Spermidin soll Alterungsprozesse verlangsamen und angeblich vor einer Reihe von Krankheiten, darunter Covid-19, schützen. Wie glaubwürdig diese Versprechen zur Wirkung von Spermidin tatsächlich sind, erfährst du hier.
Spermidin gibt es als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Kapseln oder Pulver. Der Stoff kommt jedoch auch natürlicherweise in Lebensmitteln vor. So weisen etwa Weizenkeime oder Kürbiskerne laut manchen Verpackungen einen besonders hohen Spermidingehalt auf.
Hersteller:innen bewerben den Stoff unter anderem als „Vitalfood“ und „Jungbrunnen“, der Alterungsprozesse aufhalten, die Lebensdauer verlängern und gegen Corona und Krebserkrankungen helfen soll. Zudem soll Spermidin den Körper in den Fastenmodus versetzen können – auch ohne, dass du auf Nahrung verzichten musst. Wissenschaftlich belegt ist bislang keine dieser Aussagen.
Spermidin: Wirkung und falsche Versprechungen
In ihren Ansätzen sind die verschiedenen Werbeversprechen zu Spermidin nicht völlig falsch. So kann der Stoff laut der Verbraucherzentrale tatsächlich zelluläre Reinigungsprozesse, die sogenannte Autophagie, auslösen. Autophagie ist ein Prozess, der auch beim Fasten im Körper vermehrt geschieht. Es handelt es sich dabei um eine Art Selbstreinigungsprogramm der Zellen. Dabei werden fehlerhafte, nicht benötigte und krankhafte Zellbestandteile vom Körper selbst abgebaut und für andere Prozesse genutzt.
Spermidin kann deshalb eventuell dazu genutzt werden, Therapieverfahren für verschiedene Infektionserkrankungen, Krebs und altersbedingte Beschwerden zu entwickeln. Die Wissenschaft steht laut der Verbraucherzentrale in diesem Bereich jedoch noch völlig am Anfang. Noch gibt es weder eindeutige Nachweise für die heilende Wirkung von Spermidin noch genaue Angaben über notwendige Mengen oder eventuelle Nebenwirkungen.
Spermidin und Corona
An der Berliner Charité wurde 2020 im Rahmen einer Studie die Wirkung von Spermidin auf Covid-19-Erreger untersucht. Laut den Ergebnissen kann Spermidin die Vermehrung der Erreger tatsächlich drosseln. Ausgehend von dieser Studie verbreitete sich schnell die Annahme, der Stoff sei als Nahrungsergänzungsmittel eine effiziente Therapie gegen das Virus. Diesen voreiligen Schluss weisen die Forschenden jedoch zurück.
So nutzten die Wissenschaftler:innen bei den Untersuchungen eine extrem hohe Konzentration an Spermidin, die wohl kaum über Nahrungsergänzungsmittel zu erreichen ist. Das liege unter anderem auch an dem Aspekt der Bioverfügbarkeit. Dieser betrifft alle oral eingenommenen Stoffe. Denn sie gehen nicht direkt ins Blut über, sondern werden oft zunächst verdaut, abgebaut und eventuell sogar wieder ausgeschieden. So gelangt, wenn überhaupt, nur ein Bruchteil der oral eingenommenen Menge in die Blutbahn. Wissenschaftliche Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies auch bei Spermidin der Fall ist.
Kurz gesagt: Spermidin verhindert weder als Kapsel noch als natürlicher Stoff in Lebensmitteln eine Corona-Infektion und gilt auch nicht als wirksame Therapie. Die Ergebnisse der entsprechenden Studie werten Forschende bislang lediglich als einen spannenden Ansatzpunkt für folgende Forschungsprojekte.
Spermidin: Krebserregend oder Anti-Aging-Mittel?
Hersteller:innen zitieren auf ihren Webseiten zu bestimmten Spermidin-Produkten teilweise auch konkrete Studien, die die Wirkung der Substanz bestätigen sollen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind keine dieser Studien verlässlich. So ist beispielsweise die Teilnehmer:innen-Zahl zu gering oder Beschreibungen zum Ablauf und zu den verwendeten Methoden sind unzureichend. Auch gibt es Studien, die an Tieren durchgeführt wurden und den lebensverlängernden Effekt von Spermidin bestätigen sollen. Diese seien jedoch nicht direkt auf den Menschen übertragbar.
Zudem ist nicht auszuschließen, dass Spermidin in zu hoher Dosis über einen längeren Zeitraum auch negative Effekte haben könnte. So gebe es bislang zwar Zell- und Tierstudien, die die tumorhemmende Wirkung von Spermidin belegen. Andere Studien weisen hingegen darauf hin, dass die Substanz die Entstehung von Krebs sogar fördern könnte. Inwieweit Spermidin also krebserregend sein könnte, ist bislang ebenfalls noch nicht geklärt.
Spermidin: Das solltest du vor der Einnahme beachten
Um deinem Körper Spermidin zuzuführen, brauchst du übrigens gar keine Kaspeln und Pulver. Die Substanz kommt laut der Verbraucherzentrale schließlich auch in Pilzen, Hülsenfrüchten, Blumenkohl oder Käse vor. So kommst du teilweise bereits mit 50 Gramm Blumenkohl oder 2,5 Gramm Cheddar-Käse auf den gleichen Spermidingehalt, der auch in Spermidin-Weizenkeimen enthalten ist, die als „hochdosiert“ deklariert sind.
Laut Analysen der Verbraucherzentrale werden teilweise auch ganz normale Weizenkeime als Spermidinprodukte vermarktet, obwohl die Substanz hier gar nicht zugesetzt beziehungsweise angereichert wurde.
Teilweise setzen Hersteller:innen Spermidinprodukten zudem weitere Nährstoffe wie etwa Vitamin C, Vitamin E oder Zink zu. Je nach Dosierung kann es deshalb auch schnell zu Überdosierungen kommen – vor allem dann, wenn du bereits Nahrungsergänzungsmittel zu dir nimmst. Checke deshalb vor der Einnahme immer den Gehalt des zugesetzten Nährstoffes. Bei einer gesunden und ausgewogenen Ernährung ist eine zusätzliche Einnahme der oben genannten Nährstoffe zudem in der Regel nicht notwendig.
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