhaltsstoffen auf der Vorderseite betonen – während ein genauerer Blick auf die Rückseite offenbart, dass an der Rezeptur eigentlich gar nichts „Bio“ ist.
Oder das Unternehmen wirbt damit, bis zu einem gewissen Zeitpunkt klimaneutral sein zu wollen? Das muss nicht viel heißen: Einer aktuellen Auswertung zufolge hat eine Mehrheit der europäischen Unternehmen keine nachvollziehbaren Pläne, wie Klimaziele erreicht werden sollen.
Auch ganze Werbekampagnen können auf Greenwashing basieren. Beispielsweise rief Lidl Kund:innen vor einigen Jahren dazu auf, beim Recycling „zu helfen“ – indem sie recycelbare Einweg-Flaschen bei Lidl kaufen. Im Prinzip warb Lidl dabei aber vor allem für seine Einweg-Plastikflaschen. Zwar entlastet Recycling die Umwelt, ist aber enorm energieintensiv; Mehrwegflaschen haben eine bessere Ökobilanz. Mehr Greenwashing-Beispiele gibt es hier: Greenwashing: so subtil werden Produkte auf „grün“ getrimmt.
Ein zweiter Klimaschutzfehler ist also, auf Greenwashing hereinzufallen. Du kannst diesen Fehler vermeiden, indem du dich für typische Greenwashing-Tricks sensibilisierst. Achte beispielsweise auf schwammige Formulierungen zur angeblichen Nachhaltigkeit und informiere dich darüber, was ein Unternehmen konkret in Sachen Umwelt- und Klimaschutz tut. Weitere Tipps kannst du in unserem Ratgeber nachlesen: Wie Unternehmen Greenwashing betreiben – und wie du es erkennst.
3. Nachhaltigkeit nicht ganzheitlich denken
Im Supermarkt hast du dir schon angewöhnt, Produkte aus der Region vorzuziehen, um das Klima zu schützen? Das ist lobenswert – denn kürzere Transportwege sparen CO2-Emissionen. Doch zu regionalen Produkten zu greifen, ist nicht immer die klimafreundlichste Option. Sitze deshalb nicht dem nächsten Klimafehler auf: Nachhaltigkeit nicht ganzheitlich zu denken.
Das ist zugegebenermaßen nicht einfach: Nachhaltigkeit lässt sich schwer definieren, weil sie von vielen verschiedenen Faktoren geprägt wird. Zum Beispiel spielt der Transport eine wichtige Rolle. Deshalb kann es sinnvoll sein, Produkte wie beispielsweise Äpfel aus der Region zu kaufen – aber nur, wenn diese in Deutschland Saison haben. Denn regionales Obst, das außerhalb der Saison verkauft wird, stammt oft aus Gewächshäusern, die mit fossilen Brennstoffen beheizt werden.
Die Apfelsaison geht in Deutschland von August bis November, bis April sind regionale Äpfel als Lagerware empfehlenswert. Doch auch die Lagerung benötigt Energie: Ab Mai können regionale Äpfel deshalb eine schlechtere Energiebilanz haben als Importware. Wir raten: Greife im Frühling lieber zu saisonalem Ost wie Erdbeeren aus der Region.
Die nachhaltigste Option ist also oft nicht leicht zu erkennen. Ein paar Fragen können dabei helfen, zum Beispiel: Wurde Natur für das Produkt zerstört? Ist es fair oder ein Produkt von Ausbeutung? Handelt es sich um ein veganes Produkt? Mehr Informationen findest du hier: Essen, Kleidung, Möbel: Mit diesen 9 Fragen erkennst du, wie gut Produkte wirklich sind
4. Rebound-Effekt
Beim nächsten Klimaschutzfehler geht es um den Rebound-Effekt. Dahinter steckt folgendes Phänomen: Wir tun möglichst viel, um Energie, Wasser und andere Rohstoffe zu sparen. Doch am Ende ändert sich an der Energiebilanz nicht viel. Der Grund dafür kann unser Nutzungsverhalten sein, das wir im Zusammenhang mit Klimaschutzmaßnahmen auf eine (unbewusst) ungünstige Weise verändern.
Das zeigt sich am Beispiel Second-Hand-Kleidung: An sich ist die Idee, Kleidung gebraucht zu kaufen, vorteilhaft für das Klima. Denn ein neues Kleidungsstück muss erst unter Ressourcenaufwand produziert werden; das ist bei einem gebrauchten Teil nicht der Fall. Das Wissen um diesen Vorteil lässt dich nun mit gutem Gewissen Second-Hand-Kleidung shoppen. Du bestellst womöglich mehr Klamotten, als du eigentlich brauchst, auf Vinted oder anderen Gebraucht-Plattformen – und beachtest dabei nicht, dass diese auch versendet werden müssen. So können die Emissionen aus der Lieferung den Vorteil der eingesparten Ressourcen wieder wett machen.
Solche Rebound-Effekte treten auch bei Elektroautos (Ladesäulen müssen gebaut werden, geringe Fahrtkosten verführen zu häufigerem Fahren) und neuen Waschmaschinen auf (weil sie so energiesparend sind, laufen sie auch mal halbleer).
Du kannst den Rebound-Effekt durch Konsequenz vermeiden: Kaufe zum Beispiel Second-Hand-Klamotten nur, wenn du sie brauchst. Oder wechsle zu Öko-Strom, aber vergiss das generelle Stromsparen weiterhin nicht.
5. Auf angeblich grüne Finanzprodukte hereinfallen
Auch beim Thema Finanzen können Stolperfallen warten, wenn du auf einen nachhaltigen Umgang mit deinem Geld Wert legst. Finanzdienstleister haben mittlerweile erkannt, dass es eine wachsende Gruppe an Anleger:innen gibt, die keinen Anteil daran haben wollen, mit ihren Investitionen klimaschädliche Projekte zu finanzieren. So hat sich hierzulande das Anlagevolumen von als nachhaltig bezeichneten Investmentfonds von 2019 bis 2021 mehr als verdoppelt.
Grüne Finanzprodukte boomen, weshalb auch ETF-Anbieter, die nicht wirklich um Nachhaltigkeit bemüht sind, auf den Zug aufspringen. Greenwashing ist in der Finanzbranche weit verbreitet und so ist es etwa nicht ungewöhnlich, dass einige ETF-Anbieter konventionelle Fonds einfach umetikettieren, um sie so als grüne Finanzprodukte bewerben zu können.
Deswegen wäre es ein Klimaschutzfehler, auch bei deinen nachhaltigen Geldanlagen nicht ganz genau hinzuschauen und somit auf angeblich grüne Finanzprodukte hereinzufallen. Die Bundesregierung kündigte 2021 eine „Nachhaltigkeitsampel“ für Finanzprodukte an, die Verbraucher:innen daher Orientierung bieten soll.
Doch Expert:innen empfehlen, sich bei Anlageentscheidungen nicht nur darauf zu verlassen. Zwar könne die Ampel Finanzprodukte ausweisen, die zum Beispiel Kohlekraftwerke und Kinderarbeit ausschließen. Doch wer mit seinen Investments auch nachhaltige Transformationen anstoßen möchte, müsse weiterhin viel Eigeninitiative aufbringen, um Finanzprodukte auszuwählen, die beispielsweise die UN Sustainable Development Goals verfolgen.
Die Plattformen Cleanvest und Faire Fonds ermöglichen es dir, Greenwashing zu entlarven. Bei beiden kannst du nach spezifischen Fonds suchen und sie auf Nachhaltigkeit überprüfen. Während Cleanvest einen Nachhaltigkeitsscore von 0 bis 10 Punkten ausgibt, zeigt dir Faire Fonds den Anteil kontroverser Unternehmen im entsprechenden Fonds.
Auch unsere Ratgeber rund um grüne Finanzen können dir dabei helfen, nachhaltige Investment-Entscheidungen zu treffen:
- Nachhaltig investieren: 7 Tipps für deine privaten Finanzen
- Impact Investment: 5 Gründe warum die Börse gar nicht so „böse“ ist
- FNG-Siegel: die 43 besten Fonds für nachhaltige Geldanlagen
6. An deinem Impact zweifeln
Der wohl wichtigste Klimaschutzfehler ist allerdings, dich von all diesen potentiellen Stolperfallen von deinen Bemühungen abhalten zu lassen und zu denken, dass dein Beitrag nichts bringt. Solche Zweifel schleichen sich schnell ein, wenn du dein Bestes gibst, um Emissionen zu reduzieren – und dir trotzdem hier und da „Fehler“ unterlaufen. Sollte man es dann nicht gleich sein lassen?
Es stimmt natürlich, dass es die Großkonzerne und Regierungen sind, die im Kampf gegen die Klimakrise an den größten Hebeln für Veränderungen hin zu einer emissionsreduzierten Zukunft sitzen. Doch auch als Einzelperson hat man einen Impact.
So belegt eine Studie, dass wir einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der globalen Erwärmung leisten können, wenn wir unsere alltäglichen Entscheidungen an sechs grundlegenden Aspekten ausrichten – dazu zählen eine vegane Ernährung, Second-Hand-Kleidung und Urlaub in der Region. Würden alle ihren Lebensstil entsprechend ändern, würde das 25 Prozent der Emissionsreduzierung ausmachen, die für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels notwendig sind. Indem du mit gutem Beispiel vorangehst, kannst du auch andere inspirieren, sich dir im Bemühen um Klimaschutz anzuschließen – und das ist vielleicht der größte Impact, den du haben kannst.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Ökologischer Handabdruck: So hilft er dir beim Klimaschutz
- Klimagerechtigkeit: Was ist das eigentlich?
- Spenden für den Klimaschutz: Diese 4 Möglichkeiten hast du
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