Sneaker sind zum Allround-Schuh schlechthin geworden – ob für Sport, Büro oder Party. Bleibt ein kleines Problem: Sie bestehen zumeist aus einem Haufen unverrottbarem Plastik. Ist Recycling die Lösung, um ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren? Und welche Marken machen es bereits besser?
20 Milliarden Paar Schuhe werden weltweit pro Jahr hergestellt. Allein Nike verkauft jede Sekunde 25 Paar Sneaker. Ein gigantischer Berg an Material. Und da sowohl Sohlen als auch Oberstoff der meisten Sportschuhe aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt sind, steht dahinter ein vielfach größerer Verbrauch an Energie, Chemikalien und CO2.
Eine ganze Branche sucht deshalb nach Lösungen, um diese eingesetzten Ressourcen zu reduzieren und möglichst den Müllberg am Ende des Sneaker-Lebens gleich dazu. Recycling ist das große Zauberwort.
Meist geht es bisher aber nicht um geschlossene Kreisläufe, sondern darum, aus Abfällen wie Autoreifen oder Meeresplastik wieder neue Schuhe herzustellen. Nicht in jedem Fall ist das ökologisch sinnvoll – aber in der Regel reduziert es zumindest den Ressourcenverbrauch gegenüber der Verwendung neuer Materialien.
Bleed-Sneaker: CO2-Einsparung durch Recycling-Materialien
Das bayerische Fair-Fashion-Label Bleed hat seinen ersten Sneaker per Crowdfunding finanziert und eine beachtliche CO2-Einsparung erreicht: Werden bei der Herstellung eines konventionellen Sneaker-Paars durchschnittlich rund 13 Kilo CO2 ausgestoßen, kommt der neue ECO4 nur auf knapp vier Kilo.
Rund drei Viertel dieser Einsparung gehe auf die Verwendung von Recycling-Materialien zurück; das hat der kooperierende Berater ClimatePartner errechnet. Im Oberstoff ist das eine Mischung aus Polyester und Baumwolle, die aus Industrieabfällen und PET-Flaschen recycelt wurde, in der Sohle sind Autoreifen- und Plastik-Abfälle mit Naturkautschuk eingeschmolzen, die Innensohle besteht aus Recycling-Polyester und Kork.
Bleed-Gründer Michael Spitzbarth tüftelte vier Jahre lang mit seinem portugiesischen Fabrikanten an der Entwicklung des Schuhs, bis er zufrieden war. Jetzt bewirbt er den ECO4 wegen seines niedrigen CO2-Abdrucks mit dem ehrgeizigen Slogan „der wohl umweltfreundlichste Schuh auf dem Markt“.
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Recycling als Marketing-Trend
Kein Zweifel, „Recycling“ ist ein Schlagwort, mit dem sich Marketing betreiben lässt, und gerade in der Sportbranche nimmt das Thema Fahrt auf. Prominentestes Beispiel ist die Marke Adidas, die 2016 eine Sneaker-Kollektion lancierte, für die sie Plastik-Müll aus dem Meer recycelt.
Gemeinsam mit dem Partner „Parley for the oceans“ sammelt man PET-Flaschen an den Stränden der Malediven und illegale Fischernetze vom Meeresgrund und recycelt diesen Abfall: Zu rund 90 Prozent besteht das gestrickte Obermaterial der Parley-Schuhe aus Meeresmüll. 2018 verkaufte Adidas davon rund fünf Millionen Paar.
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Auch das spanische Ethical-Fashion-Label Ecoalf recycelt für seine „Ocean Waste Footwear“ Ozeanmüll. Ecoalf hat errechnet, dass dadurch 20 Prozent weniger Wasser sowie 50 Prozent weniger Energie verbraucht werden gegenüber der Verwendung von neuem Polyester, während die Emissionen um 60 Prozent sanken. Das besondere an den Sneakern ist jedoch die Sohle: Sie bestehen aus einem „Hochleistungsschaum“, der auf Basis extrahierter Algen hergestellt wurde.
Die Sohlen sind für das Recycling die wohl größte Herausforderung, denn in ihnen steckt bei Sneakern fast die gesamte Funktion. Die meisten Sneaker-Sohlen bestehen aus EVA (Ethylvinylacetat) und/oder PU (Polyurethan). Beides sind erdölbasierte Kunststoffe, die den Vorteil großer Leichtigkeit besitzen. Vor allem EVA ist wichtig für die Dämpfungssysteme, weil es sich unter Bildung von Luftpolstern aufschäumen lässt.
Wie die Öko-Bilanz des Algen-EVA von Ecoalf aussieht, müsste noch berechnet werden. Adidas verwendet für seine Parley-Sneaker derzeit Sohlen aus konventionell hergestelltem Polyester – aus „Performance-Gründen“, wie eine Unternehmenssprecherin sagt. Wenn man bedenkt, dass die Sohle eines Sneakers rund 90 Prozent seines Gewichts ausmacht, relativiert sich der Recycling-Anteil in den Parley-Schuhen also erheblich.
Recycling von Meeresplastik: Macht das wirklich Sinn?
Das von Adidas ausgegebene Ziel, bis 2024 in Kleidung und Schuhen nur noch recyceltes Polyester zu verwenden, nötigt selbst manchem Öko-Textil-Experten Respekt ab. Die Verwendung von Meeres-Plastik bleibt dennoch ein zweischneidiges Schwert: Natürlich ist es gut, wenn diese Kunststoffe aus den Ozeanen gefischt werden.
Eine Lösung für die Zukunft ist es gleichwohl nicht. Denn abgesehen davon, dass umstritten bleibt, wie viele Schadstoffe sich in Meeres-Plastik anreichern, müsste das Ziel eher sein, dass Plastikflaschen erst gar nicht im Ozean landen, sondern stattdessen in regionalen Kreisläufen wiederverwendet werden.
Schuhsohlen aus Industrieabfällen
Was hingegen durchaus Sinn macht und technisch schon gut funktioniert, ist das Recycling von Produktionsabfällen – so genanntem „Pre Consumer Waste“ – zum Beispiel zu Schuhsohlen: Ausschuss von Autoreifenfabriken etwa, denn aus Sicherheitsgründen dürfte daraus ohnehin kein neuer Autoreifen entstehen.
Oder auch PU aus Schuhsohlen-Pressungen, das direkt in der Produktion wieder neu eingeschmolzen wird, wie es beispielsweise das Frankfurter Schuhlabel ekn footwear praktiziert. „Unser portugiesischer Sohlenfabrikant sammelt die Abfälle, wenn er für konventionelle Labels Sohlen presst und stanzt sie für uns neu aus“, beschreibt ekn-Gründer Noel Klein-Reesink das Verfahren. Daraus wird dann beim Sneaker „Argan“ eine weiße Sohle, die mit Polyester aus recycelten PET-Flaschen als Obermaterial vernäht ist. Der Low Seed-Runner von ekn, der es sogar bis in den Manufaktum-Katalog geschafft hat, besitzt eine Zwischensohle aus recyceltem EVA – auch die stammt aus Pre Consumer Waste.
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Um die gewünschte Langlebigkeit und Farbe zu erhalten, wird aber häufig mit neuem Material gemischt. So verwendet das Hamburger Schuhlabel Zweigut in den Sohlen seiner nachhaltigen Linie „Echt“ je nach Material und Farbe zwischen 30 und 80 Prozent Schredder aus Autoreifen- und Sohlen-Fabriken. „Wir müssten sonst Abstriche in der Qualität in Kauf nehmen“, erklärt Firmengründer Bastian Baumann. Im Programm der in Portugal produzierten Echt-Kollektion sind neben Kork-Modellen auch Retro-Sneaker, deren Leder als Abfall in der Produktion von Autositzen angefallen ist.
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„Wir sollten daran arbeiten, dass Sneaker nicht so schnell kaputt gehen“
Es bleibt also die Erkenntnis: Es ist ein erster richtiger Schritt, Sneaker aus recycelten Abfällen herzustellen. Dennoch verschiebt es die Frage, was mit einem Schuh nach Ende seines Lebens passiert, nur um ein paar Jahre (oder Monate) nach hinten. Die Lebensspanne von Sneakern ist kurz, zumal sie kaum repariert werden können.
„Bevor wir überhaupt an Recycling denken, sollten wir daran arbeiten, dass Sneaker nicht so schnell kaputt gehen und ich sie als Konsument auch so lange wie möglich trage“, findet Kai Nebel, der an der Hochschule Reutlingen zum Thema Textilrecycling forscht.
Landen intakte Schuhe im Altkleidercontainer, von wo sie mehrheitlich als Secondhandware nach Afrika oder Osteuropa exportiert werden, ist das zwar vielleicht ökologisch besser als sie zu verschrotten. Im Zweifelsfall enden sie einige Zeit später aber mangels funktionierender Entsorgungssysteme in einem Straßengraben oder im Meer eines anderen Kontinents.
Der Idealfall wäre deshalb, Schuhe bis ans Ende ihres Lebens zu tragen und sie dann wieder in einen regionalen Kreislauf zurück zu führen, findet Kai Nebel. Doch wie kann das funktionieren?
Was wird aus zerlegten Schuhen?
Manche Hersteller denken bereits über so etwas wie ein Schuh-Pfand nach, doch realisiert hat es noch keiner. Adidas sammelt über seinen Partner I:Co, ein Tochterunternehmen des Alttextil-Konzerns SOEX, in sehr wenigen Pilot-Stores gebrauchte Schuhe ein. SOEX hat vergangenen Sommer eine Schuhrecycling-Anlage in Betrieb genommen, und zerlegt dort auch Sneaker in ihre Einzelteile.
Sportartikel-Gigant Nike nimmt in seinem „Reuse-a-shoe“-Programm in einigen deutschen Läden seit 2007 gebrauchte Sneaker zurück. Das Unternehmen trennt diese in ihre Bestandteile Gummi, Schaum, Leder und Textilien auf und vermarktet den Schredder als „Nike Grind“ an Hersteller von Sportplatzbelägen oder Teppichböden. Das Problem ist jedoch überall dasselbe: Niemand weiß, was man mit diesem „Post-Consumer-Waste“ wirklich Sinnvolles anfangen könnte, denn sortenreine Materialien sind das nicht.
„Wir brauchen nicht noch mehr Malervlies und Straßenbeläge“, sagt Kai Nebel. Nicht umsonst hat Nike 2018 einen Design-Wettbewerb ausgerufen, auf der Suche nach Ideen zur Verwertung des „Grind“. Prämiert wurden am Ende: Griffe für Kletterhallen, Autostopper zur Verkehrsberuhigung und Yoga-Matten. Das zeigt auf schmerzliche Weise, wie weit wir noch von einem geschlossenen Kreislauf entfernt sind.
Recyclingfähigkeit gehört ins Produktdesign
„Die Wiederverwertbarkeit muss schon viel früher beginnen und bereits beim Design des neuen Produkts mitgedacht werden.“ Ina Budde gründete mit dieser Überzeugung das Berliner Start-up Circular.fashion. Circular.fashion bietet seinen Partnern eine Software an, mittels derer Designer auf eine Datenbank von Materialien zurückgreifen können, deren Recyclingfähigkeit nicht nur überprüft ist, sondern für die sogar bereits ein Betrieb feststeht, der den Stoff zu gleichem Wert recyceln kann.
Jeder Schuh und jedes Bekleidungsstück nach dem Circular.fashion-Prinzip wäre dann mit einem QR-Code ausgestattet, der dem Sortierbetrieb die nötigen Informationen gibt, in welche Kanäle die Teile zurückfließen müssen. Einige wenige Modekollektionen arbeiten bereits mit dem System, aber Budde räumt ein: „Für Schuhe ist es definitiv ein längerer Weg bis zu einem geschlossenen Kreislauf.“ Denn die seien mit ihren bis zu 40 Einzelteilen die viel größere Herausforderung. Und schließlich bleibt offen, ob jemals die nötigen Mengen zusammenkommen werden, um die Recycling-Anlagen rentabel laufen zu lassen.
Bis das so weit ist, produziert das Label Melawear für den natürlichen Kreislauf: Sein GOTS-zertifizierter Sneaker ist komplett in seine 24 Komponenten zerlegbar – und die meisten davon können auf den Kompost.
Umweltfreundlichere Sneaker: Was du tun kannst
- Auch recycelte Materialen benötigen Ressourcen und deshalb ist der umweltfreundlichste Schuh noch immer der, der gar nicht neu produziert werden muss. Es gilt daher das Gleiche wie überall in der Mode: Gute Qualität kaufen und Sneaker so lange tragen wie möglich!
- Wenn der Schuh doch kaputt geht: reparieren lassen! Bisher war das gerade bei Sneakern mit ihren geklebten Sohlen sehr schwierig. Doch seit kurzem hat der junge Berliner Schuhmacher Hagen Matuszak Sneaker Rescue gegründet und repariert dort Sneaker.
- Solange du es nicht als Absolution für mehr Konsum betrachtest, ist es durchaus sinnvoll, Schuhe aus recycelten Materialien zu kaufen. Je mehr Nachfrage nach solchen Produkten die Industrie registriert, desto schneller wird sich das Thema weiter entwickeln.
- Sollte man Recycling-Produkte bei den großen Sportartikelmarken kaufen? Jein. Was diese Marken tun, hat Signalwirkung für die Branche. Insofern sind Adidas & Co. wichtig dafür, dass das Thema Recycling in Fahrt kommt. Auf einem anderen Blatt steht, welche Chemikalien sie verwenden und zu welchen Bedingungen ihre Schuhe in Asien hergestellt werden.
- Deshalb: Ruhig nerven und im Laden nachfragen, ob du deine gebrauchten Schuhe zurückgeben kannst. Nur so registrieren die Hersteller, dass sie sich weiterbewegen müssen.
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