Lignin ist einer der Grundbausteine von Pflanzen – und eine mögliche Alternative zu Erdöl in der Kunststoffindustrie. Wir erklären dir, was Lignin so besonders macht und was der Stand der Forschung zu seiner Verwendung ist.
Plastik ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken – es steckt in Möbeln, Kleidung, Verpackungen, Kosmetik und vielen anderen Produkten. Aus den Grundbausteinen von Plastik entstehen darüber hinaus zahlreiche Chemikalien und Medikamente.
Am Anfang all dieser Produkte steht meistens Erdöl. Das ist aus verschiedenen Gründen problematisch:
- Die Erdölquellen sind endlich.
- Der Abbau von Erdöl ist sowohl energieintensiv als auch klimaschädlich.
Mehr dazu kannst du hier nachlesen: Erdöl: Darum ist es für die Umwelt und das Klima so problematisch.
Aus diesen Gründen wird es immer wichtiger, einen alternativen Rohstoff für die Kunststoffherstellung und die chemische Industrie zu finden. Ein potenzieller Kandidat: Der Holzbestandteil Lignin.
Lignin: Ein vielseitiger Abfallstoff
Damit Pflanzen hoch wachsen können, ohne abzuknicken, brauchen sie stabile Zellwände. Dafür sorgen unter anderem Cellulosefasern – und ein Stoff namens Lignin. Laut der Technischen Universität (TU) Dresden bestehen verholzte Pflanzen im Trockenanteil zu etwa 20 bis 30 Prozent aus Lignin. Der Stoff gehört zu den Polymeren, großen Molekülen, zu denen zum Beispiel auch die Kunststoffe Polyethylen und Polypropylen zählen. Einer Veröffentlichung der Stadt Würzburg zufolge ist Lignin nach Cellulose das am häufigsten auf der Erde vorkommende natürliche und regenerative Polymer.
Damit ist Lignin eine potenzielle Quelle für Bioplastik aus nachwachsenden Rohstoffen. Es hat neben anderen Kandidaten wie beispielsweise Maisstärke außerdem einen Vorteil: Um Lignin zu gewinnen müssen keine Pflanzen angebaut werden, die mit Nahrungsmitteln um kostbare Flächen konkurrieren. Denn jährlich entstehen laut der Baden-Württembergischen Landesgesellschaft BIOPRO weltweit etwa 50 Millionen Tonnen Lignin als Abfallprodukt der Papierindustrie. Im Gegensatz zu Cellulose ist Lignin in Papier unerwünscht, da es dieses vergilbt. Bisher wird das Lignin aus Altpapier laut BIOPRO überwiegend zur Energiegewinnung verbrannt.
Forscher*innen beschäftigen sich schon länger mit Verfahren, um Lignin für die Kunststoffindustrie nutzbar zu machen. Ganz einfach ist das nicht: Zuerst müssen sie aus den Papierabfällen das reine Lignin extrahieren und gegebenenfalls noch in seine Grundbausteine aufspalten. Insbesondere der zweite Schritt ist schwierig. Laut BIOPRO braucht man momentan sehr hohe Temperaturen und großen Druck, um Lignin in seine Bestandteile aufzuspalten. Das ist sowohl aus wirtschaftlicher als auch aus ökologischer Sicht ein Problem. Hinzu kommt, dass sich die Zusammensetzung von Lignin je nach Art, Alter und Wachstumsbedingungen der Pflanze unterscheidet.
Es gibt jedoch verschiedene Forschungsprojekte, in denen Wissenschaftler*innen versuchen, Temperatur und Druck mithilfe von Katalysatoren zu senken. Andere, wie eine Gruppe vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik, versuchen mithilfe von Mikroorganismen den natürlichen Abbau von Lignin nachzuahmen.
Lignin: Von der Forschung in die Wirtschaft
Obwohl Lignin schwierig zu verarbeiten ist, sind in den letzten Jahren verschiedene Produkte auf Basis des Stoffes entstanden. Dass Lignin ein Abfallprodukt ist, ist dabei sehr praktisch: Laut dem an der TU Hamburg entstandenen Start-Up Lignopure ist Lignin wesentlich billiger als andere Bioplastik-Rohstoffe. Das Start-Up entwickelt verschiedene Produkte auf Basis von Lignin:
- Zusammen mit Tesa arbeitet LignoPure an einem Klebeband auf Ligninbasis, das in diesem Jahr getestet werden soll.
- Lignin soll Mikroplastik in Kosmetik ersetzen. Da es UV-Strahlung absorbiert, arbeitet Lignopure unter anderem daran, Sonnencreme mit Lignin herzustellen.
Weitere Erfolge in der Ligninverarbeitung:
- Einer Arbeitsgruppe der TU Dresden ist es gelungen, sehr stabile und leichte Carbonfasern aus Lignin herzustellen. Solche Fasern finden in vielen Bereichen Anwendung, beispielsweise bei Turbinen und Fahrzeugen.
- Forscher*innen der TU Hamburg konnten aus Lignin Dämmplatten herstellen, die wesentlich besser als herkömmliche Stoffe isolieren. Auf Grundlage dieser Arbeit ist das Start Up Aeroglex entstanden.
- Das Fraunhofer-Institut für chemische Technologie stellt laut der Stadt Würzburg aus Lignin und Hanffasern sogenanntes Flüssigholz her. Dieses Material lässt sich ähnlich wie Plastik in unterschiedlichste Formen gießen.
Wie nachhaltig ist Lignin?
Lignin klingt zunächst wesentlich nachhaltiger als Erdöl. Laut LignoPure ist die Verarbeitung von Lignin zu Kunststoff tatsächlich klimafreundlicher als die von Erdöl. Die Ökobilanz ist jedoch schwieriger zu berechnen, wenn du von den Rohstoffen – also dem Holz beziehungsweise den natürlichen Erdölvorkommen – ausgehst.
Lignin aus der Papierindustrie hat wie oben beschrieben den Vorteil, dass dafür keine zusätzlichen Flächen bepflanzt oder Bäume gerodet werden müssen. Auf der anderen Seite ist die Papierindustrie alles andere als umweltfreundlich, wie das Umweltbundesamt beschreibt: Etwa ein Fünftel der weltweit gerodeten Bäume landen in der Papierindustrie, die zudem sehr viel Wasser und Energie verbraucht. Aus ökologischer Sicht ist es deshalb sinnvoll, so das Umweltbundesamt, möglichst viel Papier zu recyceln – Recyclingpapier liefert jedoch kein Lignin. Zusätzliche Bäume zur Ligningewinnung abzuholzen oder großflächig ligninhaltige Pflanzen anzubauen klingt aber auch nicht nach sinnvollen Alternativen. BIOPRO merkt außerdem an, dass Lignin aus Totholz für den Wald sehr wichtig ist, da der Stoff maßgeblich zur Humusbildung beiträgt.
Lignin: Auf die Verarbeitung kommt es an
Momentan jedoch stehen jährlich Millionen Tonnen Lignin zur Verfügung. Dann ist allerdings die nächste Frage, wie umweltfreundlich Produkte auf Ligninbasis sind. Die Stadt Würzburg schreibt, dass Lignin biologisch abbaubar sei. Das gilt jedoch nicht zwangsläufig auch für Materialien, in denen neben Lignin noch andere Stoffe stecken. Grundsätzlich entscheidet die spezifische Zusammensetzung, ob ein Stoff biologisch abbaubar ist. Laut LignoPure sind Materialien auf Ligninbasis zudem nicht zwangsläufig recycelbar.
Lignin als Rohstoff ist also vergleichsweise nachhaltig. Entscheidend ist aber auch, welche Produkte daraus am Ende entstehen.
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