Nachhaltigkeitssiegel für Notebooks und Laptops? Ja, die gibt es! Klar: Derzeit siegeln diese gewiss keine wirklich ’nachhaltigen‘ Produkte. Klar muss aber auch sein: Bessere Siegel für ‚bessere Produkte‘ haben wir hier derzeit nicht. Ein Überblick.
Gute Nachhaltigkeitssiegel gibt es bei Smartphones und Laptops nur vereinzelt, und das aus gutem Grund: Viele Geräte sind echte Stromschlucker (auch im Stand-by-Modus), enthalten Rohstoffe aus Kriegsgebieten, lassen sich nur schwer recyceln oder haben anderweitig ökologischen Schattenseiten.
Häufiger werden daher Siegel vergeben, die vor allem einen niedrigen Energieverbrauch bescheinigen, soziale Aspekte aber weniger berücksichtigen. Unsere Übersicht zeigt die wichtigsten Siegel rund um Nachhaltigkeit bei Smartphones und Notebooks.
Nachhaltigkeitssiegel für Smartphones und Notebooks
Bei Kühlschränken kaufen wir Geräte mit Energieeffizienzklasse A+++ auf dem EU-Energie-Label – und bei Notebooks und Smartphones? Da haben wir keine Wahl, denn diese Elektronikgeräte werden gar nicht mit dem Energie-Zeichen (A+++ bis D) der EU bewertet. Dabei kann ein Computer mit geringem Energieverbrauch bis zu 100 Euro Stromkosten im Jahr sparen!
Inzwischen gibt es aber immerhin einige Siegel für energiesparende Notebooks und Smartphones. Doch bieten die bestehenden Nachhaltigkeitssiegel hier wirklich Orientierung? Eher selten.
Warum das so ist? Weil Rohstoffgewinnung und Arbeitsbedingungen bei der Montage oft nicht berücksichtigt werden. Konfliktrohstoffe wie Zinn, Gold, Wolfram und Tantal sind für die Herstellung von IT-Geräten zwingend notwendig und stammen oft aus Kinderarbeit und Bürgerkriegsländern.
„Ethische IT-Produkte gibt es noch nicht“, erklärt daher Johanna Sydow von Germanwatch. Kein IT-Produkt sei derzeit komplett nachhaltig, deshalb gebe es auch kein Siegel, dass eine völlige Nachhaltigkeit bescheinigen könne.
Sydow fordert deshalb eine gesetzliche Sorgfaltspflicht: „Hersteller müssen verpflichtet werden, ihre gesamte Lieferkette hinsichtlich Menschenrechten und Ökologie zu überprüfen, und wenn sie Risiken identifizieren, müssen sie diesen vorbeugen.“ Da es diese gesetzliche Sorgfaltspflicht in Deutschland aber (noch) nicht gibt, können sich Verbraucher bestenfalls an Siegeln orientieren. Diese sind aber oft mehr Schein als Sein.
Dass sich einige Siegel nur auf Umweltaspekte beziehen, kritisiert auch Peter Pawlicki von Electronics Watch. „Soziale Kriterien, etwa wie die Arbeitsbedingungen sind, lassen sich nicht so einfach messen wie Umweltstandards“, so Pawlicki. Zudem seien die Kontrollen nie komplett unabhängig, meistens angekündigt und finanziell und zeitlich beschränkt. „Bei den Audits haben die Prüfer nur wenige Stunden Zeit“, erklärt der Experte. Kritische Stimmen bekämen die Prüfer daher nur selten zu hören.
Energielabel für Laptops: Energy Star
Das Siegel Energy Star zählt zu den verbreitetsten Umweltsiegeln auf Notebooks. Es wurde ursprünglich vom US-Umweltbundesamt EPA gegründet und später von der EU übernommen (bis 2018).
Das Siegel zertifiziert Computer und Laptops, die einen geringen Stromverbrauch haben. Als Grundlage wird der Verbrauch im Stand-by-Modus herangezogen. Die Hersteller prüfen ihre Produkte selbst auf Energieeffizienz – Kontrollen finden in der Regel nicht statt, so die Kritik.
Außerdem sind die Anforderungen für das Siegel eher schwach. Obwohl die Kriterien 2007 verschärft wurden, tragen immer noch 25 % aller Geräte das Siegel. Johanna Sydow von Germanwatch weist darauf hin, dass der Energieverbrauch nur einen kleinen Teil der Nachhaltigkeitsbilanz ausmacht.
„Wichtig ist, auf langlebige Produkte zu achten, denn die Energie und die Rohstoffe, die für die Herstellung benötigt werden, wirken sich am meisten auf die Bilanz aus.“ Im Sinne der Nachhaltigkeit hält Sydow das Energy Star-Siegel daher nur für wenig aussagekräftig. Sie bemängelt außerdem, dass soziale Kriterien nicht berücksichtigt werden.
Utopia-Fazit: Aufgrund der strengeren Kriterien bietet das Siegel Energy Star inzwischen eine gute Orientierung hinsichtlich des Energieverbrauchs. Andere Kriterien lässt das Siegel aber außer Acht, zum Beispiel den Umweltschutz, die Ressourcengewinnung oder die Arbeitsbedingungen. Als echtes Nachhaltigkeitssiegel taugt der Energy Star daher kaum.
Das strengste Siegel: TCO certified
Die schwedische Nichtregierungsorganisation TCO zertifiziert Notebooks und Smartphones, die nicht einfach nur stromsparend arbeiten. Das Siegel TCO Certified ist international anerkannt und in vielen Ländern verbreitet. Es bescheinigt den Geräten eine besonders lange Haltbarkeit und verbietet gefährliche Chemikalien.
Kinderarbeit und Zwangsarbeit sind verboten. Außerdem muss der Hersteller den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, Gewerkschaften zulassen und sich gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz einsetzen. Die Laptops und Smartphones müssen umweltverträglich hergestellt werden: Hersteller müssen Emissionen reduzieren und Schadstoffe vermeiden.
Johanna Sydow von Germanwatch freut sich, dass TCO die Langlebigkeit von IT-Produkten stärker berücksichtigt. „Das TCO-Siegel hat viele gute Ansätze, aber bei den sozialen Kriterien noch Nachholbedarf. Zum Beispiel berücksichtigt es nicht die Probleme bei der Rohstoffproduktion“, meint die Green-IT-Expertin.
Auch Peter Pawlicki von Electronics Watch lobt das Siegel: „Das TCO-Siegel ist im Vergleich mit anderen Siegeln recht gut. TCO hat viel Erfahrung mit Audits und versucht, große Transparenz herzustellen. Allerdings finden die Befragungen auf dem Betriebsgelände statt. Hier besteht die Gefahr, dass kritische Stimmen nicht zu Wort kommen. Interviews im Betrieb sind nicht aussagekräftig, da der Chef sozusagen mithören könnte.“
Unter den zertifizierten Notebooks befinden sich Modelle von HP, Lenovo und Dell. Smartphone-Hersteller haben bislang keine Produkte zertifizieren lassen, obwohl das TCO-Siegel diese Möglichkeit anbietet.
Utopia-Fazit: Das TCO-Siegel erfüllt besonders hohe Anforderungen und kann für Verbraucher eine gute Orientierung sein. Es steht für vergleichsweise umweltfreundliche und sozialverträgliche Produkte, hat aber auch noch Schwachstellen. Die NGO hinter dem Siegel sorgt für eine hohe Transparenz und unabhängige Kontrollen durch Dritte. In Deutschland sind vor allem Monitore mit dem Siegel zertifiziert, aber kaum Laptops oder Smartphones.
Nordic Ecolabel: Das skandinavische Nachhaltigkeitssiegel
In den skandinavischen Ländern kennt so gut wie jeder das Nordic Ecolabel (auch „Nordic Swan“). Es zertifiziert zahlreiche Produkte, darunter auch Notebooks. Sie müssen bestimmte Grenzwerte beim Energieverbrauch einhalten und dürfen keine Cadmium-, Blei-, oder Quecksilberzusätze enthalten. Außerdem müssen 90 % der verwendeten Kunststoffe und Metalle zurückgewonnen werden können.
Bei den Arbeitsbedingungen orientiert sich das Siegel am United Nations Global Compact, zu dem auch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zählt. Der Pakt schreibt Menschenrechte, Arbeitnehmerrechte und den Schutz der Umwelt vor. Die Umsetzung muss jeder Hersteller in einem Code of Conduct festhalten.
Die Kriterien werden regelmäßig verschärft, und jeder Hersteller muss jährlich Belege zu seiner gesamte Lieferkette einreichen. Zudem kann es unangemeldete Kontrollen geben. Zertifiziert sind einige Laptops von Fujitsu, HP und Lenovo.
Utopia-Fazit: Das Nordic Ecolabel fordert von den Herstellern hohe Standards bei der Herstellung von Laptops. Vergleichsweise anspruchsvoll sind die Recycling-Vorgaben und das Verbot bestimmter Schadstoffe. Die Ressourcengewinnung berücksichtigt allerdings auch dieses Label nicht.
Einordnung: TCO und Nordic Ecolabel
TCO und der „Nordic Swan“ sind Mitglied im Global Ecolabelling Network. Das Umweltbundesamt erklärt auf Utopia-Nachfrage: „Diese Umweltzeichen erfüllen als sogenannte ‚Typ I – Umweltzeichen‘ die Anforderungen der ISO 14024. Sie sind deshalb gleichberechtigt, was Anspruch an die Vorgehensweise und die dahinter liegenden Prozesse, wie z.B. die Kriterien entwickelt werden, betrifft. Das betrifft auch die Punkte Transparenz, Stakeholder-Beteiligung und Zertifizierung durch Dritte“.
Peter Pawlicki von Electronics Watch weist aber darauf hin, dass selbst das strenge TCO-Siegel nur einzelne Produkte bewertet: „Oft stellt ein Zulieferer Produkte mit und ohne TCO-Siegel her – doch haben sich dadurch die Arbeitsbedingungen verbessert? Sogar Samsung hat für einige Produkte das TCO-Siegel bekommen, obwohl der Konzern für seine Arbeitsbedingungen schon lange in der Kritik steht.“
In China sind zum Beispiel unabhängige Gewerkschaften verboten, obwohl die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeiterorganisation ILO diese vorschreiben. An diesen Arbeitsvorschriften orientiert sich auch das TCO-Siegel. Das Schlupfloch: Lokale Gesetze, wie das Verbot von Gewerkschaften, stehen über den ILO-Kernarbeitsnormen und setzen sie außer Kraft. So erhalten auch Unternehmen wie Samsung das TCO-Siegel.
Blauer Engel für Laptops und Smartphones: Das Siegel des Umweltamts
Ein Siegel mit erhöhten Umweltanforderungen (nach ISO 14024) für Laptops und Smartphones wird auch vom Bundesumweltamt und verschiedenen Umweltverbänden verliehen: Der Blaue Engel zertifiziert Laptops, die mindestens die Kriterien des Energy Star erfüllen und sich zum Recyceln leicht in ihre Einzelteile zerlegen lassen.
Ersatzteile müssen noch mindestens fünf Jahre nach Einstellung der Produktion verfügbar sein. Außerdem müssen mindestens 90 % der Kunststoffe und Metalle wiederverwertet werden können. Bestimmte kritische Chemikalien sind bei der Produktion verboten. Vorgaben zu den Arbeitsbedingungen gibt es jedoch nicht.
Nachdem die Kriterien 2011 verschärft worden waren, ging allerdings kein einziger Antrag bei der Vergabestellen mehr ein. Daher wurden die Anforderungen wieder herabgesetzt – doch es gibt noch immer kein Notebook, das den Blauen Engel trägt. Johanna Sydow weist außerdem darauf hin, dass soziale Kriterien bei dem Notebook-Siegel nicht berücksichtigt werden. Nicht einmal die Mindeststandards des Verbraucher-Portals Siegelklarheit.de (eine Initiative der Bundesregierung) würden erfüllt. „Hier muss der Blaue Engel noch besser werden“, so ihr Fazit.
Ein anderes Bild ergibt sich beim Blauen Engel für Smartphones: Die Arbeitsbedingungen müssen den Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) entsprechen. Die Bestandteile des Smartphone-Displays und des Kunststoffgehäuses dürfen nicht giftig, krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sein. Mit dem Fairphone 2 trägt aber bislang nur ein einziges Smartphone den Blauen Engel.
Utopia-Fazit: Das Siegel Blauer Engel ist nicht perfekt, aber es ist eines der wenigen Siegel für Smartphones. Bisher hat allerdings nur das Fairphone 2 das Siegel erhalten. Vorgaben zur Verwendung von Konfliktrohstoffen fehlen beim Siegel jedoch – dies liegt unter anderem daran, dass der Blaue Engel ein Umweltsiegel ist und soziale Kriterien eine untergeordnete Rolle spielen.
EU-Ecolabel: Das nachhaltigste Siegel
Die Europäische Kommission hat ein besonders strenges Nachhaltigkeitssiegel erarbeitet. Es schreibt neben Umweltstandards auch vor, dass Hersteller ihre Sorgfaltspflicht beim Bezug von Konfliktrohstoffen erfüllen müssen.
Das EU-Ecolabel fordert „verantwortungsvolle Lieferketten für Mineralien aus Konflikt- und Hochrisikogebieten“ und orientiert sich an den OECD-Leitlinien. Kinderarbeit, Zwangsarbeit, Diskriminierung und ein Lohn unterhalb des Existenzminimums sind Ausschlusskriterien. Unternehmen müssen sich dazu verpflichten, diese Kriterien einzuhalten.
Peter Pawlicki von Electronics Watch sieht das kritisch: „Wenn Unternehmen eine Eigenerklärung abgeben, dass sie verantwortungsvoll handeln, erinnert mich das sehr an die Schule, wo ich mir eine eigene Entschuldigung schreiben kann.“ Sinnvoller seien neben gesetzlichen Vorschriften unabhängige Monitoringprozesse, wie sie Electronics Watch für öffentliche Institutionen anbietet.
Die Umweltanforderungen des EU-Ecolabels sind höher als bei anderen Siegeln: Computer müssen mindestens die Kriterien des Energy Star erfüllen und strenge Grenzwerte bei giftigen und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen einhalten. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sind beispielsweise nur bis 1 mg/kg erlaubt.
Die Notebooks müssen verschiedene Belastbarkeitstests bestehen und kleine Wasserschäden aushalten. Sollte doch einmal etwas kaputtgehen, müssen die Computer leicht zu reparieren sein, und Einzelteile müssen sich einfach austauschen und recyceln lassen.
Allerdings ist derzeit kein einziges Gerät mit dem Siegel zertifiziert, wie uns auch die zuständige Zertifizierungsstelle bestätigt.
Utopia-Fazit: Das EU-Ecolabel ist das nachhaltigste Siegel, weil es hohe Umweltstandards und eine sozialverträgliche Ressourcengewinnung und Produktion vorschreibt. Es ist allerdings so streng, dass derzeit kein einziges Notebook zertifiziert ist.
„In manchen Aspekten – etwa bei Umweltstandards – sind die Anforderungen noch weit von der unternehmerischen Praxis entfernt“, so Johanna Sydow von Germanwatch. Sie findet es aber wichtig, dass die Kriterien nicht abgeschwächt werden. Stattdessen sollen Unternehmen gesetzlich dazu angehalten werden, ihre Produktionsketten nachhaltiger zu gestalten.
Tipps: Nachhaltige Notebooks und Smartphones kaufen
Vollständig nachhaltige Laptops und Smartphones gibt es leider nicht. Bestimmte Konfliktrohstoffe, die zur Herstellung von IT-Produkten benötigt werden, lassen sich heute noch nicht zu nachweisbar fairen Bedingungen beziehen. Du kannst aber zu folgenden nachhaltigeren Produkten greifen:
- Gebraucht kaufen: Wer IT-Produkte gebraucht kauft statt neu, verhindert neuen Rohstoffabbau. Lies dazu unsere Beiträge Gebrauchte Elektronikgeräte und Gebrauchte Handys.
- Nachfrage stärken: Wenn es doch ein neues Smartphone oder Notebook sein soll, dann kannst du dich im Geschäft nach den Produktionsbedingungen und der Nachhaltigkeit erkundigen. Damit stärkst du die Nachfrage nach nachhaltigen IT-Produkten.
- Nachhaltigere Marken: Auf rankabrand.de findest du Einschätzungen zur Nachhaltigkeit aller großen Elektronik-Anbieter. Die Aussagen beruhen auf Nachhaltigkeitsberichten und sind sicher streitbar – aber eben auch ein guter erster Anhaltspunkt.
- Greenpeace-Empfehlungen: Die Umweltaktivisten aktualisieren regelmäßig ihren „Guide to Greener Electronics“ (zuletzt 2017), den es als 22-seitiges PDF zum Download gibt. Eine kürzere Version ist das Factsheet grüne Elektronik.
- Langlebige Produkte: Einige Geräte lassen sich bei einem Defekt leicht reparieren oder mit günstigen Ersatzteilen ausstatten. Vor der Kaufentscheidung kannst du dir bei de.ifixit.com anschauen, wie gut sich das Produkt deiner Wahl reparieren lässt.
- Einige wenige klare Empfehlungen: Die grünsten Smartphones sind zurzeit (Dezember 2018) das Fairphone 2 und die Shiftphones mit z.B. dem Shift 6m. Bei Notebooks fallen unter anderem Apple, Dell und HP positiv(er) auf.
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