Bio ist besser für die Tiere? Klar, aber Bio ist nicht gleich Bio. Zwischen den Anforderungen des EU-Bio-Siegels und denen der Anbauverbände gibt es gravierende Unterschiede. Wir haben uns im Vergleich der Bio-Siegel angesehen, wie genau Tiere jeweils leben, die uns Bio-Fleisch, -Milch und -Eier liefern.
Die gute Nachricht vorneweg: Bio ist besser. Egal, nach welchen Richtlinien die Bauern ihre Produkte erzeugen – jegliche Bio-Standards sind tierfreundlicher, umwelt-, ressourcen- und klimaschonender und meist auch gesünder als die der konventionellen Landwirtschaft. Dennoch sollte man sich als verantwortungsvoller Verbraucher auch der Unterschiede innerhalb der Bio-Branche bewusst sein.
EU-Bio-Siegel vs. Bioland, Naturland, Demeter – Unterschiede im Vergleich
Während die Verordnung hinter dem grünen EU-Bio-Siegel Mindeststandards für die ökologische Erzeugung definiert, gehen die Bio-Anbauverbände oft weit über die gesetzlichen Regelungen hinaus. Die in Deutschland wichtigsten Anbauverbände sind Bioland, Naturland und Demeter. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte und Arbeitsweisen haben die Verbände gemeinsam, dass sie Umwelt und Tierwohl noch stärker schützen als die EU-Bio-Verordnung. Aufgrund ihrer strikteren Auflagen für die Produkt-Erzeugung und -Verarbeitung spricht man hier auch von Premium-Bio.
Die Bio-Tierhaltung sieht grundsätzlich für alle Tierarten eine artgemäße Tierhaltung vor – inklusive Auslauf oder Weidegang, dem Verbot von (ausschließlichen) Spaltenböden und Käfigen und von präventiver Antibiotika-Gabe. Je nach Tierart gibt es weitere spezifische Vorgaben wie beispielsweise bestimmte Einstreu, Sitzstangen, Staubbäder, schonende Beleuchtung, Wasserbecken, Wühlflächen usw.
Bio-Tierhaltung statt Intensivtierhaltung: So viele Tiere sind erlaubt
Weder die EG-Öko-Verordnung, noch Bioland oder Naturland schreiben Tierhaltung für landwirtschaftliche Betriebe eindeutig vor. Nur Demeter macht das Halten von Tieren – gegebenenfalls in Kooperation mit einem anderen Hof – zur Bedingung für die Zertifizierung.
Bei jedem der Öko-Standards hängt der zulässige Tierbesatz (d.h. die Anzahl der Tiere pro Fläche) letztendlich von der vorhandenen Fläche ab. Allerdings nicht unmittelbar: Jeder Hof muss genügend Flächen haben, um erstens ausreichend Futter für die gehaltenen Tiere produzieren zu können und um zweitens deren Gülle ausbringen zu können, ohne dass die Böden überdüngt werden. Aus diesen Flächen berechnet sich, wie viele Tiere ein Hof halten darf. (Wie viel Fläche den Tieren tatsächlich zur Verfügung steht, kannst du in den einzelnen Abschnitten unten nachlesen.)
- Die EU und alle drei Anbauverbände erlauben pro Hektar Fläche die Tierhaltung von 2 Milchkühen oder 5 Mastkälbern.
- Während die EU pro Hektar 14 Mastschweine zulässt, sehen Bioland, Naturland und Demeter maximal 10 vor.
- Laut EU-Bio-Verordnung dürfen zertifizierte Höfe 580 Masthühner oder 230 Legehennen pro Hektar halten – Mitglieder der drei Anbauverbände dagegen „nur“ 280 Masthühner oder 140 Legehennen.
Der Bio-Siegel-Vergleich zeigt noch eine Schwäche des EU-Labels: Das offiziell „EG-Öko-Basisverordnung“ genannte EU-Regelwerk erlaubt Teilumstellungen von landwirtschaftlichen Betrieben, d.h. ein und derselbe Betrieb kann halb konventionell und halb bio wirtschaften – damit sind prinzipiell auch Übertragungen von Pestiziden, synthetischen Düngern oder sogar gentechnisch verändertem Material auf die Bio-Ware möglich. Keiner der Anbauverbände lässt dies zu: Höfe, die bei Bioland, Naturland oder Demeter Mitglied sind, arbeiten ausschließlich ökologisch bzw. nach den Richtlinien des Verbands.
Milch, Joghurt, Käse mit Bio-Siegel: So leben die Milchkühe
- Einer Milchkuh kommt allen vier Bio-Richtlinien zufolge mindestens 6 Quadratmeter Stallfläche plus mindestens 4,5 Quadratmeter Außenfläche zu; Weidegang oder Auslauf ist vorgeschrieben.
- Während in der konventionellen Rinderhaltung noch immer viele Tiere in Anbindeställen gehalten wird (in Bayern etwa 30 Prozent der Kühe), regelt die EG-Öko-Verordnung die Anbindehaltung folgendermaßen: Die stark einschränkende Haltungsform ist nicht dauerhaft erlaubt, sondern nur in Ausnahmefällen, wenn die Tiere während der Weidezeit Zugang zu Weideland haben und für besonders kleine Betriebe zulässig. Dem folgen die Anbauverbände Bioland, Naturland und Demeter.
- Zwar sieht die EU-Verordnung die Enthornung von Rindern nicht „routinemäßig“ vor, sie kann jedoch genehmigt werden. Ähnlich sieht es bei Naturland und Bioland aus. Ausgeschlossen ist die Entfernung der Hörner lediglich für Demeter-Betriebe; auch die Haltung enthornter oder genetisch hornloser Rinderrassen ist hier (bis auf wenige Ausnahmefälle) verboten.
- Kälber werden in fast allen Milchviehbetrieben kurz nach der Geburt von der Mutter getrennt. Die Vorschriften des EU-Bio-Siegels äußern sich hierzu nicht, sie verbieten aber die Haltung von Kälbern in Einzelboxen nach der ersten Lebenswoche. Alle drei Verbände sehen – wie die EU-Verordnung – für Kälber Gruppenhaltung vor. Naturland „empfiehlt“ das Saugen des Kalbes beim Muttertier während der ersten Tage, Bioland schreibt vor, dass Kälber nach der Geburt mindestens einen Tag bei der Mutter bleiben sollen. Demeter hat hierzu keine gesonderten Vorschriften.
Bio-Eier und -Hühnchen: Bio-Tierhaltung von Legehennen und Masthühnern
Der Vergleich der Bio-Siegel zeigt:
- Sowohl das Bio-Siegel der EU als auch die Bioland-, Naturland- und Demeter-Zertifizierung erlauben die Haltung von 6 Legehennen bzw. 10 Masthühnern pro Quadratmeter Stallfläche.
- Dabei muss ein Zugang zum Freiland vorhanden sein. Jedem Tier müssen darin 4 Quadratmeter zur Verfügung stehen.
- Ein Nest dürfen sich in EU- sowie in Naturland-zertifizierten Betrieben 7 Legehennen teilen, bei Bioland und Demeter 5.
- Alle vier Regelwerke schreiben vor, dass mindestens ein Drittel der Stallfläche eingestreute „Scharrfläche“ für die Hühner sein muss.
- Maximal dürfen auf allen Bio-Höfen 3000 Legehennen in einem zusammenhängenden Stall leben.
- Bei der Gesamtanzahl unterscheiden sich die Vorgaben der verschiedenen Siegel: Während Naturland 12000 Legehennen pro Gebäude zulässt, begrenzt Bioland diese Zahl auf 6000, Demeter gar auf 3000.
Zum Vergleich: In der konventionellen Bodenhaltung dürfen bis zu 9 Legehennen pro Quadratmeter und bis zu 6000 Hennen pro Stall gehalten werden – ohne Zugang zum Freiland.
Eingriffe wie das in konventionellen Ställen verbreitete Kürzen der Schnäbel sind auf Öko-Höfen nicht systematisch zulässig, können aber in Ausnahmefällen genehmigt werden. Naturland, Bioland und Demeter schließen das Schnabelkürzen bei Hühnern aus.
Schnitzel mit Bio-Siegel: Tierhaltung von Schweinen
- Mastschweine sollen laut EU-Verordnung – die Verbände gehen in diesem Punkt nicht darüber hinaus – „Auslauf“ erhalten. Die Pflicht, ihnen richtigen Weidegang zu ermöglichen, gibt es leider nicht. Allen Bio-Schweinen muss jedoch ausreichend Bewegungsfläche zum Wühlen gegeben werden – eine deutliche Verbesserung gegenüber der konventionellen Schweinehaltung.
- Ein Mastschwein unter 50 kg erhält in allen Bio-Betrieben mindestens 0,8 Quadratmeter Stallfläche plus 0,6 Quadratmeter Außenfläche. Diese Mindestfläche steigert sich mit dem Gewicht des Tieres bis zu 1,5 Quadratmeter Stallfläche und 1,2 Quadratmeter Außenfläche für Schweine mit über 110 kg Gewicht – das entspricht dem üblichen Gewicht bei der Schlachtung. (Zum Vergleich: Schweinen zwischen 50 und 110 kg Körpergewicht stehen in der konventionellen Haltung laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung lediglich 0,75 Quadratmeter Stallfläche zu, über 110 kg 1 Quadratmeter.)
- Das in der konventionellen Tierhaltung übliche Kupieren der Schwänze, das Abkneifen der Zähne und das Einziehen von Nasenringen kann in Betrieben mit EU-Bio-Zertifizierung „fallweise genehmigt werden“, ist aber nicht routinemäßig erlaubt. Bei Naturland, Bioland und Demeter sind diese Maßnahmen nicht zulässig.
- Kastrationen der Ferkel sind jeweils nur mit Betäubung und Schmerzbehandlung erlaubt.
Futtermittel: Wie in der Bio-Tierhaltung gefüttert wird
- Grundsätzlich setzen alle Bio-Betriebe ausschließlich Bio-Futter ein; nur wenige Ausnahmen sind erlaubt.
- Laut EG-Verordnung soll das Futter für die Tiere „hauptsächlich“ im eigenen oder einem anderen Öko-Betrieb aus derselben Region erzeugt werden. Für Pflanzenfresser (Kühe, Ziegen, Schafe, Pferde) müssen mindestens 60 % der Futtermittel selbst (bzw. in regionaler Kooperation) erzeugt werden, für Schweine und Geflügel liegt dieser Prozentsatz bei 20 %. Nur, wenn Futter nicht in Öko-Qualität verfügbar ist, können auch (5 %) konventionelle Futtermittel verwendet werden – im Ausnahmefall sogar gentechnisch veränderte.
- Bioland und Naturland schreiben vor, dass mindestens 50 %, bei reinen Pflanzenfressern sogar 60 % des Gesamtfutters aus dem eigenen Betrieb oder einer regionalen Kooperation mit einem anderen Verbands-Erzeuger stammen muss. Davon ausgenommen sind lediglich besonders kleine Betriebe.
- Alle drei Anbauverbände schließen den Einsatz von gentechnisch veränderten Futtermitteln kategorisch aus.
- Für Bioland-Bauern gilt: Nur, wenn kein Bioland-Futter verfügbar ist, kann Öko-Futter zugekauft werden (und es existiert eine sehr kurze Liste einiger im Notfall zulässiger konventioneller Futtermittel). Zukauf von Misch- und Mineralfutter ist nur von Bioland-Betrieben möglich.
- Zugekaufte Futtermittel müssen für Naturland-Höfe von Naturland zertifiziert sein. Naturland-Bauern sollen regionale Futtermittel bevorzugen.
- Demeter-Bauern müssen ihre Tiere nicht nur mit mindestens 50 % Futter aus dem eigenen Betrieb (oder einer entsprechenden Kooperation) versorgen, sondern zudem müssen 70 % der Jahresration Demeter-Futter sein. Für Demeter-Bauern ist der Zukauf jeglichen konventionellen Futters ausgeschlossen; lediglich der Zukauf von Futter aus Umstellung auf Demeter oder aus Öko-Erzeugung ist begrenzt möglich.
Antibiotika: bei Bio-Tieren nur im Notfall
Dass die Tiere hohe Mengen an Medikamenten, insbesondere Antibiotika, auch präventiv verabreicht bekommen, ist ein Merkmal der konventionellen Intensivtierhaltung. Deren Rückstände können ins Wasser gelangen und sind auch in den Endprodukten (Fleisch) nachweisbar. Dies führt zu gefährlichen Antibiotika-Resistenzen.
Alle Bio-Verbände sollen bevorzugt natürliche und homöopathische Mittel einsetzen und nur im Notfall durch einen Tierarzt herkömmliche Medikamente verwenden. Eine umfassende Liste mit Arzneimitteln, deren Anwendung verboten ist, führt allerdings nur Bioland.
Die präventive Gabe von herkömmlichen Medikamenten, Hormonen und Antibiotika ist in der gesamten Öko-Tierhaltung verboten. Erhält ein Tier mehr als dreimal pro Jahr (oder einmal, bei Tieren, deren „produktiver Lebenszyklus“ kürzer ist als ein Jahr) chemisch-synthetische Medikamente oder Antibiotika, dürfen dessen Produkte nicht mehr mit Bio- oder Verbands-Siegel verkauft werden.
Richtlinien für Transport und Schlachtung
- Für den (Schlacht-)Transport von Nutztieren verbietet die EU-Bio-Verordnung den Einsatz von Elektroschockern und allopathischen Arzneimitteln.
- Bioland zufolge dürfen die Tiere zudem maximal 4 Stunden lang bzw. 200 km weit transportiert werden.
- Auch Naturland-Tiere sollen höchstens 4 Stunden bzw. 200 km transportiert werden, Transporte bis maximal 8 Stunden sind aber zulässig. Naturland hat zusätzlich eine detaillierte Extra-Richtlinie zum Thema Transport und Schlachtung.
- Demeter sieht in seinen Richtlinien nur vor, dass die Transportwege „so kurz wie möglich“ sein sollen.
Produkte mit Bio-Siegel: Das steckt drin
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- Grundsätzlich müssen in Produkten mit Bio-Siegel mindestens 95 % der Inhaltsstoffe ökologischen Ursprungs sein.
- Produkte mit Bioland- oder Naturland-Siegel müssen prinzipiell 100 % vom Anbauverband zertifizierte Zutaten enthalten. Nur in begründeten und genehmigungspflichtigen Ausnahmen können auch Öko-Zutaten verwendet werden – und nur, wenn auch diese nicht verfügbar sind, maximal 5 % aus konventioneller Erzeugung.
- Demeter-Produkte müssen 100 % Bio- und mindestens 90 % Demeter-Rohstoffe enthalten – darüber hinaus gilt: wenn nicht Demeter-, dann Verbandsware, wenn nicht Verbands- dann EU-Bio-Ware.
Insgesamt sind in der EU 316 Lebensmittel-Zusatzstoffe zugelassen. Nicht alle davon sind unbedenklich. Der Vergleich der Bio-Siegel zeigt: Hier sind deutlich weniger Zusatzstoffe erlaubt.
- Das EU-Bio-Siegel erlaubt noch 53 Zusatzstoffe in Bio-Produkten.
- Nur rund die Hälfte davon erlauben Bioland (22) und Naturland (22).
- Demeter lässt lediglich 21 Zusatzstoffe in zertifizierten Lebensmitteln zu.
- Die Verbände legen zudem genau fest, welche Zusatzstoffe für welches Produkt zulässig sind.
Bio-Siegel im Supermarkt: Wo kann man Premium-Bio kaufen?
Obwohl Bioläden und Direktvermarkter die ursprünglichen und logischen Handelspartner der Bio-Anbauverbände sind, gibt es Produkte mit Naturland-, Bioland- und Demeter-Siegel inzwischen in vielen Bio-Supermärkten und auch in konventionellen Supermärkten zu kaufen.
- Beispielsweise gibt es Kooperationen zwischen Naturland und Rewe sowie DM und zwischen Bioland und Edeka.
- Seit November bietet auch der Discounter Lidl Bioland-Ware an.
- Seit 2018 gibt es Bio-Produkte mit Demeter-Siegel bei Edeka und Kaufland. Bei der Drogeriemarktkette DM gibt es ebenfalls Demeter-Produkte, die aber mit einem eigenen Label („biodynamisch zertifiziert durch Demeter“) gekennzeichnet sind.
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- Bestenliste: Bio-Supermärkte
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- Siegel-Guide: EU-Bio-Siegel – Bioland – Naturland – Demeter
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