Last Chance Tourism bezeichnet das Reisen, bevor es aufgrund der Klimakrise und ihrer Folgen vielleicht nicht mehr möglich sein wird. Was hinter dem Phänomen steckt und warum du es vermeiden solltest, erfährst du hier.
Bevor Venedig untergeht, das Great Barrier Reef völlig ausgestorben ist oder Nationalparks für den Tourismus dicht machen, wollen viele Menschen ihre „letzte Chance“ nutzen, diese Orte zu besichtigen. Genau das ist Last Chance Tourism. Dass gerade stark bedrohte Landschaften somit noch einmal zu touristischen Hotspots werden, ist dabei besonders gefährlich.
Was ist Last Chance Tourism?
Bereits 2010 beschrieben Wissenschaftler:innen mit dem Begriff Last Chance Tourism das Phänomen, dass Tourist:innen zunehmend die weltweit am stärksten bedrohten Naturräume bereisen, bevor diese aufgrund der Folgen der Klimakrise komplett verschwinden oder sich drastisch verändern. Ein Artikel der Adventure Travel Association führt dieses Verhalten vor allem auf psychologische Aspekte zurück: Sehen und hören wir, dass wir bald nicht mehr die Möglichkeit haben werden, einen Ort zu besuchen, so wird dieser für uns umso attraktiver.
Eine Studie aus dem Jahr 2016 untersuchte beispielsweise, aus welchen Gründen Tourist:innen das Great Barrier Reef besichtigen. Die Ergebnisse zeigen, dass 70 Prozent aller Befragten das Riff vor allem aufsuchten, um es noch einmal zu sehen, bevor es für immer verschwunden ist. Das Great Barrier Reef ist nämlich eines der prominentesten Opfer der durch den Klimawandel verursachten Korallenbleiche: Die erhöhten Wassertemperaturen lassen die Korallen nicht nur ihre Farbe verlieren, sondern auch absterben und zerstören dadurch ein wertvolles Ökosystem.
Laut den Forschenden ist Last Chance Tourism ein paradoxes Phänomen: Die Tourist:innen suchen einen bestimmten Ort oft auf, weil sie sich den dortigen Umweltproblemen bewusst sind. Sie sind sich jedoch oftmals nicht darüber bewusst, dass ihr touristischer Aufenthalt dem Ort noch mehr Schaden zufügen kann.
Last Chance Tourism und seine Folgen
Last Chance Tourism ist eng mit dem Massentourismus verknüpft. Schließlich ziehen besonders bedrohte Orte viele Menschenmassen an. Dies kann für die sowieso schon geschwächten Ökosysteme und Städte schwere Folgen haben. Laut dem Umweltbundesamt gehören zu den Konsequenzen von übermäßigem Tourismus unter anderem Luft- und Wasserverschmutzung, ein erhöhter Flächenverbrauch für touristische Infrastrukturen und Landschaftsveränderungen.
Im Falle von Korallenriffen können Taucher:innen dem Online-Reisemagazin The Dope zufolge die wenig verbliebenen Korallen zum Beispiel zusätzlich schädigen, indem sie sie berühren oder versehentlich mit Füßen oder der Sauerstoffflasche gegen sie stoßen. Auch Boote, die über das Riff fahren, können Schaden anrichten.
Der historische Ort Machu Picchu in Peru ist eine berühmte Attraktion für Tourist:innen und laut Adventure Travel Association ebenfalls Zielscheibe der Last-Chance-Reisenden. Denn die Inka-Stätte in den Anden wurde mittlerweile von so vielen Tourist:innen besichtigt, dass der Boden aufgrund der zahlreichen Fußstapfen Schaden nimmt und unter Erosion leidet.
In Venedig kämpfen besonders die Einheimischen mit den täglichen Menschenmassen, die die sinkende Stadt noch einmal zu Gesicht bekommen wollen. So steigen die Lebenskosten laut der Plattform Responsible Travel weiter an, während die Lebensqualität für die Anwohner:innen stetig sinkt. Das liegt nicht nur an permanent vollgestopften Gassen auf dem Weg zu Arbeit, sondern auch daran, dass die gesamte Wirtschaft der Stadt fast ausschließlich auf Tourismus ausgelegt ist. In anderen Branchen zu arbeiten, ist für Einheimische kaum mehr eine Option. Zudem sammelt sich der Müll der Tourist:innen auf Straßen und im angrenzenden Meer an und der Schifffahrtsverkehr sorgt für eine schlechte Luftqualität.
Nicht zuletzt kann Last Chance Tourism die globale Erwärmung vorantreiben, wenn Tourist:innen die gefährdeten Sehnsuchtsorte mit dem Flugzeug oder dem Auto aufsuchen und dabei dementsprechend viele CO2-Emissionen verursachen.
Nachhaltig reisen: So geht’s
Aus ökologischen und sozialen Gründen solltest du Last Chance Tourism also besser meiden. Und auch für dich selbst wird der Urlaub vermutlich entspannter, wenn du weniger überfüllte Orte aufsuchst. Für eine klimafreundliche Anreise empfehlen wir zudem die Anreise per Zug oder Bus. Mit dem Fahrrad bist du sogar klimaneutral unterwegs.
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Für einen gelungenen Urlaub musst du aber nicht unbedingt das Land verlassen. Auch Deutschland hat interessante und entspannende Orte zu bieten. Mehr dazu erfährst du hier:
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English version available: Last-Chance Tourism: Can It Be Done Sustainably? + 11 Affected Sites
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