Das Thema Wasserknappheit beherrscht immer wieder die Medien. Doch wie schlimm ist die Situation hier in Deutschland? Wird bei uns das Wasser knapp?
Momentan genießen wir in Deutschland schönes Sommerwetter. Doch das niederschlagsarme Frühjahr und Sommer hat auch negative Konsequenzen: In Brandenburg und in anderen Teilen des Landes brennt es. Doch schon vor dem Sommer wurden Warnungen laut: Europa und auch Deutschland trocknen immer weiter aus, schreibt zum Beispiel die Deutsche Welle.
Noch haben wir alle zudem die aufsehenerregenden Schlagzeilen der letzten Jahre im Kopf, als Kanada einen Temperaturrekord nach dem anderen gebrochen und auch Deutschland erneut mit Hitzewellen zu kämpfen hatte. Vor allem wenn die künftigen Sommer wieder mit heißen Temperaturen und gebietsweisen Dürren einhergehen, hat das nicht nur Konsequenzen für die Landwirtschaft, die Wälder und viele Wildtiere. Auch auf den Wasserhaushalt würde sich das auswirken. Doch wie genau und wie schlimm ist die Lage aktuell? Gibt es bald Wasserknappheit in Deutschland? Oder herrscht sie bereits?
Wie viel Wasser brauchen wir?
Mit dem Wasser ist es wie mit allem: Wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, haben wir ein Problem. Und die Nachfrage ist groß: rund 128 Liter Trinkwasser verbraucht eine Person in Deutschland an nur einem Tag. Das ist etwas weniger als in eine Badewanne passt. Davon trinken wir im Schnitt aber nur 1,5 bis zwei Liter, der Rest wird verwendet fürs Duschen, Waschen, die Klospülung et cetera.
Bei 83 Millionen Deutschen kommt man auf eine ganze Menge Badewannen. Und das sind nur wir Verbraucher:innen – an anderen Stellen wird viel mehr Wasser verbraucht.
Laut Umweltbundesamt haben im Jahr 2016 die öffentliche Wasserversorgung, die Industrie (Energieversorger, Bergbau, verarbeitendes Gewerbe) und die Landwirtschaft 24 Milliarden Kubikmeter Wasser aus Grund- und Oberflächengewässern entnommen. Fast 53 Prozent davon entnahmen Energieversorger – sie nutzen das Wasser vor allem als Kühlwasser, unter anderem für Kohle- und Atomkraftwerke. Die öffentliche Wasserversorgung war mit 21,7 Prozent beteiligt, die Landwirtschaft mit gerade mal 1,3 Prozent.
Dass wir unser Wasser so intensiv nutzen, ist erstmal nicht schlimm, denn Deutschland ist ein wasserreiches Land. Uns steht also viel mehr Wasser zur Verfügung als wir entnehmen. Laut Umweltbundesamt waren es 2016 gerade mal 12,8 Prozent, kritisch wird es erst ab einer Entnahme von 20 Prozent (Wasserstress).
Doch der Klimawandel stellt unseren Wasserkreislauf vor Probleme, wie unter anderem die letzten Jahre gezeigt haben.
Herrscht in Deutschland schon Wasserknappheit?
„Abgesehen von regionalen Ausnahmen bestehen im Hinblick auf die Grundwassermenge keine Probleme“, schreibt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Allerdings sei das Wasserangebot in den einzelnen Regionen aufgrund der unterschiedlichen Niederschlagsmengen, Ergiebigkeit der Grundwasservorkommen oder Verfügbarkeit von Oberflächengewässern recht unterschiedlich, ebenso wie der Wasserbedarf, der in Ballungsgebieten besonders groß ist.
Welche Folgen diese Unterschiede haben können, hat uns der Sommer 2020 gezeigt: Damals wurden in verschiedenen Orten das Wasser knapp. Die hessische Gemeinde Grävenwiesbach rief beispielsweise den Trinkwassernotstand aus und in Lauenau gab es Trinkwasser kurzzeitig nur noch im Supermarkt zu kaufen. In beiden Fällen war die lange Trockenheit Grund für den Notstand.
Im Moment hält sich der Wassermangel noch in Grenzen – doch in naher Zukunft könnte das anders sein. Denn auch wenn sich Trinkwasserknappheit 2018 oder 2019 auf „lokale Einzelfälle“ beschränkt hat, waren in vielen Talsperren und auch in anderen Rohwasserquellen, wie einzelnen Grundwasserstockwerken, kaum noch Reserven vorhanden. Das erklärte uns Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der dort das Department Aquatische Ökosystemanalyse und Management leitet. „Das System war an vielen Stellen bis an kritische Grenzen beansprucht“, warnte Borchardt 2021 gegenüber Utopia. „Da das Wetter zukünftig noch etwas extremer wird, müssen wir genau hinschauen, ob die Wasservorräte noch reichen.“
Wie sich der Klimawandel auf unser Wasser auswirkt
Das Frühjahr 2022 ist aktuell wenig niederschlagsreich, und obwohl 2021 kein Dürrejahr war, so haben sich trockenen Jahre 2018 bis 2020 in den Böden bemerkbar gemacht. Laut dem Dürremonitor des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung ist der Oberboden bis 25 Zentimeter Tiefe aktuell in weiten Teilen Deutschlands nicht sonderlich trocken – „extreme“ oder „außergewöhnliche“ Dürre gibt es nur stellenweise im Süd-Westen. (Stand: 21.03.2022). Doch bis 1,8 Meter Tiefe sieht die Situation anders aus. Auch im Nord-Osten des Landes leiden große Teile der Böden unter extremer und sogar außergewöhnlicher Dürre.
Diese Trockenheit wirkt sich unter anderem auf die Schifffahrt, Wälder und die Landwirtschaft aus – aber auch auf unser Grundwasser. Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), erklärte 2021 gegenüber dem ZDF, dass wir als Folge des dritten Trockenjahres ein Absinken des Grundwasserspiegels zu verzeichnen hätten. Dieser Effekt lässt sich auch durch gelegentlichen Starkregen nicht umkehren, weil es Jahre braucht, bis Regenwasser zum Grundwasser durchgedrungen ist. „Es müsste im Prinzip über mehrere Jahre hintereinander ordentlich regnen, damit sich der Grundwasserspiegel wieder regeneriert“, so der Experte.
Auch andere Forscher:innen weisen darauf hin, dass sich große Wassermengen durch Verdunstung, Regenfälle oder Abfluss ins Meer verlagern. Aktuellen Daten der Grace Satelliten zufolge hat Deutschland schon 2022 einen Wasserrückgang in Höhe von 2,5 Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr zu verzeichnen. „Damit gehört es zu den Regionen mit dem höchsten Wasserverlust weltweit“, erklärt Jay Famiglietti, der Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität im kanadischen Saskatoon. „Im Klartext: Deutschland hat in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren.“
Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung meint zwar, man rechne in Deutschland im Mittel nicht mit weniger Niederschlag – aber die räumliche Verteilung werde sich ändern: „Schon heute trockenere Gegenden in Deutschland werden noch trockener, feuchtere werden gegebenenfalls feuchter.“ Auf diese Weise wird örtliche Wasserknappheit wahrscheinlicher. Der Experte warnt auch, dass ausgeprägte Dürreperioden gepaart mit Hitzewellen wahrscheinlich häufiger werden und länger andauern, in Regenperioden werde es mehr Starkregenereignisse geben.
Und wann wird es soweit sein? Lange dauern wird es laut Borchardt nicht mehr. Derzeit seien die Veränderungen durch den Klimawandel noch moderat. Doch selbst wenn wir es schaffen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, bedeute dies, dass Jahre wie 2018 spätestens ab etwa 2040 oder 2050 die Normalität werden. „Jedes Emissionsszenario, das schlechter ist als das 1,5-Grad-Ziel, wird diese Tendenzen noch einmal in Richtung Extremwetter verschärfen“, warnt der Experte.
Weitere Gründe für Wasserknappheit: Nitrat, Pestizide und Medikamente
Hinzu kommt, dass unser Wasser noch ganz anderen Gefahren ausgesetzt ist – unter anderem durch unsere Lebensweise. „Mindestens ein Drittel der Grundwasserkörper in Deutschland sind heutzutage so belastet, dass sie nur mit großem Aufwand, wenn überhaupt, zu Trinkwasser genutzt werden können“, erklärt Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.
Das gelte auch für Flüsse, mit deren Oberflächenwasser man Grundwasser teils künstlich anreichert. Die Stoffe, die es verunreinigen, stammen teils aus der Landwirtschaft (zum Beispiel Gülle, Pestizide), teils aus der Industrie (zum Beispiel Chemikalien) – aber zum Teil auch von uns Verbraucher:innen. Denn über das Abwasser verteilen sich Stoffe aus unseren Reinigungs-, Pflanzenschutzmitteln oder Medikamenten schließlich im gesamten Wasserkreislauf.
Tipps für einen bewussten Umgang mit Wasser
Wasserknappheit ist ein reales Problem für Deutschland. Sollten wir deshalb aktuell Wasser sparen? Schaden kann es auf jeden Fall nicht. Das geht zum Glück ganz einfach: Lieber Duschen statt Baden, einen sparsamen Duschkopf verwenden, die Waschmaschine nicht halbleer laufen lassen – all das kann einen großen Unterschied machen.
Dietrich Borchardt empfiehlt Hausbesitzer:innen zudem: Regenwasser in Zisternen speichern und nutzen – zum Beispiel für die Toilettenspülung oder um den Garten zu bewässern. Weitere Tipps findest du in unserem Artikel: Wasser sparen im Haushalt: 10 Tipps.
Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, unser Trinkwasser zu schützen – hier ein paar Beispiele:
- Produkte mit hohem Wasserfußabdruck meiden oder bewusst konsumieren, zum Beispiel Schokolade (1.700 Liter), Rindfleisch (15.000 Liter – vegetarisch ist besser), Jeans (8.000 Liter – möglichst gebraucht kaufen), PC (20.000 Liter – möglichst lange nutzen).
- Reinigungsmittel mit seriösen Siegeln kaufen, die möglichst wenige Schadstoffe garantieren, und diese sparsam einsetzen.
- Abwasser nicht als Mülleimer nutzen: Arzneimittel, Farbreste, Zigarettenkippen und Tierstreu haben im Abfluss nichts zu suchen!
- Mikroplastik vermeiden. Das gelangt zum Beispiel über Kosmetik, Synthetikwäsche oder Reiniger ins Abwasser und so in die Umwelt. Lies dazu am besten unsere Tipps gegen Mikroplastik.
Nationale Wasserstrategie: So will die Regierung unser Trinkwasser schützen
Wir Verbraucher:innen haben nur begrenzt Einfluss auf den Wasserhaushalt. Noch mehr muss die Politik dafür sorgen, dass wir auch in kommenden Jahren genügend Wasser für Verfügung haben. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) warnte im Sommer 2021: „Drei Dürrejahre in Folge haben gezeigt, dass Deutschlands Wasserreichtum keine Selbstverständlichkeit mehr ist.“
Um Deutschlands Wasserversorgung zu sichern, stellte sie eine nationale Wasserstrategie vor (PDF). Diese sieht unter anderem vor, die Versorgungsnetze auszubauen, um auch Regionen mit wenig Wasser gut versorgen zu können. Auch soll unter anderem genauer erfasst werden, in welchen Regionen das Wasser knapp werden könnte. Um den ökologischen Zustand von Gewässern zu verbessern und sie widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel zu machen, will der Bund eine Milliarde Euro über einen Zeitraum von zehn Jahren zur Verfügung stellen. An der Erarbeitung war auch Dietrich Borchardt beteiligt, ebenso wie zahlreiche weitere Expert:innen, Interessensverbände, NGOs – auch zufällig ausgewählte Bürger:innen hatten die Gelegenheit, ihre Ansichten zu äußern. Die Strategie wurde 2021 in den Koalitionsvertrag der Ampelregierung aufgenommen.
Die Nationale Wasserstrategie stellt verschiedene Lösungswege vor, um unser Trinkwasser besser zu verteilen und effizienter einzusetzen und hat auch bei Umweltschützer:innen Zuspruch gefunden. Doch wird der Ausbau der Versorgungsnetze voraussichtlich Zeit in Anspruch nehmen. Probleme wie Flächenversieglung oder der hohe Wasserverbrauch von Atom- und Kohleenergie stehen nicht im Fokus.
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