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Was bedeutet Nachhaltigkeit? Warum eine Definition so schwierig ist

Nachhaltigkeit: Definition
Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Trent Haaland

Nachhaltigkeit – ein schlichtes Wort, hinter dem sich viele Bedeutungen verstecken. Die Definition von Nachhaltigkeit umfasst den schonenden Umgang mit natürlichen Ressourcen genauso wie soziale Gerechtigkeit.Der Begriff ist allgegenwärtig und doch oft schwer greifbar: Für „Nachhaltigkeit“ gibt es keine allgemeingültige Definition.

Man kann sich der Nachhaltigkeit auf der Suche nach einer Definition aber von mehreren Seiten nähern. Zum Beispiel vom Gegenteil:

Raubbau, Inseln aus Plastikmüll, mit Giftstoffen belastete Müllberge und steigende CO2-Emissionen schädigen die Erde nachhaltig, also lang anhaltend. Gleichzeitig sind sie natürlich ökologisch überhaupt nicht nachhaltig, also nicht ressourcenschonend.

Das Beispiel illustriert die beiden unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs.

Nachhaltigkeit: Versuch einer Definition

Mit Nachhaltigkeit kann also – so die ursprüngliche Bedeutung – erstens eine anhaltende, langfristige Wirkung gemeint sein.

Meist ist der Begriff aber heute zweitens mit Umweltschutz, Ökologie und Ressourcennutzung verbunden: Als Strategie, welche die heutigen Bedürfnisse der Menschheit so befriedigt, dass die natürlichen Grundlagen erhalten bleiben, um die Bedürfnisse kommender Generationen ebenfalls zu decken.

Diese grobe Definition von Nachhaltigkeit lässt sich auf enorm viele Lebensbereiche übertragen. Dennoch wird der Begriff je nach Kontext sehr unterschiedlich verwendet.

Verschiedene Interessen bedingen verschiedene Definitionen von Nachhaltigkeit

Finanz- und Wirtschaftspolitik etwa kommen nicht um den Begriff herum: Mit „nachhaltigem Wirtschaftswachstum“ können sie entweder anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg meinen – oder auf Nachhaltigkeitskriterien beruhendes (sprich: ökologische Kriterien berücksichtigendes) Wachstum. Im Idealfall ist beides der Fall.

Nachhaltigkeitspolitik kann extrem viele große und kleine Handlungfelder umfassen – sie versteht (ökologische und soziale) Nachhaltigkeit als Leitprinzip politischen Handelns (s. Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie),

Nachhaltigkeit von Produkten meint in der Regel, dass diese über ihre gesamte Lebensdauer möglichst ressourcenschonend sind.

Mit Nachhaltigkeit im Alltag dagegen sind meist individuelle Verhaltensweisen gemeint, deren Ziel es ist, einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu verursachen.

Erneuerbare Energien gehören zur Postwachstumsökonomie.
Nachhaltiges Wirtschaftswachstum kann zum Beispiel den Ausbau erneuerbarer Energien umfassen. (Foto: CC0/pixabay/RoyBuri)

Die Vielfalt der Interpretationen und Definitionen hat „Nachhaltigkeit“ zu einem „Gummiwort“ gemacht. So formulierte es Karin Wullenweber schon im Jahr 2000 in ihrem Artikel „Wortfang. Was die Sprache über Nachhaltigkeit verrät“ (erschienen in: politische ökologie 01-2000).

Dementsprechend ist es durchaus Auslegungssache, was mit Nachhaltigkeit gemeint ist – je nachdem welche Interessengruppe den Begriff verwendet. Eine eindeutige und universale Definition von Nachhaltigkeit ist schwierig.

Nachhaltige Produkte und nachhaltiger Konsum

Während globale Nachhaltigkeitsstrategien, politische Nachhaltigkeits-Agenden und Nachhaltigkeitsziele in der Wirtschaft extrem wichtig, für Einzelne aber oft schwer greifbar sind, haben wir bei alltäglichen Entscheidungen oft mit konkreten Nachaltigkeitsaspekten zu tun. Sind Produkte, Dienstleistungen, Verhaltensweisen, für die wir uns entscheiden, nachhaltig oder nicht?

Müll irgendwo auftürmen – keine nachhaltige Lösung
Müll irgendwo auftürmen – keine nachhaltige Lösung (© Pixabay / Prylarer)

Nachhaltige Produkte hinterlassen einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck. Idealerweise sind sie hinsichtlich ihrer Ökobilanz (von den Rohstoffen über Fertigung, Transport und Gebrauch bis zur Entsorgung) sozusagen „ausgeglichen“. Das bedeutet: Nachhaltige Produkte sollten sowohl eine hohe Lebensdauer aufweisen als auch bei Nutzung, Herstellung und Entsorgung die Umwelt möglichst wenig belasten.

Dazu kommt oft noch eine soziale Komponente: Nachhaltige Produkte sollen nicht nur die Umwelt, sondern auch Menschen möglichst wenig belasten, d.h. die gesamte Lieferkette soll möglichst sozialverträglich gestaltet sein. (Mehr dazu: Soziale Nachhaltigkeit: Was bedeutet das?)

Bei nachhaltigem Konsum geht es also darum, Kaufentscheidungen so zu treffen, dass sie möglichst wenig (negative) Auswirkungen auf die Umwelt und andere Menschen haben. Nachhaltiger Konsum berücksichtigt somit die Nachhaltigkeit von Produkten, Unternehmen und Dienstleistungen entlang der gesamten Lieferkette. Dabei schließt diese Form des bewussten Konsums auch Konzepte wie zum Beispiel Gebrauchtkauf, Leihen, Sharing und Konsumverzicht ein.

Motto: Dein Geldschein ist ein Wahlschein.

Definition: Nachhaltigkeit in Wissenschaft und Beruf

Längst hat die Wissenschaft den Begriff „Nachhaltigkeit“ für sich entdeckt: „Nachhaltigkeitswissenschaft“ (Sustainability Science) heißt die Disziplin, die 2001 auf dem Kongress „Challenges of a Changing Earth“ in Amsterdam das Licht der Welt erblickte. Eines der Hauptmerkmale der Nachhaltigkeitswissenschaft ist ihre praktische Ausrichtung auf die Lösung von gesellschaftlichen und globalen Problemen. Sie umfasst außerdem die verschiedensten anderen wissenschaftlichen Disziplinen, da sie quasi alle Bereiche tangiert.

Längst gibt es auch zahlreiche Studiengänge, die sich mit den unterschiedlichen Dimensionen der Nachhaltigkeit wissenschaftlich beschäftigen:

Rund um das komplexe Feld der Nachhaltigkeit haben sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Berufsbilder entwickelt – von der Bildung über Naturwissenschaften bin hin zur Baubranche.

Wo es solche „grünen“ Jobs (oder Jobs bei nachhaltigen Unternehmen) gibt, findest du hier heraus:

Grüne Jobs: Die besten Jobbörsen für nachhaltige Berufe

Der Begriff Nachhaltigkeit: Wo kommt Nachhaltigkeit her?

Prägte den Begriff Nachhaltigkeit: Hans Carl von Carlowitz
Hans Carl von Carlowitz sprach bereits 1713 in Bezug auf Forstwirtschaft von „Nachhaltigkeit“ (Bild: CC0 Public Domain / Wikimedia Commons)

Der Ursprung des Begriffs „Nachhaltigkeit“ (englisch: sustainability) umschreibt bereits die heute dahinter stehende Idee. Erstmals verwendet wurde er vermutlich im Jahr 1713 in Bezug auf eine nachhaltige Forstwirtschaft. Geprägt hat den Begriff Hans Carl von Carlowitz, ein adeliger sächsischer Oberberghauptmann. Er verwendete ihn in seiner „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“, dem ersten forstwirtschaftlichen Gesamtwerk.

Anlass war die übermäßige Waldvernichtung zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die umfassende Aufforstungen notwendig machte, um die Waldbestände zu erhalten. Grundgedanke der nachhaltigen Waldnutzung war, dass immer nur so viele Bäume geschlagen werden sollten, wie durch Aufforstung nachwachsen konnten.

Dieses Konzept liegt bis heute den meisten Definitionen von Nachhaltigkeit zugrunde – übertragen auf alle natürlichen Ressourcen.

Nachhaltigkeit wird salonfähig

Zwischen der erstmaligen Erwähnung von Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft bis zu ihrer gesellschaftlichen Kenntnisnahme liegen aber einige Jahre. Erst 1952 heißt es in den Grundsätzen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaftsweise: „Mit den sich erneuernden Hilfsquellen muss eine naturgemäße Wirtschaft betrieben werden, so dass sie nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit auch noch von den kommenden Generationen für die Deckung des Bedarfs der zahlenmäßig zunehmenden Menschheit herangezogen werden können.“ (Nachzulesen bei Klaus-Georg Wey: Umweltpolitik in Deutschland. Kurze Geschichte des Umweltschutzes in Deutschland seit 1900. Westdeutscher Verlag, Opladen 1982.)

Brundtland-Bericht und Rio-Konferenz: Nachhaltigkeit als politisches Konzept

Vereinte Nationen (UNO)
Zwei prägende Definitionen von Nachhaltigkeit stammen von UN-Organisationen. (Foto: CC0 Public Domain / Unsplash.com – Mathias P.R. Reding)

Eine noch heute häufig verwendete Definition von Nachhaltigkeit entstammt dem Bericht einer 1983 von den Vereinten Nationen eingesetzten Umweltkommission (World Commission on Environment and Development). Im sogenannten „Brundtland-Bericht heißt es unter anderem:

„Humanity has the ability to make development sustainable to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“

Zu deutsch: „Die Menschheit hat die Fähigkeit, die Entwicklung nachhaltig zu gestalten, um sicherzustellen, dass sie die Bedürfnisse der Gegenwart erfüllt, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“

Eine ebenso weitreichende Konkretisierung von Nachhaltigkeit hat ihre Wurzeln in der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung im Jahr 1992 (Rio-Konzferenz). Damals wurde Nachhaltigkeit als Bündel verschiedener politischer Interessen dargestellt. Das Ziel: Ökologische, ökonomische und soziale Ziele haben einen gleichrangigen Stellenwert im Staat.

Aus diesem Ansatz entwickelte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags letztlich das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (wobei der genaue Ursprung unklar ist). Dieses Modell will ökologische, ökonomische und soziale Komponenten zu einem Gesamtkonzept vereinen und gehört heute zu den am häufigsten genutzten Definitionen von Nachhaltigkeit.

Die drei Säulen der Nachhaltigkeit

Das Drei-Säulen-Modell (auch Nachhaltigkeitsdreieck genannt) will drei Komponenten gleichberechtigt unter dem Dach der Nachhaltigkeit zusammenbringen. Es soll ein Maßstab für das Handeln von Staaten und Unternehmen bilden und Grundlage für entsprechende Richtlinien sein.

  • Ökologische Nachhaltigkeit: Sie ist in der Öffentlichkeit am bekanntesten und orientiert sich am Ziel, Raubbau an der Natur zu vermeiden. Alle Ressourcen sollen nur in einem Ausmaß konsumiert werden, das die Regeneration der Natur erlaubt.
  • Ökonomische Nachhaltigkeit: Hier geht die Definition über den Betrieb einer dauerhaft florierenden Wirtschaft hinaus. Die Gesellschaft hat sich wirtschaftlich so zu verhalten, dass kommenden Generationen kein Schaden entsteht.
  • Soziale Nachhaltigkeit: Die Würde jedes einzelnen Menschen steht im Mittelpunkt. Spannungen und Konflikte in der Gesellschaft sollen minimiert sowie friedlich ausgetragen und bereinigt werden. Die Säule „Soziales“ fordert z. B. faire Bezahlung und freie berufliche Entfaltung.
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Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Grafik: Utopia.de)

Oft wird auch eine vierte Ebene ins Spiel gebracht, die politische Nachhaltigkeit, wie beispielsweise die Bildungspolitik eines Landes.

Kritik am Nachhaltigkeits-Dreieck und Weiterentwicklung

So einleuchtend das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit auf den ersten Blick ist, es stößt auch auf Kritik. Bemängelt wird immer wieder die gleichrangige Gewichtung der Einzelkomponenten. In der Praxis müsse die ökologische Nachhaltigkeit als Grundlage für alles andere im Vordergrund stehen.

Eine sogenannte „schwache Nachhaltigkeit“ würde beispielsweise Ökologie und Ökonomie auf die gleiche Stufe stellen. Das hieße: Stimmt die Wirtschaft, dann darf auch die Natur geschädigt werden. Als zielführend gilt dagegen eine „starke Nachhaltigkeit“, in der die Wirtschaft eingeschränkten Spielraum hat, der sich der Erhaltung der Lebensbedingungen unterordnet.

Es gibt daher Weiterentwicklungen wie das gewichtete Drei-Säulen-Modell mit einer „starken Nachhaltigkeit“. Das Kriterium der Ökologie steht hier als Fundament unter allen Säulen. Als dritte Säule kommt dafür „Kultur“ hinzu. Das gewichtete Modell macht deutlich, dass die drei Säulen Ökonomie, Kultur und Soziales auf der Ökologie aufbauen – denn sie sind direkt von natürlichen Ressourcen und Klima abhängig.

Weiterentwickeltes Drei-Säulen-Modell: „Starke Nachhaltigkeit“. (Grafik: Utopia.de)

Nachhaltigkeitsstrategien: Suffizienz, Konsistenz, Effizienz

Im Zusammenhang mit den verschiedenen Definitionen von Nachhaltigkeit ist oft von drei wesentlichen Nachhaltigkeitsstrategien die Rede:

  • Suffizienz: Die Strategie zielt darauf ab, die Belastungsgrenzen unseres Ökosystems zu respektieren. Dass soll durch weniger Konsum und Produktion erreicht werden.
  • Konsistenz: Vereinbarkeit von Natur und Technik – es geht darum anders zu produzieren, z. B. Erneuerbare Energien und neue Materialien zu nutzen, so dass keine Abfälle entstehen.
  • Effizienz: möglichst ergiebige Nutzung von Rohstoffen und Energie – es geht also um eine bessere Produktion, so dass man durch geringeren Energie- oder Rohstoffeinsatz den gleichen Nutzen hat.

Nachhaltigkeit International: Die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung

Im September 2015 beschlossen die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen in New York eine globale Agenda für nachhaltige Entwicklung – die Agenda 2030.

Sie umfasst insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), die sich auf verschiedene Bereiche beziehen – vom Schutz der Meere bis zur Gleichberechtigung der Geschlechter.

Die SDGs richten sich dabei nicht nur an Regierungen weltweit, sondern auch an die ´Zivilgesellschaft, die Privatwirtschaft und die Wissenschaft. An diesen Zielen orientieren sich seitdem immer mehr Unternehmen und Organisationen weltweit.

Fazit: Nachhaltigkeit auf den Punkt gebracht

Viele Definitionen von Nachhaltigkeit, viele Ideen – aber eine gemeinsame Richtung: Eine nachhaltige Entwicklung findet dann statt, wenn sie die aktuellen Bedürfnisse befriedigt, ohne zukünftige Generationen in ihren Möglichkeiten einzuschränken.

Windenergie – oft ein Symbol für Nachhaltigkeit bei der Energiegewinnung
Windenergie – oft ein Symbol für Nachhaltigkeit bei der Energiegewinnung (© Pixabay / b1-foto)

Deshalb sollte man sich von der Definitionsvielfalt von Nachhaltigkeit nicht allzu sehr verwirren lassen, sondern immer die dahinterstehende Idee im Auge behalten: „Es geht um nicht weniger als um ein Leben in Würde, Gerechtigkeit und Frieden, um soziale Sicherheit ebenso wie um wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten bei gleichzeitigem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen.“ (in: Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie, 2016)

Text: Chris Haderer & Annika Flatley

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